Viersener Fotograf macht Künstler sichtbar
Andreas Döring lichtet für seine Aktion „Vermisst“Kulturschaffende ab, die sich im Lockdown nach Publikum und Bühne sehnen.
VIERSEN Der Magier lässt seine Spielkarten fliegen. Mitten in der Viersener Fußgängerzone sitzt Mario Barone auf einem Barhocker, den Zauberstab in der linken Hand, in der rechten noch einen dünnen Stapel Karten. Fotograf Andreas Döring hält den Moment fest, in dem die übrigen bunt bedruckten Papp-Rechtecke durch die Luft segeln, die ersten fast schon den Boden berühren. Was der 61-Jährige nicht einfangen kann, ist die Reaktion des Publikums. Denn das gibt es nicht. Viele Künstler sind im Lockdown gefangen, Bühne, Live-Publikum, Applaus — „all das vermissen sie extrem“, sagt Döring. Mit seiner
Fotoaktion „Vermisst“möchte der Viersener ihnen eine Bühne bieten und auf die Situation der Kulturschaffenden aufmerksam machen.
Normalerweise macht Döring seine Bilder bei Festivals wie „Eier mit Speck“und auf Konzerten, etwa in der „Rockschicht“. „Ich habe eigentlich an den Wochenenden permanent mit Künstlern zu tun, daraus sind Freundschaften entstanden“, erzählt er. Seit Beginn der Pandemie verfolgt er mit, wie es den Freunden ergeht. „Die machen so ein bisschen ihr Ding, kommen mehr oder weniger gut durch“, sagt der Fotograf und Schreinermeister. Aus den Gesprächen, die er in den vergangenen Monaten geführt hat, weiß er, wie sehr vielen Kulturschaffenden
Bühne und Publikum fehlen. Und: Auch er selbst vermisse „dieses gemeinsame Erleben“, den Kulturbetrieb, sagt er. Also beschloss Döring, auf seinen Seiten bei Facebook und Instagram das Album „Vermisst“anzulegen. Elf Bilder sind dort bisher abgelegt, „ich habe noch Ideen für mindestens 50 weitere“, sagt er.
Schausteller Edi Tusch im Oldtimer-Autoscooter, Karnevalist Frank Schiffers als trauriger Hoppediz, Violonistin Victoria Grobe umrahmt von Notenheften, Jazzmusiker Markus Türk mit Trompete: All das sind Motive, die Döring seit Anfang März bereits in der Viersener Fußgängerzone umgesetzt hat. Also immer im öffentlichen Raum. So möchte der Fotograf zeigen: „Wir sind da, aber momentan nicht so richtig dabei.“Mit dem Ordnungsamt habe er sich abgestimmt, erzählt der 61-Jährige, „alles ist Corona-konform“.
Döring liefert die Bildidee, „das Bild habe ich im Kopf, das skizziere ich mir vorher“, sagt er. Auch Requisiten wie einen Stuhl, einen Barhocker oder Puppen steuert er bei. „Mein Auto ist voll mit Requisiten“, sagt der Fotograf. Die meisten „Models“, die er anspricht und fragt, ob sie mitmachen möchten, seien Bekannte, erzählt er. „Ich suche mich so durch“, ergänzt er.
Vor dem Fotoshooting trifft er sich mit seinem jeweiligen Model auf einem Parkplatz, sie sprechen sich kurz ab, wie das Bild gestaltet werden soll, machen sich gemeinsam auf den Weg in die Fußgängerzone. „Das geht alles relativ schnell“, sagt Döring — hinstellen, fotografieren, fertig.
Manchmal gebe es Unterbrechungen, wenn Passanten stehen bleiben. Denn auch, wenn Döring den Künstlern ihr Publikum gönnen würde: Er müsse die Leute weiter schicken, „wegen Corona“.
Dem jeweiligen Model lässt er das fertige Foto digital zukommen, das landet außerdem im Album bei Facebook und Instagram. Die Reaktionen auf die Aktion seien sehr unterschiedlich, erzählt er. „Die einen sehen das als Protest gegen die Regierung, die anderen sagen einfach: ,Es ist toll, dass du was tust’.“Dabei habe er sich gar nicht so viel dabei gedacht, „das hat sich irgendwie verselbstständigt“, ergänzt er und betont: „Das macht mir einfach einen Höllenspaß.“Deshalb möchte er auch noch weiter machen. Bis es endlich nicht mehr so viel zu vermissen gibt.