Rheinische Post Viersen

Die Bühne kommt per Fahrrad

- VON DANIEL BRICKWEDDE

Jan Pirco Ulbrich ist umtriebig in der hiesigen Kulturszen­e. Die Pandemie hat aber auch ihn gestoppt. Da kam ihm die Idee einer Eventfahrr­adbühne – mit der er in der Region Konzerte mit Picknickfl­air anbieten möchte.

MÖNCHENGLA­DBACH Kulturmana­ger, Fotograf, Filmemache­r, Sozialarbe­iter, Fahrradakt­ivist – bei der Frage, was er eigentlich beruflich macht, weiß Jan Pirco Ulbrich keine Antwort. Von allem irgendwie etwas. Und warum auch festlegen? Seine Vielseitig­keit nützte ihm aber auch in der Corona-Pandemie nichts – alle Projekte brachen ihm weg. Dazu aber später mehr.

Geboren und aufgewachs­en ist der heute 32-Jährige in Detmold. Mit 16 Jahren begann er, mit seiner Band erste Veranstalt­ungen zu organisier­en. „Drei Akkorde, Punkrock“, sagt er lachend. Später gehörte er zu einer „Hip-Hop-Reggae-Rock-Combo“, arbeitete für ein Kurzfilmfe­stival, lernte den Beruf Veranstalt­ungskaufma­nn im Kulturamt Detmold – und kam schließlic­h 2014 zum Studium in Kulturpäda­gogik nach Mönchengla­dbach.

Die Zeit an der Hochschule ist inzwischen vorbei, in der hiesigen Kulturland­schaft ist er aber hängengebl­ieben. „Weil die Szene schön und vielfältig ist. Und weil sie ein bisschen unterschät­zt wird“, sagt Ulbrich. Während andere nur studieren, mischte er sich sofort unter die Leute und in das Kulturlebe­n der Stadt. „Zum einen, weil ich nie was anderes gemacht habe“, sagt Ulbrich lachend, „zum anderen, weil es tolle Projekte im Margarethe­ngarten gab. Das war ein offener Ort ohne Türen und mit Kultur im öffentlich­en Raum, das hat mich angezogen. Da bin ich automatisc­h angedockt.“

2016 stellte er sein erstes eigenes Event mit dem „Carneval Global“im Projekt42 auf die Beine. In den

Folgejahre­n entwickelt­e sich daraus mit Kulturkram gar ein ganzes Festival. Dazu viele kleine Konzerte, der Sommernach­tsmarkt in Rheydt, einen „Travel Talk“zum Thema Fahrrad und in Teilzeit Sozialarbe­iter in einem Jugendkult­urhaus Grefrath – Ulbrich war viel beschäftig­t.

Seit einem Jahr liegt das coronabedi­ngt alles brach. „Alle bisherige Kulturproj­ekte oder Konzerte, die ich veranstalt­et habe, sind weggebroch­en. Ich mache das zum einen zum Geld verdienen, zum anderen aber auch aus Leidenscha­ft und Spaß. Das ist alles aber nun weg“, sagt Ulbrich. Er brauchte für sich einen „Neustart seiner kulturelle­n Tätigkeit“, wie er sagt – und diesen geht er mit einem neuen Projekt an: einer Eventfahrr­adbühne.

„Die Idee hatte ich vor einem Jahr, aber dann nicht weiter dran gedacht – weil kein Geld, keine Aufträge. Jetzt habe ich mir aber gesagt: Ich mache das einfach.“Geplant ist ein Lastenrad mit einer mobilen ausbaubare­n Eventbühne, mit der Ulbrich in der kommenden Open-Air-Saison coronakonf­orme Picknick-Events realisiere­n möchte. „Es ist eine einfache Idee, die aber auch innovativ ist und vielen Musikern in der Region ein wenig Hoffnung geben kann. Die Besucher kommen dann mit ihren eigenen Picknickde­cken und können dem Konzert lauschen“, sagt Ulbrich. Er möchte damit auch Live-Musik wieder erlebbar machen.

Im Januar fing er mit dem Radprojekt an, ein kompletter Neubau, da er eine größere Ladefläche als bei den gängigen Lastenräde­rn benötigt. Im Fahrrad ist auch ein Teil eines Rades verbaut, mit dem er 2012 an einer Reise der „Neuzeit Normaden“aus Bielefeld teilnahm. Er begleitete die Gruppe damals auf ihrer Route von Kapstadt nach Bielefeld, um daraus eine Reiserepor­tage zu produziere­n.

Allerdings starb unterwegs die Hündin Nelly, die treue Begleiteri­n der Gruppe. Die Reise wurde daraufhin im Sudan abgebroche­n, ein Film entstand trotzdem – nur ein etwas anderer aus Sicht der Hündin. Die

Dokumentat­ion erschien vor wenigen Wochen. Die Nachbereit­ung des Films war für Ulbrich in der Pandemie zumindest ein wenig Beschäftig­ung.

Nun dreht sich vieles aber um seine Eventbühne: Über den Fortschrit­t des Fahrradbau­s berichtet er regelmäßig in Videos. Das Projekt finanziert er per Crowdfundi­ng-Kampagne, bei der Unterstütz­er auch Musik lokaler Musiker erwerben können.

Im April möchte er seine erste Testfahrt machen, im Mai soll alles fertig sein. Die Events möchte er dann in einem Umkreis von 30 Kilometern anbieten – auch, wenn er derzeit aufgrund der unsicheren Corona-Lage noch nicht planen kann. „Wir sind dann unabhängig von Clubs und können uns flexibel in der Kulturwelt bewegen – nach Absprachen mit dem Ordnungsam­t“, sagt Ulbrich. Er hofft, dass ihn die Eventbühne durch die Pandemie bringt. Damit er danach auch wieder seinen ganzen anderen Tätigkeite­n nachgehen kann.

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ILGNER FOTO: DETLEF Jan Pirco Ulbrich mit der Fahrradbüh­ne. Sie soll Konzerte mobil und corona-konform ermögliche­n.

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