Antisemitismus-Vorwurf gegen das Schauspielhaus
Ron Iyamu hatte sich über Rassismus beklagt. Jetzt erklärt eine Ex-Mitarbeiterin, sie habe Mobbing und Beleidigungen erlebt.
DÜSSELDORF Das Theater der Landeshauptstadt kommt nicht zur Ruhe. Nachdem Ron Iyamu, Ensemblemitglied mit deutsch-nigerianischen Wurzeln, publik gemacht hatte, am Schauspielhaus Rassismus ausgesetzt gewesen zu sein, meldete sich jetzt auch eine frühere Mitarbeiterin des Künstler-Betriebsbüros. „Ich habe in meinen fünf Jahren am Düsseldorfer Schauspielhaus toleriertes Mobbing und Isolation vom derzeitigen Leitungsteam und meinen Kolleginnen und Kollegen erfahren. Antisemitische Äußerungen wurden von einzelnen Personen getätigt – und blieben auch in größerer Runde unwidersprochen“, schrieb sie auf Facebook.
Bis Ende Juli 2020 war die Betroffene als Chefdisponentin am Schauspielhaus tätig. Sie klagt darüber, dass die Verletzung des Arbeitszeitgesetzes und der Fürsorgepflicht „eher Regel denn Ausnahme“war. Und: „Mein letztes Jahr am Haus war das schlimmste Jahr meines Lebens.“Ihre Erklärung soll auf der jüngsten Betriebsversammlung des Schauspielhauses verlesen worden sein und wird auch im Ensemble intensiv diskutiert. Die frühere Mitarbeiterin ist nach eigener Auskunft seit Juli 2019 abwechselnd in ambulanter und stationärer, psychologischer wie physischer Behandlung. Die Nichtverlängerung ihres Vertrags, so schreibt sie, sei „während eines Krankenhausaufenthaltes ausgesprochen“worden. Doch sei sie „dankbar, dieses Jahr überlebt zu haben“. „Ich kann nicht am Theater vorbeigehen, ohne eine Panikattacke zu bekommen“, heißt es weiter. Es sei ihr auch schwergefallen, den Text auf ihrer Facebook-Seite
zu verfassen und über das Erlebte zu reden. Doch als Ron Iyamu seine Rassismusvorwürfe erhob, sei ihr klargeworden, dass auch sie sich äußern müsse.
„Mit großem Bestürzen“habe man den Facebook-Eintrag der früheren Mitarbeiterin gelesen, erklärten gestern Generalintendant Wilfried Schulz und die Kaufmännische Geschäftsführerin, Claudia Schmitz, auf Anfrage unserer Reaktion. Man habe darum Kontakt mit ihr aufgenommen und sie um ein Gespräch gebeten: „Ein persönliches Gespräch finden wir notwendig, denn die von ihr geschilderten Erfahrungen waren uns bislang nicht bekannt. Wir lehnen ab, dass jemand in der genannten Weise behandelt wird.“
Das Leitungsteam kündigte zudem an, die Erfahrungen und die Perspektive der Betroffenen „in den laufenden Prozess der Aufklärungsarbeit am Düsseldorfer Schauspielhaus einfließen zu lassen“.
Nach den Vorwürfen, die Ron Iyamu an das Schauspielhaus richtete, hatte Intendant Wilfried Schulz um Entschuldigung gebeten und erklärt: „Ich mache mir persönlich große Vorwürfe, dass ich ab dem Zeitpunkt meiner Kenntnisnahme nicht aktiv gehandelt habe.“Er versprach, allen Vorgängen minutiös nachzugehen und sich dafür auch Kompetenz von außerhalb des Hauses zu holen: „Wir werden aufklären, dokumentieren, transparent machen – noch in dieser Spielzeit. Dies wird die Voraussetzung für die weitere Arbeit an diesem Haus sein.“
Iyamu zieht es derzeit vor, mit dem Schauspielhaus ausschließlich über den öffentlichen Raum zu kommunizieren. Jede interne Kommunikation habe er abgebrochen, weil er die Öffentlichkeit auch weiterhin für seinen einzigen Schutzraum halte. Ihm sei nicht geholfen worden, und er habe sich im Stich gelassen gefühlt, so Ron Iyamu.