Kurze Zündschnur
Über die Kritik der Kritik vieler Schauspieler an den Corona-Maßnahmen.
MÖNCHENGLADBACH In diesen Tagen habe ich oft die Redewendung gehört „Der – oder die – hat eine kurze Zündschnur!“. Und in der Tat – bei vielen scheinen die Nerven blank zu liegen und es braucht nicht viel, dann geht’s rund. So ist es auch ein paar Künstlerinnen und Künstlern gegangen, die ihren Frust über bestimmte Maßnahmen zur Coronabekämpfung in einem – zugegeben etwas diffusen Beitrag – veröffentlicht haben. Ironie sollte es sein. Vielleicht Karikatur.
Leider war es nichts von beidem – jedenfalls nicht so, dass man es als das eine oder das andere hätte verstehen können. Irgendwie waren die Beiträge einfach schlecht. Schade. Denn mit ironischem Blick auf die Realität sehen, etwas überzeichnen und auf die Schippe nehmen – das ist in den allermeisten Fällen sehr erfrischend. Wenn man erst überall erklären muss, wie es gemeint war – oder besser, wie es nicht gemeint war, dann ist es danebengegangen.
Was dann aber über die Künstlerinnen und Künstler hereingebrochen ist, ist der Sache wiederum überhaupt nicht angemessen. Denn wir leben in einem freien Land, in dem es Gesetz ist, dass man öffentlich sagen darf, was man denkt. Und wenn das dann Blödsinn ist, dann soll man es trotzdem sagen dürfen.
Man muss nicht damit rechnen, Drohbriefe zu bekommen, und man muss auch nicht davon ausgehen, dass andere beim Chef anrufen und verlangen, dass man auf die Straße gesetzt wird.
So ist es aber den Künstlerinnen und Künstlern ergangen. Da haben sich ganze Berufsgruppen angegriffen gefühlt, die gar nicht genannt waren, da gab es böse Worte in den Medien und bewusste Fehlinterpretationen. Kurze Zündschnur eben. Besonders schlimm finde ich, dass sogleich die „Rechte Ecke-Keule“herausgeholt wurde. Komischerweise darf man ja offensichtlich in den Augen vieler Menschen manche Dinge nicht kritisch betrachten, wenn die AfD sie sich zu eigen gemacht hat. Genau das ist aber das Problem. Das zerstörerische Potenzial von „wer nicht für mich ist, ist gegen mich“und die damit verbundene Diskriminierung von Kritik ist brandgefährlich. Die AfD macht sich das zunutze und blockiert damit den kritischen Diskurs in unserem Land nicht nur an dieser Stelle. Sie muss das noch nicht einmal selbst tun, sondern die mit der kurzen Zündschnur erledigen das für sie. Ministerpräsident Armin Laschet hat in einer sehr wohltuenden Reaktion die Sache auf den Punkt gebracht: „Man darf das sagen in einem freien Land. Man muss es nicht teilen. Man kann sagen, es ist geschmacklos, das mache ich nicht. Aber man kann das sagen.“In diesem Sinne: Lasst uns mal wieder ein bisschen entspannter werden und auf die gucken, die es wirklich nicht gut mit unserem Land meinen.
Martina Wasserloos-Strunk ist Leiterin der Philippus Akademie im Evangelischen Kirchenkreis Gladbach-Neuss.