Samenfestes Saatgut für eine große Vielfalt
Frisches Gemüse aus eigenem Anbau, als Selbstversorge bewusster essen: Jenny Slupkowski betreibt mit ihren Mann den Gartengemüsekiosk.
MÖNCHENGLADBACH Wie bei so vielen Dingen, stehen sich die meisten Menschen erst einmal selbst im Weg, wenn sie den Wunsch verspüren, ihr Essen selbst anbauen zu wollen. Ihnen kann Jenny Slupkowski nur raten: „Einfach anfangen! Man muss sich überlegen, was man will und was man hat, den Rest kann man dann herausfinden.“
Ihre Videos und Blogbeiträge helfen dabei. Auf gartengemuesekiosk. de finden sich die Blogbeiträge, die Links zu den Videos bei Youtube und ein Onlineshop, in dem man samenfestes Saatgut, Pflanzzubehör und sogar eigene Kalender und ein Kochbuch bestellen kann. Auch bei Instagram folgen fast 29.000 Menschen ihrem Kanal. Jeden Samstag gibt es ein neues Video, das erste war eigentlich für die private Dokumentation des Gartens gedacht. „Mein Ziel ist es, anderen Inspiration und Motivation zu geben, ihr eigenes Essen anzubauen“, sagt sie. Sie versteht ihre Beiträge dabei nicht als strikte Anleitung – schließlich sei sie keine gelernte Gärtnerin, sondern will anderen zeigen, was alles möglich ist. Dabei sind ihr Nachhaltigkeit und Artenvielfalt sehr wichtig. Deshalb gibt es die Samen in ihrem
Shop auch in kleineren Portionsgrößen als sonst üblich. So können die Kunden mehr ausprobieren und viele verschiedene Sorten zusammen anpflanzen. „Tomaten vertragen sich zum Beispiel sehr gut mit Basilikum oder essbaren Blüten“, sagt Slupkowski.
Das Saatgut in ihrem Shop ist durchgehend samenfest. Das bedeutet, dass aus den Samen Pflanzen wachsen, die dieselben Eigenschaften wie ihre Elternpflanzen haben. Bei dem Saatgut, was es in den meisten Gartencentern oder Baumärkten gibt, sei das nicht so. „Das ist meistens sogenanntes F1-Hybrid-Saatgut. Das ist so gezüchtet, dass es einen maximalen Ertrag bringt, aber eben auch nicht sehr langlebig ist“, sagt Slupkowski. Das schade letztlich nicht nur der Sortenvielfalt, sondern auch vielen Bauern gerade in ärmeren Ländern, die von eben diesem Saatgut abhängig sind, weil sie es jedes Jahr aufs Neue kaufen müssen.
In ihrem Shop sowie in ihrem Garten gibt es deshalb samenfestes Saatgut. Sie verwendet auch keine Hornspäne oder Kunstdünger und setzt stattdessen auf Kleedünger. Ihr naturnaher Garten ist Heimat für unzählige Insekten. Außerdem hält sie dort auch Hühner. „Es geht darum, den kompletten Kreislauf zu sehen. Man kann einen Boden natürlich ausbeuten, aber wie ein überarbeiteter Mensch ist der dann nach einiger Zeit völlig leer und ausgelaugt“, sagt Slupkowski.
Seit zehn Jahren hat sie nun den „großen Garten am kleinen Haus“, wie sie sagt und pflanzt dort gemeinsam mit ihrem Mann so viel an, dass es für sie und ihre Familie fast immer reicht. „Natürlich müssen wir auch Sachen dazu kaufen, komplette Selbstversorgung ist fast unmöglich. Aber Gemüse kaufen wir so gut wie nie“, sagt sie. Was nicht direkt verzehrt wird, wird eingefroren, getrocknet oder fermentiert. Bis auf die Eier ihrer Hühner und ab und zu Honig von einem befreundeten Imker
ernährt sie sich mit ihrer Familie hauptsächlich pflanzlich. „Aber man muss da auch nicht zu dogmatisch sein“, sagt sie. Ausnahmen seien immer mal erlaubt. Um das ganze Jahr über frisches Gemüse zu haben, pflanzt Slupkowski – soweit möglich – so an, dass mehrfach geerntet werden kann. „Dann ist der erste Blumenkohl vielleicht noch kleiner als der zweite, aber wir haben immer frisches Gemüse“, sagt sie.
Selbst angebautes Gemüse ist nicht nur nachhaltiger als gekauftes, sondern auch gesünder, da ist Slupkowski sich sicher. Deshalb plant sie auch bald eine Untersuchung der Nährstoffe ihres Gemüses im Labor. Auf jeden Fall könne man sich so aber sicher sein, zu wissen, was man isst. „Selbst Bio-Gemüse aus dem Supermarkt bietet das nicht immer. Außerdem muss eine Bio-Paprika im Winter auch erst mal hierhergebracht werden“, sagt sie. „Außerdem hat man selbst Angebautes eben auch beim Wachsen begleitet, das ist schon ein anderes Gefühl“, sagt sie.
Auch für Kinder, oft nicht die größten Gemüse-Fans, sei das Gärtnern eine schöne Sache. Sie können sehen und miterleben, wie Dinge wachsen und gedeihen. Und oft schmeckt ihnen das selbst angebaute Gemüse auch besser. „Die Bitterstoffe, zum Beispiel in Rosenkohl, kommen oft auch vom Kunstdünger. Verzichtet man auf den, mögen sogar Kinder Rosenkohl. Meine Tochter liebt ihn“, sagt Slupkowski.
Wer anfangen will, der solle sich erst mal überlegen, was er möchte, sagt sie: „Wer keine Zucchini mag, sollte eben auch keine anbauen.“Schon ein kleiner Balkon kann ein paar Kübeln Platz bieten, man könne dort zum Beispiel auch in die Höhe bauen. Außerdem sollte man natürlich auf die Lichtverhältnisse achten, eine sonnenliebende Tomate wird sich auf einem Balkon in Richtung Norden wahrscheinlich eher weniger wohl fühlen. Hat man diese grundsätzlichen Fragen aber geklärt, dann geht es ans Loslegen. Salate, Erbsen, Bohnen, Gurken – die Liste der für Anfänger geeigneten Sorten ist lang. Dank Micro Greens, Sprossen und Keimlingen, die auch auf der Fensterbank gelingen, könne eigentlich jeder etwas heranziehen. „Und dann gilt unser Motto: Jeder Pflanzkübel zählt!“, sagt Slupkowski. Und wer keinen Balkon oder Garten hat, den er bepflanzen kann, dem rät sie zu Schrebergärten, die man sich gemeinsam mit Freunden mieten kann, um das Anbauen auszutesten oder die Beteiligung in einer solidarischen Landwirtschaft. Auch Urban Gardening Projekte könnten interessant sein, sagt sie: „Hauptsache anfangen“.