Schüler boykottiert Unterricht
Cedrik Thevißen geht nicht mehr ins Berufskolleg. Er will weiter lernen, aber nicht im Präsenzunterricht. Ihm ist die Infektionsgefahr zu groß.
VIERSEN/MÖNCHENGLADBACH Cedrik Thevißen aus Mönchengladbach besucht das Berufskolleg in Viersen. An der Fachoberschule für Gesundheit und Soziales will der 21-Jährige im kommenden Jahr eigentlich sein Fachabitur ablegen. Doch ob ihm das gelingt, oder besser gesagt, ob ihm das überhaupt ermöglicht wird, weiß er derzeit noch nicht. Denn Cedrik Thevißen boykottiert ab sofort den Präsenzunterricht an der Fachoberschule. Der Grund: die hohe Infektionsgefahr in Schulen.
„Laut einer aktuellen Studie der Technischen Universität Berlin gelten gerade Oberschulen selbst mit 50 Prozent Belegung und Maskenpflicht in den Klassenräumen neben Fitnessstudios und Mehrpersonenbüros zu den Orten, wo das Covid-19-Ansteckungsrisiko über Aerosolpartikel vergleichsweise am höchsten ist“, sagt er.
Cedric Thevißen sieht im Schulbetrieb angesichts der aktuellen Infektionszahlen und den umgreifenden Mutationen ein unnötiges Risiko. Er bat daher seine Schulleitung um eine alternative Distanzbeschulung: „Ich schrieb eine Mail, in der ich mein Anliegen äußerte und begründete. Es folgte ein Anruf eines Lehrers, nicht der Schulleitung selbst, der mir erklärte, dass ich nur aufgrund von attestierten gesundheitlichen Gründen von der Präsenzpflicht befreit werden könne und sonst keine Ausnahmen gemacht würden. Auf meine Frage, ob dies eine Entscheidung der Schule oder eine feste Regelung des Landes sei, durch die meine Schule keinen Handlungsspielraum hat, konnte mir nicht geantwortet werden“, berichtet der 21-Jährige.
Ihm sei bewusst, dass er mit seiner Entscheidung zum Unterrichtsboykott sein Fachabitur im kommenden Jahr aufs Spiel setze, sagt Cedrik Thevißen. Er wolle alles tun, damit er beim Lernstoff nicht hinterherhinkt – nur eben nicht in den Präsenzunterricht gehen, solange die Infektionszahlen noch so hoch sind. „Wenn ich nicht durchgehend am Distanzunterricht teilnehmen darf, dann werde ich alle meine Lehrer anschreiben und sie bitten, mir das Lernmaterial zukommen zu lassen. Außerdem werde ich meine Mitschüler fragen, was im Unterricht gelaufen ist“, erklärt Cedrik Thevißen. Der Aufwand sei groß, aber das sei es ihm wert und er ergänzt darüber hinaus. „Ich weiß nur nicht was jetzt passiert: Bekomme ich das Lehrmaterial? Benoten mich die Lehrkräfte? Werde ich am Ende des Schuljahrs versetzt?“
Cedrik Thevißen nimmt all dies in Kauf. Denn dem 21-Jährigen, der sich auch in der „Fridays for Future“-Bewegung aktiv engagiert, geht es ums Prinzip. „Seit einem Jahr leben wir in dieser Pandemie. Ein Jahr lang hatten die Landesregierungen und Ministerien Zeit, sich zwischen
mehreren Shutdowns ausreichende Schutzkonzepte für Schulen auszudenken. Und nun stehen wir hier, die Schulen sind offen und die Maßnahmen sind mit Stoßlüften und Co. immer noch die gleichen“, kritisiert er. Es seien nur die Selbsttests dazugekommen, die zwar ein nötiges Hilfsmittel seien, jedoch keine allumfassende Sicherheit und Garantie böten.
Dass Schulschließungen auch psychosoziale Folgen haben können, dessen ist sich Cedrik Thevißen bewusst, wie er betont. „Viele leiden darunter. Und ich freue mich für betroffene Schülerinnen und Schüler, wenn sie wieder zur Schule gehen dürfen. Dies sollte aber ein freiwilliges Angebot sein“, sagt er. Die, die zu Hause selbstständig lernen können und sich nicht dem Infektionsrisiko aussetzen wollen, sollte dies auch ermöglicht werden, findet er. „Ich will in der jetzigen Situation das Vermeidbare vermeiden“, sagt Cedrik Thevißen. Jeder trage Verantwortung, dass sich das Virus nicht weiter verbreitet.
Bei der Unteren Schulaufsicht im Kreis Viersen ist der Fall bekannt. Da es es sich aber „um eine innere Schulangelegenheit in der Verantwortung der Landesregierung“handele, wolle man sich dazu nicht äußern, wie eine Sprecherin mitteilte.