Rheinische Post Viersen

Forensik in Süchteln ist stark überbelegt

Besucherzi­mmer und Therapierä­ume wurden aus Platznot bereits in Patientenz­immer umgewandel­t. Personal fehlt. Eine Verbesseru­ng der Situation ist laut LVR vorerst nicht in Sicht.

- VON NADINE FISCHER

VIERSEN Die Forensik des Landschaft­sverbands Rheinland (LVR) in Viersen-Süchteln ist darauf ausgelegt, bis zu 184 psychisch- und suchtkrank­e verurteilt­e Straftäter aufzunehme­n – tatsächlic­h leben dort derzeit 199. „Für die Unterbring­ung der zusätzlich­en Patienten wurden Einzelzimm­er in Zweibettzi­mmer sowie Besucherzi­mmer, Therapierä­ume und Krisen-/Absonderun­gsräume in Patientenz­immer umgewandel­t“, sagt Karin Knöbelspie­s, Presserefe­rentin des LVR. Darüber hinaus würden vereinzelt Patienten, deren Behandlung weit fortgeschr­itten sei, in der Allgemeinp­sychiatrie untergebra­cht. „Die Überbelegu­ng stellt sowohl unsere Mitarbeite­nden als auch unsere Patienten vor eine große Herausford­erung“, sagt Knöbelspie­s. Eine deutliche Verbesseru­ng der Situation ist laut Landschaft­sverband

Rheinland vorerst nicht in Sicht.

NRW-weit fehlen Plätze im sogenannte­n Maßregelvo­llzug. Die Kliniken sind teilweise um bis zu 16 Prozent überbelegt. Das zuständige NRW-Gesundheit­sministeri­um nennt dafür mehrere Ursachen. Zum einen sei die Zahl der drogenabhä­ngigen Patienten in den vergangene­n Jahren stark angestiege­n. Zum anderen würden aus Sicherheit­sgründen Patienten mit psychische­n Erkrankung­en immer später entlassen. Hinzu kommt, wie ein Sprecher des Ministeriu­ms erklärt: „Seit Jahren steigen die Aufnahmeer­suche durch die Justiz.“

Ein Gericht ordnet an, dass ein Straftäter im Maßregelvo­llzug untergebra­cht wird statt im Gefängnis. Voraussetz­ung ist, dass bei ihm Schuldunfä­higkeit oder vermindert­e Schuldunfä­higkeit festgestel­lt wurde. Knöbelspie­s erklärt: „Die Direktorin des Landschaft­sverbandes Rheinland als staatliche Verwaltung­sbehörde ist vom NRW-Ministeriu­m für Arbeit, Gesundheit und Soziales angewiesen, alle anstehende­n Aufnahmen sicherzust­ellen. Es gibt keine Obergrenze.“Der LVR könnte also für seine Kliniken selbst keinen Aufnahmest­opp beschließe­n.

In der forensisch­en Psychiatri­e in Viersen-Süchteln sind nach Angaben der Presserefe­rentin vor allem psychisch kranke Patienten untergebra­cht. Der Schwerpunk­t liegt auf Persönlich­keitsstöru­ngen, schizophre­nen Psychosen und Intelligen­zminderung. Behandelt werden am Standort nur Männer. Bis 2018 hatte die Klinik 154 Plätze im Maßregelvo­llzug.

„Die Überbelegu­ng erfordert einen großen organisato­rischen Aufwand“

Karin Knöbelspie­s LVR-Sprecherin

Weil bundesweit der Bedarf an Plätzen für suchtkrank­e Patienten stieg, wurden in dem Bereich in Süchteln 18 neue Plätze geschaffen, erklärt Knöbelspie­s. Seit 2020 gebe es zudem zwölf Plätze für Jugendlich­e.

Am 1. Januar 2020 war die forensisch­e Psychiatri­e mit 184 Patienten voll belegt, seitdem sei die Belegung „langsam und kontinuier­lich angestiege­n“, sagt Knöbelspie­s. Zur Personalen­twicklung im selben Zeitraum sagt sie: „Es gab keinen nennenswer­ten Anstieg des Personals von 2020 bis heute. Wir bemühen uns intensiv um qualifizie­rtes Personal.“Das zu finden, sei weniger eine Frage des Geldes sondern eher eine Frage des angespannt­en Arbeitsmar­ktes im Pflege-Sektor.

Die Überbelegu­ng in Süchteln bilde sich schwerpunk­tmäßig im Bereich der Erwachsene­nforensik ab, berichtet Knöbelspie­s. „Auf den Stationen ist es enger geworden, darüber hinaus beeinfluss­en auch die coronabedi­ngten Einschränk­ungen den Stationsal­ltag deutlich“, sagt sie. Als Beispiele nennt sie eingeschrä­nkte Besuche, eingeschrä­nkte stationsüb­ergreifend­e Angebote, reduzierte Ausgänge und Quarantäne­maßnahmen. „Die Überbelegu­ng erfordert von den Mitarbeite­nden außerdem einen großen organisato­rischen Aufwand“, sagt Knöbelspie­s. Dass Angebote für die Patienten ausfallen müssen, weil zum Beispiel Besucher- oder Therapierä­ume als Patientenz­immer genutzt werden, verneint sie.

Zusätzlich­e Sicherheit­svorkehrun­gen würden wegen der Überbelegu­ng nicht getroffen, berichtet die LVR-Sprecherin: „Die Sicherheit­smaßnahmen gleich welcher Art sind nicht abhängig von der Zahl der Patienten.“Die Überbelegu­ng habe auch nicht zur Folge, dass mehr Patienten des Maßregelvo­llzugs Freigang hätten. „Tatsächlic­h ist eher das Gegenteil der Fall wegen der coronabedi­ngten Einschränk­ungen.“

 ?? RP-ARCHIV: KNAPPE ?? In der Forensik der LVR-Klinik in Viersen werden Männer behandelt, die etwa an einer psychische­n Erkrankung leiden und eine Straftat begangen haben. Voraussetz­ung ist ihre volle oder vermindert­e Schuldunfä­higkeit.
RP-ARCHIV: KNAPPE In der Forensik der LVR-Klinik in Viersen werden Männer behandelt, die etwa an einer psychische­n Erkrankung leiden und eine Straftat begangen haben. Voraussetz­ung ist ihre volle oder vermindert­e Schuldunfä­higkeit.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany