Auftritt Laschet
Während sich der Machtkampf in der Union zuspitzt und die Kluft zwischen den Schwesterparteien größer wird, zitiert die NRW-Opposition ihren Regierungschef herbei – und lässt Druck ab.
DÜSSELDORF Um 13.01 Uhr kommt Armin Laschet in den Plenarsaal des Düsseldorfer Landtags, er geht zielstrebig auf seinen Platz in der Regierungsbank zu. Der wird versperrt von seinem Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), der tief im Gespräch mit Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) ist. Laschet tippt Laumann an und begrüßt ihn mit infektionschutzkonformem Faustschlag. Dann sitzt er am Platz.
Es sind die wohl angespanntesten Stunden in Laschets beruflicher Karriere. Der Machtkampf mit seinem Mitbewerber um die Kanzlerkandidatur der Union, Markus Söder (CSU), steuert auf eine Entscheidung zu. Am Morgen hatte sich mit Rainer Haseloff ein CDU-Ministerpräsident aus der Deckung gewagt und eine Entscheidung nach Popularitätswerten gefordert – ein Affront für den CDU-Bundesvorsitzenden.
In dieser Gemengelage hat die Opposition den Ministerpräsidenten in den Landtag zu einer Sondersitzung zitiert. Laschet darf natürlich nicht den Eindruck erwecken, als sei ihm die Parteipolitik wichtiger als die Pandemiebekämpfung. Also muss er Rede und Antwort stehen, statt hinter den Kulissen seine Truppen zu mobilisieren.
Der Druck ist dabei groß. Laschet selbst hatte mit alarmierenden Tönen einen Brücken-Lockdown verlangt, war jedoch am Widerstand seiner Länderkollegen gescheitert. Die Kanzlerin brachte stattdessen bundesweite Regelungen über eine Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes auf den Weg. Doch das kostet Zeit. Und genau da will die Opposition ansetzen. Was geschieht, bis das Bundesgesetz in Kraft tritt? Noch bevor Laschet sich an Laumann vorbei auf seinen Platz gedrängt hat, hat der Gesundheitsminister darauf die Antwort geschaffen: Die Corona-Schutzverordnung hat Laumann einfach bis zum 26. April verlängert. Sie musste ohnehin angepasst werden, um die Rechtsgrundlage für die Modellkommunen zu schaffen, die ursprünglich ab Montag starten sollten, aufgrund der angespannten
Lage aber wohl erst einmal verschoben werden müssen.
Den ersten Punkt setzt an diesem Morgen also Team Laschet. Für den Ministerpräsidenten bleibt die Sitzung aber ein Balance-Akt – zwischen der eigenen Brücken-Lockdown-Forderung, katastrophalen Zahlen und auf der anderen Seite den geplanten Öffnungen in den Modellkommunen sowie der am Tag zuvor bekannt gegeben Rückkehr zum Wechselunterricht an den Schulen.
Laschet warnt, dass die pandemische Lage erneut ernst sei: „Besonders die Lage auf den Intensivstationen spitzt sich von Tag zu Tag zu.“Auch immer mehr jüngere Menschen müssten dort behandelt werden. „Wir kommen der Kapazitätsgrenze gefährlich nah.“Man sei wieder nah an dem Punkt, ab dem geplante Operationen verschoben werden müssten.
Laschet stellt in seiner Rede Nordrhein-Westfalens Politik als die viel schärfere ins Schaufenster. Das geplante Bundesgesetz? Entspricht in weiten Teilen dem, was in NRW bereits so umgesetzt werde. Die Schulregelungen? Im Bundesgesetz viel lascher formuliert als in NRW praktiziert. Die Modellkommunen? Würden ja eh erst umgesetzt, wenn die Zahlen besser seien. Außerdem verweist er auf die Erfolge beim Impfen und darauf, dass nahezu jede zweite Teststation in NRW eröffnet habe. Die Opposition versucht dennoch Laschet in Sachen Söder zu reizen. Der habe doch mit seinem baden-württembergischen Kollegen Kretschmann lange vor Laschet Verschärfungen vorgeschlagen, worauf sich Laschet Einmischungen verbeten habe – nur um dann selbst den Brücken-Lockdown ins Spiel zu bringen, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty. Nach dem Motto: Der Söder dürfe nicht Recht haben. „Das ist Ihr einziges Ziel. Dabei ist Ihr Vorschlag von Ostermontag nur ein komplettes Plagiat.“
Noch schärfer wird Grünen-Fraktionschefin Josefine Paul: „Ihr ,Fahren auf Sicht’, Herr Laschet, ist gescheitert.“Er dürfe sich nicht weiter hinter dem Infektionsschutzgesetz verstecken. „Passen Sie jetzt die Landesverordnung an, ziehen Sie landesweit die Notbremse und beenden Sie das Freitesten“, forderte sie. Es sei absurd, wenn man den Leuten sage, sie sollten aus dem Homeoffice in die volle Fußgängerzone kommen, um sich dort testen zu lassen. Als die Grünenpolitikerin ihn auffordert, „die Bewältigung der Corona-Krisen endlich in den Fokus zu nehmen und die Beendigung der Krise in der Union hintanzustellen“, ist Laschet längst wieder verschwunden – die Truppen hinter sich scharen.