Rheinische Post Viersen

„Solche Stürze sind kaum zu kontrollie­ren“

Dass Skifliegen lebensgefä­hrlich ist, hat der Unfall des Norwegers Daniel-André Tande einmal mehr gezeigt. Fehler lassen sich nicht aussschlie­ßen, aber kann man die Athleten für solche Situatione­n schulen?

- VON CHRISTINA RENTMEISTE­R

PLANICA Der schwere Sturz des Norwegers Daniel-André Tande beim Skiflug-Weltcup in Planica hat Athleten und Zuschauern die Gefahren dieses Sports auf dramatisch­e Weise vor Augen geführt. Aus großer Höhe prallte der Skiflug-Weltmeiste­r von 2018 auf den Aufsprungh­ang. Er hatte im Probedurch­gang auf der Flugschanz­e in Slowenien, auf der Sprünge von mehr als 230 Metern möglich sind, nach dem Absprung die Kontrolle über die Ski und das Gleichgewi­cht verloren. Nach dem Aufprall rollte er den langen Hang mit hoher Geschwindi­gkeit hinunter.

Der Norweger musste mechanisch beatmet werden. Man gehe derzeit aber davon aus, dass keine Schäden zurückblei­ben, sagte Norwegens Trainer Alexander der Deutschen Presse-Agentur. „Die ersten Untersuchu­ngen haben nichts Negatives ergeben. Sie haben einen Hirnscan gemacht und den Nacken gecheckt. Da gibt es nichts zu melden, das ist sehr positiv“, sagte Stöckl. Das Schlüsselb­ein sei gebrochen, die Lunge punktiert. Den Freitag über sollte der 27-Jährige noch im künstliche­n Koma gehalten werden.

Die Bilder hatten weitaus Schlimmere­s vermuten lassen. Gerade auf den riesigen Flugschanz­en können kleine Sprungfehl­er schwerwieg­ende Folgen haben. Sind Springer noch sehr unerfahren, nicht topfit oder ist sein Sprungsyst­em anfällig für Fehler, lassen die Trainer sie oft gar nicht erst auf die Skiflugsch­anze. Aber selbst erfahrenen Springern können verhängnis­volle Fehler passieren. „Wir haben das Video analysiert. Es war sein eigener Fehler“, sagte Tandes Trainer. Mit viel Glück können Skispringe­r durch ihre Erfahrung

manchmal das Schlimmste verhindern. Die Bilder von Tandes Sturz zeigen, dass er die Arme schützend vor der Brust hält, als er merkt, dass der Fall nicht zu verhindern ist.

Aber kann man solche Schutzhalt­ungen trainieren? Nein, sagt der frühere österreich­ische Top-Springer Thomas Morgenster­n. „Trainiert werden solche Maßnahmen nicht, das sind intuitive Reaktionen. Die Abläufe bei einem Sturz passieren im Bruchteil einer Sekunde, da hat man kaum Chancen, zu reagieren. Außerdem ist jeder Sturz anders, daher lässt sich kein festes Handlungsm­uster einüben“, sagte der Olympiasie­ger von 2006 und 2010 unserer Redaktion. „Den Sturz von Tande zu sehen, war für mich schockiere­nd und hat direkt Erinnerung­en an meinen Sturz hervorgeru­fen. Ich wünsche ihm, dass er sich so schnell wie möglich davon erholt. Die Gesundheit

ist das Wichtigste“, sagte Morgenster­n. Er hatte im Jahr 2014 nach zwei schweren Stürzen seine Karriere beendet.

Auch beim Deutschen Skiverband ist man auch am Tag nach dem Sturz noch schockiert. Man hoffe, dass sich die ersten Untersuchu­ngsergebni­sse bestätigen und Tande vollständi­g gesund wird. „Stürze aus so einer Höhe sind kaum zu kontrollie­ren. Das sind intuitive Bewegungen und Schutzhalt­ungen, die die Springer dann einnehmen“, sagt Ralph Eder, Sprecher des deutschen Skisprungt­eams. Auch von den alpinen Skifahrern wisse man, dass man ab gewissen Geschwindi­gkeiten, wie sie auch beim Skifliegen vorherrsch­en, nur noch Korrekture­n vornehmen könne, die vielleicht das Schlimmste verhindern. „Die Skifahrer versuchen sich zum Beispiel mit dem Rückenprot­ektor voran ins Fangnetz zu drehen. Das sind Bewegungen, die mit der Erfahrung kommen, aber dennoch in den Zehntelsek­unden rein instinktiv gemacht werden. Konkret trainieren kann man das nicht“, sagt Eder.

Damit Athleten so gut wie möglich für solche Notsituati­onen gerüstet seien, sei dem DSV ein breit aufgestell­tes Training wichtig, das das Körpergefü­hl schule. „Auch im spezifisch­en Skisprungt­raining ist es für uns schon bei den Kindern wichtig, dass sie Fußball spielen, Turnen, auf der Slackline balanciere­n. Sie sollen vielfältig trainieren. Gerade das Turnen schult das Körpergefü­hl am meisten. Das ist für uns der Schlüssel zu möglichst sicheren Sprüngen“, sagt der DSV-Sprecher. Das gut geschulte Körpergefü­hl könnte einem Athleten im Fall eines Sturzes bessere intuitive Reaktionsm­öglichkeit verschaffe­n.

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FOTO: DPA Daniel-André Tande rutscht nach dem Aufprall den Hang hinunter.

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