Corona verändert den Ausbildungsmarkt
Die Pandemie wirkt sich auf die Zahl der Bewerber und Ausbilder aus. Die Lage ist kritisch, doch es gibt auch Positives.
KREIS VIERSEN Die Corona-Pandemie stellt Jugendliche und junge Erwachsene, die den ersten Schritt in die Berufswelt machen möchten, vor besondere Herausforderungen. Das empfindet auch Simon Puttin so, der eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär, Heizung und Klima in der Firma von Frank Drommler in Viersen macht. „Ich habe meine Ausbildung am 1. Februar 2021 begonnen. Mir gefällt die Ausbildung sehr gut, aber der schulische Teil ist aufgrund von Corona schwer zu verstehen und man lernt auch weniger“, sagt der Auszubildende, der sich aktuell im Homeschooling befindet. Seine Ausbildungsstelle hat Puttin über die Agentur für Arbeit in Mönchengladbach gefunden. Genau der richtige Weg, findet Gaby Wienges-Haupt, Teamleiterin der Berufsberatung im Kreis Viersen. „Der Ausbildungsmarkt steht weiterhin unter enormen Druck. Die Bewerberanzahl und Stellenangebote verringern sich. Junge Leute brauchen Hilfsstellen und Angebote“, sagt sie.
Die Statistik stimmt der Teamleiterin zu: Zum 31. März wurden im Kreis Viersen 121 Ausbildungsverträge geschlossen, im März 2020 waren es 151. Das ist ein Minus von 19,9 Prozent. Die Teamleiterin stellt auch fest, dass die Unternehmen teilweise weniger Stellen, aufgrund der Pandemie, ausschreiben. „Sehr stark von Einschränkungen betroffen ist natürlich die Gastronomie, Hotel- und Veranstaltungsbranche“, sagt Wienges-Haupt. „Wir möchten die Unternehmen ermutigen, trotzdem neue Ausbildungsplätze anzubieten. Um so die Fachkräfte von morgen und eine ausgebildete Jugend zu schaffen.“
Für die Unternehmen gibt es auch unterschiedliche Fördermöglichkeiten. „Es ist nicht nur für die Jugendlichen wichtig, Kontakt zu uns aufzunehmen, sondern auch für die Unternehmen“, sagt Wienges-Haupt. Frank Drommler, in dessen Unternehmen Simon Puttin ausgebildet wird, findet: „Das höchste Kapital, das ein Unternehmer haben kann, ist gutes Personal. Hier lohnt sich auch die Investition in eine dreieinhalbjährige Ausbildung.“
Die Statistik zeigt auch, dass die Ausbildungszahlen im Handwerk im Kreis Viersen deutlich steigen. 2019 haben 352 junge Menschen eine Ausbildung im Handwerk begonnen, 2020 waren es 461– eine Zunahme um fast ein Drittel. „Das zeigt, wie attraktiv das Handwerk mit seinen mehr als 130 Ausbildungsberufen für Jugendliche ist“, sagt Georg Maria Balsen, Sprecher der Kreishandwerkerschaft Niederrhein. Die höchste Steigerung verzeichnen die Anlagenmechaniker (plus 24) und die Bauberufe (plus 14). Die beliebtesten Handwerksberufe
mit den meisten Neueinsteigern sind die Elektroniker (62), vor den Kfz-Mechatronikern (58) und den Anlagenmechanikern (55).
Die Pandemie wirkt auch negativ auf die Berufsorientierung der Schüler ein. „Den Schülern fehlt die Möglichkeit, in die Firmen reinzukommen. Leider wurden die Berufsfelderkundungen gerade vom Ministerium abgesagt. Damit fehlt den Acht- und Neuntklässlern ein wichtiger Baustein der Berufsorientierung“, erklärt Daniela Perner, Geschäftsführerin im Bereich Innovation, Bildung, Fachkräfte der Industrieund Handelskammer Mittlerer
Niederrhein (IHK). Doch es ist die Tendenz zu erkennen, dass sich die Unternehmen mit der Krisensituation arrangieren und Wege finden, ihre Azubis weiterhin sinnvoll einzusetzen. „Die Befürchtung, dass viele Prüflinge aufgrund mangelhafter Prüfungsvorbereitung nicht bestehen, hat sich nicht bestätigt. Auch mit dem Berufseinstieg und der Übernahme der fertigen Auszubildenden hat es erstaunlich gut geklappt“, erklärt Perner.
Die IHK stellt fest, dass immer mehr Schüler den sicheren Weg wählen und vorziehen, weiterhin in der Schule zu bleiben. „Wir haben trotzdem ein gutes Gefühl, dass der Ausbildungsmarkt nicht komplett einbricht“, sagt Perner. „Trotzdem ist die Lage weiterhin kritisch, von den nächsten Monaten hängt ab, ob wir unser Ziel von 4000 Ausbildungsverträgen in der Region erreichen. Die Stellen sind zumindest vorhanden.“