„Optimismus kann in Prag gefährlich sein“
Zwei neue Bücher zeigen historische Facetten der tschechischen Hauptstadt – auch das Trauma von Krieg und Vernichtung.
PRAG (dpa) Hakenkreuze auf den Inventarzeichen der Möbel und jüdische Schriften in der Bibliothek – als Norman Eisen erstmals seine Residenz im Prager Villenviertel Bubenec erkundete, stolperte er über zahlreiche Zeugnisse ihrer langen, ereignisreichen und wechselvollen Geschichte. Eisen, der für dreieinhalb Jahre als US-Botschafter in der tschechischen Hauptstadt lebte, war so fasziniert von den historischen Facetten und kleinen Geheimnissen der Villa, dass er beschloss, sich intensiver mit dem Gebäude auseinanderzusetzen.
Das Ergebnis seiner Recherche: „Der letzte Palast von Prag“. Im Buch, das auf Deutsch im Propyläen-Verlag erschienen ist (592 Seiten, 26 Euro), nimmt der amerikanische Rechtsanwalt den Leser mit auf eine spannende Reise durch die Zeit.
Die Geburtsstunde der Villa markiert dabei den Traum des jüdischen Bankiers Otto Petschek, sich ein Zuhause nach seinen Vorstellungen zu schaffen. Nicht zufällig erinnert die Front des kunstinteressierten Bauherren den Betrachter an Versailles. Neben der Erscheinung des französischen Prachtschlosses versammelt die Villa zahlreiche weitere europäische Einflüsse: „Jedes Land und jede Kunst und jedes Handwerk waren repräsentiert; die Arbeiten der flämischen Gobelin-Weber und der französischen Teppichhersteller; holländische Ölmalerei und englische Buchkünstler; deutsche Porzellanfabrikanten und böhmische Glasbläser“, schreibt Eisen.
Das wohl dunkelste Kapitel der Prager Geschichte hat Petschek nicht mehr miterlebt. Er starb im Juni 1934. Während des Zweiten Weltkriegs besetzte die Wehrmacht seinen Palast. Neuer Villenbewohner
wird General Rudolf Toussaint. Eisen sieht ihn als jemanden, der auf Distanz zu den Nazis gestanden habe. Die Judikative der Tschechoslowakei sah das nach Kriegsende anders: Sie verurteilte den General zu einer lebenslangen Haftstrafe. Der Palast überstand die Kämpfe um Prag ohne größere Schäden.
Eisen erzählt nicht nur die Geschichte der Villa und ihrer Bewohner, sondern thematisiert auch die seiner jüdischen Familie. Seine Mutter Frieda wuchs im Osten der Tschechoslowakei in ärmlichen Verhältnissen auf, ein Kontrast zum Leben der Petscheks. Sie überlebte das deutsche KZ Auschwitz und emigrierte später über Israel in die USA. Eisen wollte, dass sie während seines Aufenthaltes zu ihm nach Prag zieht, doch sie reagiert skeptisch: „Optimismus kann in Prag sehr gefährlich sein“, sagt sie mit Blick auf ihre eigenen Erfahrungen.
Auf andere Art nähert sich der Journalist Peter Lange der „Goldenen Stadt“. In einem neuen Buch berichtet er über die Verbindung der deutschen Literaten-Familie Mann zu Prag. „Prag empfing uns als Verwandte“heißt der Band, der im Prager Vitalis-Verlag erschienen ist (384 Seiten, 29,90 Euro). Es geht um ein wenig bekanntes Kapitel der Geschichte der Manns, das zwischen der Vertreibung aus München und der Emigration in die USA spielt. In dieser Zeit wurden sie tschechoslowakische Staatsbürger.
Lange rekonstruiert die Gründe, warum zuerst Heinrich und später auch sein Bruder Thomas Mann den Eid auf den noch jungen Staat ablegten. Vermutlich einer der wichtigsten: In einer Zeit, als die Nationalsozialisten in Deutschland ihre Bücher verbrannten, half die Tschechoslowakei den Schriftstellern unbürokratisch mit einem Pass weiter.