Rheinische Post Viersen

Schüler boykottier­t Unterricht

Cedrik Thevißen geht nicht mehr ins Berufskoll­eg. Er will weiter lernen, aber nicht im Präsenzunt­erricht. Ihm ist die Infektions­gefahr zu groß.

- VON NADINE FISCHER UND GABI PETERS

VIERSEN/MÖNCHENGLA­DBACH Cedrik Thevißen aus Mönchengla­dbach besucht das Berufskoll­eg in Viersen. An der Fachobersc­hule für Gesundheit und Soziales will der 21-Jährige im kommenden Jahr eigentlich sein Fachabitur ablegen. Doch ob ihm das gelingt, oder besser gesagt, ob ihm das überhaupt ermöglicht wird, weiß er derzeit noch nicht. Denn Cedrik Thevißen boykottier­t ab sofort den Präsenzunt­erricht an der Fachobersc­hule. Der Grund: die hohe Infektions­gefahr in Schulen.

„Laut einer aktuellen Studie der Technische­n Universitä­t Berlin gelten gerade Oberschule­n selbst mit 50 Prozent Belegung und Maskenpfli­cht in den Klassenräu­men neben Fitnessstu­dios und Mehrperson­enbüros zu den Orten, wo das Covid-19-Ansteckung­srisiko über Aerosolpar­tikel vergleichs­weise am höchsten ist“, sagt er.

Cedric Thevißen sieht im Schulbetri­eb angesichts der aktuellen Infektions­zahlen und den umgreifend­en Mutationen ein unnötiges Risiko. Er bat daher seine Schulleitu­ng um eine alternativ­e Distanzbes­chulung: „Ich schrieb eine Mail, in der ich mein Anliegen äußerte und begründete. Es folgte ein Anruf eines Lehrers, nicht der Schulleitu­ng selbst, der mir erklärte, dass ich nur aufgrund von attestiert­en gesundheit­lichen Gründen von der Präsenzpfl­icht befreit werden könne und sonst keine Ausnahmen gemacht würden. Auf meine Frage, ob dies eine Entscheidu­ng der Schule oder eine feste Regelung des Landes sei, durch die meine Schule keinen Handlungss­pielraum hat, konnte mir nicht geantworte­t werden“, berichtet der 21-Jährige.

Ihm sei bewusst, dass er mit seiner Entscheidu­ng zum Unterricht­sboykott sein Fachabitur im kommenden Jahr aufs Spiel setze, sagt Cedrik Thevißen. Er wolle alles tun, damit er beim Lernstoff nicht hinterherh­inkt – nur eben nicht in den Präsenzunt­erricht gehen, solange die Infektions­zahlen noch so hoch sind. „Wenn ich nicht durchgehen­d am Distanzunt­erricht teilnehmen darf, dann werde ich alle meine Lehrer anschreibe­n und sie bitten, mir das Lernmateri­al zukommen zu lassen. Außerdem werde ich meine Mitschüler fragen, was im Unterricht gelaufen ist“, erklärt Cedrik Thevißen. Der Aufwand sei groß, aber das sei es ihm wert und er ergänzt darüber hinaus. „Ich weiß nur nicht was jetzt passiert: Bekomme ich das Lehrmateri­al? Benoten mich die Lehrkräfte? Werde ich am Ende des Schuljahrs versetzt?“

Cedrik Thevißen nimmt all dies in Kauf. Denn dem 21-Jährigen, der sich auch in der „Fridays for Future“-Bewegung aktiv engagiert, geht es ums Prinzip. „Seit einem Jahr leben wir in dieser Pandemie. Ein Jahr lang hatten die Landesregi­erungen und Ministerie­n Zeit, sich zwischen

mehreren Shutdowns ausreichen­de Schutzkonz­epte für Schulen auszudenke­n. Und nun stehen wir hier, die Schulen sind offen und die Maßnahmen sind mit Stoßlüften und Co. immer noch die gleichen“, kritisiert er. Es seien nur die Selbsttest­s dazugekomm­en, die zwar ein nötiges Hilfsmitte­l seien, jedoch keine allumfasse­nde Sicherheit und Garantie böten.

Dass Schulschli­eßungen auch psychosozi­ale Folgen haben können, dessen ist sich Cedrik Thevißen bewusst, wie er betont. „Viele leiden darunter. Und ich freue mich für betroffene Schülerinn­en und Schüler, wenn sie wieder zur Schule gehen dürfen. Dies sollte aber ein freiwillig­es Angebot sein“, sagt er. Die, die zu Hause selbststän­dig lernen können und sich nicht dem Infektions­risiko aussetzen wollen, sollte dies auch ermöglicht werden, findet er. „Ich will in der jetzigen Situation das Vermeidbar­e vermeiden“, sagt Cedrik Thevißen. Jeder trage Verantwort­ung, dass sich das Virus nicht weiter verbreitet.

Bei der Unteren Schulaufsi­cht im Kreis Viersen ist der Fall bekannt. Da es es sich aber „um eine innere Schulangel­egenheit in der Verantwort­ung der Landesregi­erung“handele, wolle man sich dazu nicht äußern, wie eine Sprecherin mitteilte.

 ?? FOTO: JÖRG KNAPPE ?? Das Berufskoll­eg am Standort Dülken: Cedrik Thevißen will hier sein Fachabitur im kommenden Jahr machen.
FOTO: JÖRG KNAPPE Das Berufskoll­eg am Standort Dülken: Cedrik Thevißen will hier sein Fachabitur im kommenden Jahr machen.
 ?? FOTO: C. THEVISSEN ?? Cedrik Thevißen will lernen, aber nur mit Distanz.
FOTO: C. THEVISSEN Cedrik Thevißen will lernen, aber nur mit Distanz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany