Rheinische Post Viersen

Einer wie ten Hag könnte der Kitt sein, der Spieler bindet

- VON KARSTEN KELLERMANN UND JANNIK SORGATZ KARSTEN KELLERMANN

Matthias Ginter und Florian Neuhaus arbeiten gerade an ihrem Programm für die Vorweihnac­htszeit des Jahres 2022. Beide Borussen sind mit dem deutschen Nationalte­am in Sachen WM-Qualifikat­ion unterwegs, das nächste Weltturnie­r ist bekanntlic­h im Winter des kommenden Jahres im Wüstenstaa­t Katar. Und bei beiden, beim Abwehrchef wie beim Mittelfeld­mann, ist offen, ob sie dann noch Gladbacher sind. Ginter denkt in diesen Wochen darüber nach, ob er seinen bis 2022 datierten Kontrakt verlängern soll oder nicht. Und Neuhaus sinniert darüber, ob er seine im Vertrag integriert­e Ausstiegsk­lausel nutzen soll oder nicht.

Beide Herren haben auch immer klargestel­lt, dass sie sich bei Borussia wohl fühlen und sich durchaus vorstellen können, noch mehr Zeit im Zeichen der Raute zu verbringen: Ginter durch eine mögliche Vertragsve­rlängerung,

Neuhaus, weil er seinen bis 2024 laufenden Vertrag noch weiter nutzt, um sich auszuentwi­ckeln, bevor er dem Ruf eines ganz großen Vereins folgt.

Ein Faktor in der Entscheidu­ngsfindung, ob Gladbach für ihre persönlich­en Ambitionen über diese Saison hinaus die richtige Adresse sein wird, wird die Antwort von Manager Max Eberl auf die Trainerfra­ge sein. Sollte diese Erik ten Hag lauten, wäre das ein kräftiges Argument in den Gesprächen mit Ginter

und Neuhaus, aber wohl auch für Marcus Thuram, der wie Neuhaus eine Klausel haben soll, die es ihm ermögliche­n könnte, Gladbach im Sommer zu verlassen (ähnlich wäre es, wenn Eberl doch noch ein anderer Überraschu­ngscoup wie zum Beispiel mit einem Mann wie Frankfurts Adi Hütter gelingen würde).

„Natürlich spielt der Faktor Trainer ebenfalls eine Rolle. Er gibt die sportliche Linie vor, in der man sich dann zurechtfin­den muss, darum ist er von großer Bedeutung für einen einzelnen Spieler“, hatte Ginter unserer Redaktion schon im Januar gesagt, als er noch vom Verbleib Marco Roses ausging. Dies bekräftige er zuletzt nochmal gegenüber dem „Express“: „Das ist nicht das alleinige Kriterium, aber natürlich wäre es für mich schon wichtig, mit dem neuen Trainer zu sprechen. Was hat er vor? Wie ist seine Vision mit der Mannschaft und dem Verein?“, sagte Ginter. Seine Kollegen Neuhaus und Thuram werden es ähnlich sehen.

Ein Name wie ten Hag, der aktuell Trainer von Ajax Amsterdam ist, aber nach Informatio­nen unserer Redaktion Gespräche mit Borussia geführt hat wegen einer Zusammenar­beit, wäre einer mit viel Strahlkraf­t, der dafür stehen würde, wie Gladbach künftig Fußball spielen will: attraktiv, offensiv und noch mal angereiche­rt um neue Aspekte, die spannend wären für die Spieler.

Ginter könnte seine Anlagen als spielender Verteidige­r nochmal mehr ausleben, denn im niederländ­ischen „Totaalvoet­bal“sind die Defensiven immer stark involviert ins Offensivsp­iel. Neuhaus könnte sich weiter etablieren als Umschalt-Sechser und Spielgesta­lter aus der Tiefe, diese Rolle ist im 4-3-3 von ten Hag hinterlegt, zumal es mehr auf spielerisc­he Akzente denn auf reines Pressing ausgelegt ist. Und Thuram könnte sich auf dem Flügel austoben im klassische­n Sinn. Wer von Ajax kommt, ist zugleich Spieler-Entwickler auf hohem Niveau, das wäre reizvoll für alle Borussen, könnte aber gerade für die, die noch nicht festgelegt sind, der entscheide­nde Kitt sein, der sie weiter an den Klub bindet.

Dass Eberl den Spielern so schnell wie möglich eine Tendenz mitteilen wird, liegt also auf der Hand. Die Entscheidu­ng in der Trainerfra­ge steht noch aus, neben ten Hag gibt es weitere Kandidaten. Nicht nur die Gladbach-Fans warten gespannt darauf, sondern auch die Spieler, deren Zukunft in gewisser Weise auch davon abhängt, wer künftig an der Linie steht.

Wer sich die Fotos von Borussias Stürmer Breel Embolo anschaut, die im Kontext der WM-Qualifikat­ionsspiele der Schweiz in Bulgarien und gegen Litauen entstanden sind, der sieht einen entschloss­enen und zufriedene­n Mann: Embolo resolut in Zweikämpfe­n, Embolo beim Torjubel. Das war in Bulgarien (3:1), als er die historisch-schnelle 3:0-Führung der Eidgenosse­n mit seinem Tor einleitete. Gegen Litauen war er wieder ein Frühstarte­r. Er spielte nach zwei Minuten einen feinen Pass auf Xerdan Shaqiri, der dann das 1:0-Siegtor produziert­e. Zwei Spiele, zwei Scorer-Punkte für Embolo, das kann sich sehen lassen und gibt dem Offensivma­nn ein gutes Gefühl.

Embolo, Torhüter Yann Sommer, Verteidige­r Nico Elvedi und der später eingewechs­elte Denis Zakaria erlebten neben dem Sieger-Gefühl auch noch eine Seltsamkei­t: Denn als es eigentlich losgehen sollte gegen Litauen, musste das Tor ausgetausc­ht werden. Denn es war einige Zentimeter zu hoch. So wurde das Gestänge abmontiert und ein neues installier­t.

Ein Tor, das Fisimatent­en macht: wenige Tage vor dem 50. Jahrestag des Gladbacher Pfostenbru­chs war das für eidgenössi­schen Borussen ein Erlebnis mit einem gewissen Gladbach-Touch. Die Geschichte des geknickten Holzpfoste­ns kennen die Herren aus dem Klubmuseum, dort gibt es ein Replika des gefallenen Tores.

Gewonnen haben auch Matthias Ginter und Florian Neuhaus mit Deutschlan­d (1:0 in Rumänien) und Stefan Lainer mit Österreich. Lainer war so frei, einen Assist zum 3:1 gegen die Färöer Inseln beizusteue­rn. Der Rechtsvert­eidiger scheint durch sein Tor beim 3:0 auf Schalke auf den Geschmack gekommen zu sein, auch nach vorn wieder produktiv zu werden. Im Endspurt der Borussen kann so etwas hilfreich sein.

So ist nach dem unglücklic­hen Start der Länderspie­lphase mit der Corona-Erkrankung Jonas Hofmanns bis jetzt ein durchaus positives Fazit der WM-Qualifikat­ion zu ziehen aus Borussen-Sicht: Bis auf das Remis der Österreich­er in Schottland gab es lauter Siege, alle Borussen haben Einsätze gesammelt und zwei auch Scorerpunk­te. Das gute Gefühl, das sich die Borussen auf Schalke geholt haben nach der langen Niederlage­nserie, hat sich also bei den Länderspie­len fortgesetz­t. Sie spüren in diesen Tagen: So gut fühlt sich Erfolg in Serie an. Und genau den brauchen sie auch in der Liga. Für die Restchance auf Europa.

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FOTO: IMAGO/MARTIN HOFFMANN Was ist das Beste für Borussia? Ein Trainer mit oder ohne Ausstiegsk­lausel? Max Eberl muss entscheide­n.
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FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS/DPA Matthias Ginter (l.) und Florian Neuhaus sind derzeit beim Nationatea­m.
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FOTO: AP Breel Embolo

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