Die Bühne kommt per Fahrrad
Jan Pirco Ulbrich ist umtriebig in der hiesigen Kulturszene. Die Pandemie hat aber auch ihn gestoppt. Da kam ihm die Idee einer Eventfahrradbühne – mit der er in der Region Konzerte mit Picknickflair anbieten möchte.
MÖNCHENGLADBACH Kulturmanager, Fotograf, Filmemacher, Sozialarbeiter, Fahrradaktivist – bei der Frage, was er eigentlich beruflich macht, weiß Jan Pirco Ulbrich keine Antwort. Von allem irgendwie etwas. Und warum auch festlegen? Seine Vielseitigkeit nützte ihm aber auch in der Corona-Pandemie nichts – alle Projekte brachen ihm weg. Dazu aber später mehr.
Geboren und aufgewachsen ist der heute 32-Jährige in Detmold. Mit 16 Jahren begann er, mit seiner Band erste Veranstaltungen zu organisieren. „Drei Akkorde, Punkrock“, sagt er lachend. Später gehörte er zu einer „Hip-Hop-Reggae-Rock-Combo“, arbeitete für ein Kurzfilmfestival, lernte den Beruf Veranstaltungskaufmann im Kulturamt Detmold – und kam schließlich 2014 zum Studium in Kulturpädagogik nach Mönchengladbach.
Die Zeit an der Hochschule ist inzwischen vorbei, in der hiesigen Kulturlandschaft ist er aber hängengeblieben. „Weil die Szene schön und vielfältig ist. Und weil sie ein bisschen unterschätzt wird“, sagt Ulbrich. Während andere nur studieren, mischte er sich sofort unter die Leute und in das Kulturleben der Stadt. „Zum einen, weil ich nie was anderes gemacht habe“, sagt Ulbrich lachend, „zum anderen, weil es tolle Projekte im Margarethengarten gab. Das war ein offener Ort ohne Türen und mit Kultur im öffentlichen Raum, das hat mich angezogen. Da bin ich automatisch angedockt.“
2016 stellte er sein erstes eigenes Event mit dem „Carneval Global“im Projekt42 auf die Beine. In den
Folgejahren entwickelte sich daraus mit Kulturkram gar ein ganzes Festival. Dazu viele kleine Konzerte, der Sommernachtsmarkt in Rheydt, einen „Travel Talk“zum Thema Fahrrad und in Teilzeit Sozialarbeiter in einem Jugendkulturhaus Grefrath – Ulbrich war viel beschäftigt.
Seit einem Jahr liegt das coronabedingt alles brach. „Alle bisherige Kulturprojekte oder Konzerte, die ich veranstaltet habe, sind weggebrochen. Ich mache das zum einen zum Geld verdienen, zum anderen aber auch aus Leidenschaft und Spaß. Das ist alles aber nun weg“, sagt Ulbrich. Er brauchte für sich einen „Neustart seiner kulturellen Tätigkeit“, wie er sagt – und diesen geht er mit einem neuen Projekt an: einer Eventfahrradbühne.
„Die Idee hatte ich vor einem Jahr, aber dann nicht weiter dran gedacht – weil kein Geld, keine Aufträge. Jetzt habe ich mir aber gesagt: Ich mache das einfach.“Geplant ist ein Lastenrad mit einer mobilen ausbaubaren Eventbühne, mit der Ulbrich in der kommenden Open-Air-Saison coronakonforme Picknick-Events realisieren möchte. „Es ist eine einfache Idee, die aber auch innovativ ist und vielen Musikern in der Region ein wenig Hoffnung geben kann. Die Besucher kommen dann mit ihren eigenen Picknickdecken und können dem Konzert lauschen“, sagt Ulbrich. Er möchte damit auch Live-Musik wieder erlebbar machen.
Im Januar fing er mit dem Radprojekt an, ein kompletter Neubau, da er eine größere Ladefläche als bei den gängigen Lastenrädern benötigt. Im Fahrrad ist auch ein Teil eines Rades verbaut, mit dem er 2012 an einer Reise der „Neuzeit Normaden“aus Bielefeld teilnahm. Er begleitete die Gruppe damals auf ihrer Route von Kapstadt nach Bielefeld, um daraus eine Reisereportage zu produzieren.
Allerdings starb unterwegs die Hündin Nelly, die treue Begleiterin der Gruppe. Die Reise wurde daraufhin im Sudan abgebrochen, ein Film entstand trotzdem – nur ein etwas anderer aus Sicht der Hündin. Die
Dokumentation erschien vor wenigen Wochen. Die Nachbereitung des Films war für Ulbrich in der Pandemie zumindest ein wenig Beschäftigung.
Nun dreht sich vieles aber um seine Eventbühne: Über den Fortschritt des Fahrradbaus berichtet er regelmäßig in Videos. Das Projekt finanziert er per Crowdfunding-Kampagne, bei der Unterstützer auch Musik lokaler Musiker erwerben können.
Im April möchte er seine erste Testfahrt machen, im Mai soll alles fertig sein. Die Events möchte er dann in einem Umkreis von 30 Kilometern anbieten – auch, wenn er derzeit aufgrund der unsicheren Corona-Lage noch nicht planen kann. „Wir sind dann unabhängig von Clubs und können uns flexibel in der Kulturwelt bewegen – nach Absprachen mit dem Ordnungsamt“, sagt Ulbrich. Er hofft, dass ihn die Eventbühne durch die Pandemie bringt. Damit er danach auch wieder seinen ganzen anderen Tätigkeiten nachgehen kann.