Der Druck wächst
Die Kritik Merkels am Corona-Kurs des CDU-Vorsitzenden wirkt sich auf die Kanzlerkandidatenfrage aus.
BERLIN Eine CDU-Kanzlerin, die einem CDU-Vorsitzenden öffentlich einen Verstoß gegen Corona-Beschlüsse vorwirft und kurz darauf von einem CSU-Vorsitzenden unterstützt wird: Der Vorgang vom Sonntagabend hätte schon in Zeiten Brisanz, in denen die Frage des Kanzlerkandidaten zwischen CDU und CSU geklärt wäre. In einer Phase des Schwebezustandes zwischen Armin Laschet (CDU) und Markus Söder (CSU) hat sie jedoch besonderes Gewicht.
Prompt ließen sich die ersten CDU-Bundestagsabgeordneten mit der Auffassung zitieren, Söder müsse es machen. Nach einer Präsidiumssitzung der CDU machte Laschet indes klar, dass er und Söder darüber zwischen Ostern und Pfingsten entschieden, und Ostern beginne erst am nächsten Sonntag.
Moderatorin Anne Will hatte die Kanzlerin in ihrer ARD-Sendung gefragt, ob Armin Laschet gegen den Beschluss verstoße, den er mit der Notbremse ab einer Inzidenz von 100 selbst mit gefasst habe. „Es gibt mehrere Bundesländer, die eine sehr weite Interpretation haben, und das erfüllt mich nicht mit Freude“, sagte Merkel. „Also ja, er verstößt dagegen“, fragte Will nach. Daraufhin antwortete die Kanzlerin: „Ja, aber er ist nicht der Einzige.“Für zusätzliche Nervosität sorgt der Absturz von CDU und CSU in der Sonntagsfrage. Bei Kantar Emnid wird die Union nun nur noch bei 25 Prozent angesiedelt – nach 35 noch vor sechs Wochen. Allerdings gehört zu den Gründen eine Reihe von Abgeordneten unter Korruptionsverdacht.
Ungeschriebenes Gesetz in der langen Tradition gemeinsamer Kanzlerkandidaten ist die Voraussetzung für einen CSU-Kandidaten,
von der CDU gerufen zu werden. Denn Rückhalt in Bayern reicht für einen CSU-Politiker bei Weitem nicht, um in ganz Deutschland punkten zu können. In den Umfragen liegt Söder nach wie vor deutlich vor Laschet, im direkten Vergleich zöge derzeit der CDU-Chef auch im Wettstreit mit SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und den potenziellen Grünen-Kanzlerkandidaten Robert Habeck und Annalena Baerbock den Kürzeren. Das bleibt auf die Unionsfraktion nicht ohne Wirkung. „Wir müssen mit dem antreten, mit dem wir nach Umfragen die besten Chancen haben, und das ist mit großem Abstand Markus Söder“, sagte der CDU-Politiker Johannes Steiniger aus Rheinland-Pfalz.
Der Chef der NRW-CDU-Abgeordneten im Bundestag, Innen-Staatssekretär Günter Krings, meinte auch sogleich, es sei nicht neu, dass Angela Merkel die Pandemiebekämpfung in der Mehrheit der Bundesländer nicht gefalle. „Bei der Kanzlerkandidatenfrage geht es aber darum, wer Deutschland nach Angela Merkel führen soll“, betonte Krings. Es sei eine Entscheidung über die Zukunft des Landes, und die Umfragen zeigten überdeutlich, dass CDU und CSU Vertrauen bei den Menschen zurückgewinnen müssten.