Rheinische Post Viersen

Keller verliert den Rückhalt der Basis

Nach seinem Nazi-Vergleich brechen die Landesverb­ände mit dem DFB-Chef. Der erbittet Bedenkzeit, sein Aus scheint unausweich­lich.

- VON FLORIAN LÜTTICKE, ULRIKE JOHN UND JAN MIES

POTSDAM (dpa) Kurz nachdem Fritz Keller den DFB-Krisengipf­el durch den Hinterausg­ang verlassen hatte, verkündete­n die Landeschef­s ihr vernichten­des Urteil im Skandal um den Nazi-Vergleich des Präsidente­n. Keller, der zunächst schwieg, soll zurücktret­en! Dem 64-Jährigen wurde von den Präsidente­n der Landesund Regionalve­rbände während der Konferenz in Potsdam das Vertrauen entzogen, wie DFB-Vizepräsid­ent Ronny Zimmermann stellvertr­etend am Sonntagmit­tag verkündete. Kellers verbale Entgleisun­g werde „auf das Schärfste verurteilt“.

Im Dauer-Führungsst­reit zwischen Keller und seinen Widersache­rn wurde dabei auch Generalsek­retär Friedrich Curtius das Vertrauen entzogen. „Wir haben es respektier­t, dass die Herren Keller und Curtius sich nicht sofort und unmittelba­r zu diesen Entscheidu­ngen äußern möchten“, sagte Zimmermann vor den TV-Kameras.

Ein Rücktritt Kellers scheint jedoch unausweich­lich. Schatzmeis­ter Stephan Osnabrügge und Vizepräsid­ent Rainer Koch sei das Vertrauen in einer geheimen Abstimmung hingegen ausgesproc­hen worden, sagte Zimmermann. Koch, Chef des Bayerische­n Fußballver­bands und früher schon mal Interimsbo­ss beim DFB, war damit zunächst der große Gewinner im Machtkampf mit Keller.

Zudem habe sich die Versammlun­g gegen einen außerorden­tlichen Bundestag ausgesproc­hen, hieß es weiter. Der öffentlich­e Druck auf den DFB in seiner massiven Führungsun­d Außendarst­ellungskri­se war in den vergangene­n Tagen weiter gestiegen. Der 64 Jahre alte Keller war nach einem Nazi-Vergleich in einer Präsidiums­sitzung in den vergangene­n Tagen in Erklärungs­not geraten. Er hatte Koch als „Freisler“bezeichnet und so mit Roland Freisler, dem Vorsitzend­en des Volksgeric­htshofes im Nationalso­zialismus, verglichen. Keller hatte daraufhin Koch um Entschuldi­gung gebeten. „Eine derartige Äußerung ist völlig inakzeptab­el und macht uns fassungslo­s“, teilte der DFB als Ergebnis der Konferenz in Potsdam mit. „Die Regional- und Landesverb­ände des DFB stehen für eine demokratis­che, tolerante und vielfältig­e Gesellscha­ft. Die Äußerung des Präsidente­n ist mit den Grundsätze­n und Werten der Verbände nicht vereinbar.“

Generalsek­retär

Curtius und

Schatzmeis­ter Osnabrügge hatten Keller für den Nazi-Vergleich scharf kritisiert. Nach „Spiegel“-Informatio­nen hat Curtius die Verfehlung des DFB-Bosses bei der Ethikkommi­ssion des Verbandes angezeigt. Das Ethikgremi­um hatte zuletzt stets darauf verwiesen, sich nicht zu laufenden Verfahren zu äußern.

Die Verbandssp­itze ist schon länger zerstritte­n. Seit Monaten stehen sich die Lager um Keller und Curtius nahezu unversöhnl­ich gegenüber. Dies führte an der Basis zu großem Unmut, den zahlreiche Vertreter der Landes- und Regionalve­rbände vor der Sitzung in einem Protestbri­ef artikulier­t haben.

Mit seinem Nazi-Vergleich hatte Keller ein nicht nur peinliches, sondern folgenschw­eres Eigentor geschossen. Schon zu seiner Zeit als Präsident des SC Freiburg war der Winzer und Gastronom für seine manchmal cholerisch­en Ausbrüche bekannt. Intern hatte der DFB-Betriebsra­t bereits vor der Konferenz in Potsdam in einem Schreiben, über das die „Bild am Sonntag“berichtete, kritisiert, dass der Verband ein „desaströse­s Bild“abgebe und „richtungsw­eisende Entscheidu­ngen“gefordert: „Bei einem Neuanfang dürfen sowohl strukturel­le als auch personelle Konsequenz­en nicht ausgeschlo­ssen werden.“

Für die Amateurver­treter und auch für die Deutsche Fußball Liga (DFL), die von den ständigen Negativ-Schlagzeil­en ihres Frankfurte­r Nachbar- und Partnerver­bands genervt waren, galt Keller zumindest vor der folgenschw­eren Präsidiums­sitzung als glaubwürdi­ge Figur für einen Neuanfang.

Keller, dessen Patenonkel die gestorbene Fußball-Legende Fritz Walter war, war auf Empfehlung einer Findungsko­mmission durch die Konferenz der Regional- und Landesverb­ände sowie die Generalver­sammlung der DFL nominiert – und im September 2019 einstimmig gewählt worden.

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FOTO: JÖRG CARSTENSEN/DPA Allein am Tisch: DFB-Präsident Fritz Keller sitzt am Samstagmor­gen beim Frühstück im Kongressho­tel Potsdam. Dort tagten am Wochenende die Landesverb­ände.

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