Pflege-Azubi aus Überzeugung
Die Corona-Pandemie rückt die Pflege in den Fokus. Wie sich das auf die Ausbildung in der Branche auswirkt.
VIERSEN Schon vor dem Start seiner Ausbildung hat sich Florian Wintel festgelegt, wo er später arbeiten möchte: „Ich will ins Krankenhaus“, sagt der 19-Jährige. Er schließt aber nicht aus, dass er vielleicht irgendwann später doch in der Altenpflege arbeitet, sich um Kinder kümmert, in der Psychiatrie Patienten betreut. „Das ist ja das Schöne an meiner Ausbildung: Man kann danach in viele Bereiche gehen, es gibt unfassbar viele Weiterbildungsmöglichkeiten“, sagt der Süchtelner.
Wintel ist einer von 28 Männern und Frauen, die im April am Bildungszentrum des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) für Gesundheit und Pflege Viersen und Mönchengladbach ihre dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft begonnen haben. Trotz Berichten über Pflegekräfte, die in der Corona-Pandemie an ihre Grenzen stoßen, einfach nicht mehr können, irgendwie durchhalten, weil sie so dringend gebraucht werden. „Das schreckt mich nicht ab“, sagt Wintel und ergänzt: „Ich mache den Job aus Überzeugung.“
Während in diesem Frühjahr wie bereits im Frühjahr 2019 am LVR-Bildungszentrum 28 Azubis starteten, der Kurs voll belegt war, waren es im Frühjahr 2020 nur 23. „Durch die beinahe komplette Lahmlegung des öffentlichen Lebens in der und durch die Pandemie gab es im Frühjahr einen Bewerbungsrückgang. Dieses kann möglicherweise auch auf die großen Verunsicherungen der gesamten Bevölkerung zurückzuführen sein“, sagt Schulleiterin Beate Niehaus. „Jedoch kam nach der ersten Verunsicherung im Frühjahr auch eine positive Entwicklung ins Rollen“, ergänzt sie. „Es gab einen Bewerbungsanstieg, da viele
Menschen in den unsicheren Zeiten einen sicheren Ausbildungsplatz mit Zukunftsperspektiven suchten.“Zum Kursstart im Herbst 2020 hatte das Bildungszentrum so wieder 28 Azubis.
An der Akademie für Gesundheitsund Pflegeberufe (AGP) Viersen werden ebenfalls angehende Pflegefachkräfte ausgebildet. Seit dem 1. Dezember ist die AGP Ausbildungsstätte in Trägerschaft von Caritasverband Kempen – Viersen, Allgemeinem Krankenhaus Viersen und dem Krankenhaus St. Irmgardis in Süchteln. „Die Schüler und Schülerinnen der AGP kommen aus mehr als 30 Einrichtungen im Gesundheitswesen. Dazu zählen Altenheime, ambulante Pflegedienste, ambulante Wohngemeinschaften und Krankenhäuser der Region“, erläutert Leiterin Ilona Thelen. „Bei diesen Einrichtungen bewerben sich die jungen Menschen für die praktische Ausbildung. Die AGP ist für die theoretische Ausbildung zuständig.“
Seit Gründung verzeichne die AGP „überdurchschnittlich hohe Anmeldezahlen“, sagt Thelen. Jeweils zum 1. März und 1. September starteten 100 Azubis, vor allem aus Krankenhäusern. „Sicher resultiert der Anstieg an Bewerbungen in den Krankenhäusern auch von der intensiven öffentlichen Berichterstattung während der Pandemie“, sagt Thelen. „Durch die Pandemie wird der Pflegeberuf deutlicher wahrgenommen und erfährt mehr Anerkennung durch die Öffentlichkeit.“
Florian Wintel hat den Pflegeberuf schon lange vor der Pandemie wahrgenommen. „Ich habe jedes Schulpraktikum im Krankenhaus gemacht“, erzählt der 19-Jährige. Nach seinem Abschluss an der Gemeinschaftshauptschule Süchteln habe er am Berufskolleg Viersen seinen Realschulabschluss gemacht, ein Freiwilliges Soziales Jahr beim LVR angehängt, im Rettungsdienst gearbeitet. Jetzt verbringt er viel Zeit zu Hause – im Distanzunterricht. Sich direkt mit den Mitschülern und Ausbildern austauschen: „Das fehlt“, sagt Wintel. So müssen jetzt Wintels Geschwister statt wie eigentlich üblich die Mitschüler herhalten, wenn er zum Beispiel üben möchte, einem Patienten die Nahrung anzureichen, erzählt der Süchtelner.
Seine Schulleiterin Niehaus erläutert: „Corona brachte uns Anfang 2020 Jahres in ein radikales Umdenken. Alle didaktischen, methodischen und sozialen Interaktionsprozesse mit den Auszubildenden wurden von heute auf morgen auf online umgestellt.“Es sei eine kritische Phase gewesen, aber auch konstruktiv. „Das Nutzen und Verwenden
von Techniken, online-gestützten Methoden und neuen didaktischen Möglichkeiten ermöglichten uns auch ein Umdenken. Mittlerweile gehört dies zu unserem Alltag.“
Auch an der AGP werden die Schüler vor allem im Distanzunterricht ausgebildet, praktischer Unterricht darf nur bedingt angeboten werden. „Die Schüler haben einen Beruf gewählt, in dem der Kontakt zu Menschen im Vordergrund steht. Das Lernen in der Distanz stellt für sie eine besondere Herausforderung dar“, sagt Leiterin Thelen. „Der direkte Austausch mit Mitschülern und Lehrern fehlt vielen Schülern, für andere war das selbstorganisierte Lernen positiv.“
Die große Aufgabe der AGP bestehe darin, „den unterschiedlichen Lerntypen gerecht zu werden, was beim reinen Distanzunterricht nicht immer einfach umzusetzen ist“. Deshalb käme verschiedenen Unterrichtsmethoden, Orientierungsgesprächen und individuellen Lernberatungen eine große Bedeutung zu. Sie betont: „Auch muss deutlich gesagt werden, dass in Zeiten der Pandemie der Bedarf an psychologischer Unterstützung bei den Auszubildenden deutlich angestiegen ist.“