Schulleiter fordern klare Perspektive
Viel Frust, Kritik, Überraschung, aber auch Verständnis: So beurteilen Schulleiter im Kreis Viersen die Kehrtwende in der NRW-Schulpolitik. Immer mehr Schüler litten unter Problemen. Lehrer sind gefordert. Was für Montag geplant ist.
KREIS VIERSEN „Wir hatten alles vorbereitet und am Donnerstagabend mussten wir wieder komplett umplanen. Für mich ist das ein Mangel an Organisation“, sagt Thomas Martens, Leiter des St.-Wolfhelm-Gymnasiums in Schwalmtal-Waldniel. Die Rückkehr zum Distanzunterricht ab Montag, 12. April, habe ihn überrascht; Martens sei stattdessen von einer Fortsetzung des Wechselunterrichts wie vor den Osterferien ausgegangen. Was er sich wünscht: „Dass das Ministerium sich besser auf unterschiedliche Szenarien einstellt und dafür Pläne entwickelt. So, wie es auch Unternehmen tun“, fordert der Leiter des Gymnasiums mit rund 700 Schülern. Der ständige Wechsel sei eine Belastung für alle – für Lehrer, Schüler und Eltern – und ist nach seiner Ansicht kaum noch vermittelbar.
Am Donnerstag hatte NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) angekündigt, dass die Schüler wegen der aktuellen Infektionslage ab Montag vorerst für eine Woche wieder in den Distanzunterricht wechseln sollen. Ausnahme sind dabei die Abschlussjahrgänge, die sich auf ihre Prüfungen vorbereiten: Sie haben Präsenzunterricht. Ein weiterer Grund für die Rückkehr zum Distanzlernen: Noch haben nicht alle Schulen in NRW die Corona-Selbsttests erhalten.
Laut Thomas Martens gebe es zwar einige Schüler, die hervorragend mit dem Distanzlernen zurechtkommen. Andere, denen die Selbstdisziplin oder Unterstützung durch Eltern fehle, würden dagegen unter die Räder kommen. „Ich habe Angst, dass bei vielen die Lücken so groß werden, dass wir sie nicht mehr schließen können“, sagt der Leiter des Gymnasiums.
„Es gibt sehr viel Frust“, sagt auch Nina Lobmeyr, Lehrerin für Englisch und Musik am St.-Wolfhelm-Gymnasium. Dagegen könne nur eine längerfristige Planung helfen, die für Lehrer, Schüler und Eltern sehr wichtig sei. Als Lehrer könne man nur versuchen, Gelassenheit auszustrahlen und für die Schüler den Druck rauszunehmen. Dabei sei vieles unklar, etwa der Bestand für die geplanten Klassenarbeits-Termine.
Eine schwierige Situation für alle – auf diese einfache Formel bringt es Leo Gielkens, Leiter der Gesamtschule Nettetal. Von Donnerstag auf Montag alles zu organisieren, sei „sehr kurzfristig“. Die meisten Eltern hätten wohl damit gerechnet, dass es wie vor den Ferien mit Präsenzunterricht im Wechsel weitergehe. „Jetzt wird alles wieder auf links gedreht“, so Gielkens weiter. Als Schulleiter kann er nur für eine Woche planen, weil die Regelung nur so lange gelte. Was aber sei dann? Ein neues Konfliktfeld sei auch die Testverpflichtung, sagt Gielkens. Soll man Schüler, die sich nicht testen lassen, wieder nach Hause schicken? Für die Selbsttests wurden neue Testkits geliefert, was die Handhabung auch nicht gerade erleichtere. Schon jetzt lässt sich sagen, dass es sich um ein schwieriges Schuljahr handele. Die Schwierigkeiten nähmen zu, weil viele Inhalte nicht da seien. Lernrückstände bemerken nicht nur die Lehrer. Die Rückmeldung, es fehlten Stoff und Inhalte, kommen auch von Schülern und Eltern. Trotz allem hält Gielkens die Entscheidung zum Distanzunterricht für richtig. „Es wäre verantwortungslos, die Schule wieder für alle aufzumachen.“
Die Entscheidung des Ministeriums sei einerseits nachvollziehbar, „es ist eine Vorsichtsmaßnahme“, sagt Christian Mengen, Leiter des Clara-Schumann-Gymnasiums in Viersen. Doch der häufige System-Wechsel, Distanzlernen organisieren, Präsenzunterricht planen: Dabei gehe viel Lernzeit verloren und das zermürbe auch die Lehrer. „Ich kann doch nicht wöchentlich ein neues System aufstellen“, sagt er. „Ich stelle fest, dass die Kollegen kraftlos werden.“
Die Entscheidung des Ministeriums habe ihn nicht überrascht, sagt Martin Landman, Leiter der Anne-Frank-Gesamtschule in Viersen. Seine Schule werde das Unterrichtskonzept, das vor Ostern begonnen worden sei, weitgehend umsetzen können. „Wir bedauern es, dass ein großer Teil der Schülerschaft für eine weitere Woche keinen Präsenzunterricht haben wird. Für Schüler und Schülerinnen ist das Lernen in Gruppen zusammen mit anderen eigentlich unverzichtbar“, sagt er. „Wir haben die Hoffnung, dass die Regelungen für die Zeit ab dem 19. April von längerer Dauer sein werden und mit mehr Perspektive erfolgen werden.“