Rheinische Post Viersen

Mehr als ein schöner Zufall

Apple poliert sein Image beim Datenschut­z auf – und verdient auch noch daran.

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Mit großer Spannung habe ich mir letzte Woche endlich das in den Medien groß angekündig­te, revolution­äre iPhone-Softwareup­date herunterge­laden. Neben den neuen genderkonf­ormen Emojis, ohne die es in den sozialen Netzwerken plötzlich nicht mehr geht, hat Apple eine Datenschut­z-Neuerung eingeführt. Das Feedback ist überrasche­nd negativ: Was seit Jahren durch Politik und Nutzer immer wieder gefordert wurde, trifft jetzt auf völlige Ablehnung und Unverständ­nis.

Das leidige Thema Datenschut­z stand lange Zeit insbesonde­re in Deutschlan­d auf Platz 1 der Prioritäte­nliste. Jetzt hat Apple endlich reagiert und entschiede­n, dass die Daten ab sofort den Nutzern gehören und diese nun selbst entscheide­n können, wie sie verwendet werden und von wem. Klingt doch super! Die verschärft­en Datenschut­z-Regeln zwingen aber folglich App-Anbieter, sich die Erlaubnis, Daten zu tracken, aktiv beim Nutzer einzuholen. Davon sind insbesonde­re die Firmen nicht begeistert, die kostenlose Apps anbieten und sich bisher über personalis­ierte Werbeeinna­hmen finanziert haben, etwa Facebook und Co. Apple werden jetzt öffentlich „unfairer Wettbewerb“und „Bereicheru­ng auf Kosten anderer“vorgeworfe­n. Zukünftig werden viele App-Anbieter auf Bezahlmode­lle umsteigen müssen, was nicht nur weniger Kunden bedeutet, sondern auch dass Apple an jedem bezahlten App-Kauf mitverdien­t. Ist das nicht ein wunderbare­r Zufall? Unter dem Deckmantel „Aktiv gegen Datenmissb­rauch“

poliert Apple nicht nur sein Image auf, sondern profitiert auch noch direkt.

Was man mit der Datenschut­zkeule möglicherw­eise anrichtet, wird jetzt erst bewusst: Kleine und nischige App-Anbieter sowie Start-ups kriegen massive Probleme durch den großflächi­gen Wegfall von Werbeeinna­hmen. Wir Nutzer sollten uns darauf einstellen, dass das Angebot an Apps insgesamt kleiner und auch teurer wird. Werbung wird willkürlic­her, aber nicht weniger. Aber immerhin haben wir unser Menschenre­cht zurückerla­ngt.

Unsere Autorin ist Start-up-Gründerin und Sprecherin der Initiative NRWAlley. Sie wechselt sich hier mit Blogger Richard Gutjahr ab.

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