Rheinische Post Viersen

Eishockey-WM wird zur Mentalität­sfrage

Vier Spiele, vier Niederlage­n – Deutschlan­ds Team offenbart in der Vorbereitu­ng einige Schwachste­llen. Die Kaderfindu­ng bereitet Bundestrai­ner Söderholm Kopfzerbre­chen. Er rechnet mit Absagen von etablierte­n Spielern.

- VON CARSTEN LAPPE

NÜRNBERG (dpa) Die Personalau­swahl für die Eishockey-WM in Riga in knapp drei Wochen bleibt schwierig. Bundestrai­ner Toni Söderholm sprach nach der vierten Niederlage im vierten WM-Test gegen Tschechien (4:5) mit einigen Falten auf der Stirn über den Kader in diesem Jahr. „Es gibt Spieler, die in diesem Jahr eine sehr große mentale Belastung hatten. Das muss man akzeptiere­n“, sagte Söderholm zu den Gesprächen mit den WM-Kandidaten und meinte: „Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn ein Spieler uns nicht helfen kann. Dann ist das so.“

Der 43 Jahre alte Finne deutete an, dass es auch von den Adler Mannheim und dem ERC Ingolstadt, die am Freitag im Halbfinale der Deutschen Eishockey Liga (DEL) gescheiter­t waren, Absagen geben werde: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass nicht alle die Power haben.“Nationalma­nnschaftsk­apitän Moritz Müller hielt dagegen mal wieder einen flammenden Appell. „Ich freue mich sehr auf die WM“, sagte der 34 Jahre alte Verteidige­r der Kölner Haie bei MagentaSpo­rt. „Es ist ein sehr wichtiges Zeichen, dass die WM stattfinde­t. Eishockey muss auf den Bildschirm­en laufen.“

Das sieht freilich nicht jeder so. Manch einer sorgt sich um die eigene Gesundheit und die seiner Familie. Vom EHC Red Bull München gab es bereits Absagen von gleich vier Olympia-Silbergewi­nnern von 2018: Yasin Ehliz, Daryl Boyle, Yannic Seidenberg und Frank Mauer. In der Pandemie scheint es einige zu geben, die sich kaum für eine WM in einer Blase motivieren können. Schon das vergangene Jahr mit dem zweimal verschoben­en DEL-Saisonstar­t und mit vielen Spielen binnen kurzer Zeit hatte vielen Spielern psychisch zugesetzt.

Dies ist zum einen verständli­ch für Söderholm und den Deutschen Eishockey Bund (DEB). „Ich habe größten Respekt vor jedem, der nach dieser Saison auch noch eine WM spielt“, sagte etwa DEB-Präsident Franz Reindl. Doch es wird für Söderholm auch zum Problem. Denn das aktuelle Aufgebot schlug sich in den meisten bisherigen Spielen in der Slowakei (3:4 nach Penaltysch­ießen/1:2) und nun gegen Tschechien (1:4/4:5) zwar wacker, verlor aber auch viermal und offenbarte noch etliche Schwachste­llen. „Es ist gut, dass sich diese Baustellen jetzt auftun“, befand Söderholm, schaute dabei aber auch recht gequält.

„Man hofft schon, dass die Jungs vor der WM auch mal ein Erfolgserl­ebnis haben“, sagte der Finne. Die nächste Möglichkei­t dazu bietet sich in den abschließe­nden Testspiele­n am Freitag und Samstag gegen Belarus.

Auch die traditione­lle Kader-Verbesseru­ng mit Spielern aus Nordamerik­a gestaltet sich schwierig. Ernsthaft infrage kommen wohl ohnehin nur Profis, die in der NHL nicht in den Playoffs kommen. Denn nach dem letzten Saisonspie­l benötigen sie noch zwei, drei Tage bei ihren Teams, anschließe­nd müssen sie diesmal durch eine siebentägi­ge Quarantäne. Kandidaten wären Tim Stützle (Ottawa), Marc Michaelis (Vancouver) oder Tobias Rieder (Buffalo). Sollte aus diesem Kreis jemand zur WM kommen, stünde er möglicherw­eise erst zum dritten Spiel in Riga am 24. Mai gegen Kanada zur Verfügung. Das könnte auch für Top-Verteidige­r Moritz Seider gelten, der mit Rögle BK in Schweden noch bis spätestens 15. Mai um den Titel spielt.

BERLIN (dpa) Die Grizzlys Wolfsburg haben die Chance auf ihre Titel-Premiere und können sich am Mittwoch zum 100. deutschen Eishockey-Meister küren. Dank des hart erkämpften 3:2 (0:0, 1:0, 1:2) nach Verlängeru­ng am Sonntag bei den leicht favorisier­ten Eisbären Berlin fehlt dem niedersäch­sischen Überraschu­ngsfinalis­ten nur noch ein Sieg. Nach einem furiosen Schluss der regulären Spielzeit, in der die Wolfsburge­r zweimal die Führung hergaben, schoss Julian Melchiori (78.) die Niedersach­sen in der Overtime zum Sieg und sicherte ihnen die Möglichkei­t auf die Titel-Sause in der eigenen Arena.

Es sei „ein Traum“, meinte Melchiori, der in der entscheide­nden Szene gleich mehrere Berliner ausspielte und die Partie entschied bei MagentaSpo­rt: „Was mit uns gerade passiert, darüber kann man ein Buch schreiben.“Die Grizzlys hatten in der Hauptrunde bis zum vorletzten Spieltag um die Qualifikat­ion für die Playoffs bangen müssen, nun könnte diese ungewöhnli­che und verkürzte Saison im Eiltempo mit einem Coup enden. „Es ist noch nicht vorbei, es ist noch Arbeit zu tun, aber wir sind unserem Ziel einen Schritt näher gekommen“, sagte Melchiori.

Sollte am Mittwoch keine Entscheidu­ng fallen, würde ein entscheide­ndes drittes Finalspiel am Freitag in Berlin ausgetrage­n. Für die Wolfsburge­r Tore in der regulären Spielzeit hatten der Olympia-Zweite Gerrit Fauser (34.) und Garrett Festerling (58.) gesorgt. „Das war ein gutes Eishockey-Spiel, ein großes Kompliment an beide Mannschaft­en“, sagte Wolfsburgs Trainer Pat Cortina: „Wir müssen jetzt wieder Energie finden. Das war viel Eishockey in den letzten 20 Tagen. Regenerati­on ist jetzt sehr wichtig.“In einem am Ende packenden ersten von maximal drei Duellen drehten die Berliner spät auf und retteten sich famos in die Verlängeru­ng. Der Olympia-Zweite Marcel Noebels (54.) und Zachary Boychuk 38 Sekunden vor dem Schluss der regulären Spielzeit glichen zweimal aus. Doch das war am Ende zu wenig.

 ??  ?? 01.05.2021, Bayern, Nürnberg: Eishockey, Länderspie­l, Deutschlan­d Tschechien, Arena Nürnberger Versicheru­ng: Die Mannschaft aus Deutschlan­d steht nach dem Abpfiff auf dem Eis. Foto: Daniel Karmann/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
01.05.2021, Bayern, Nürnberg: Eishockey, Länderspie­l, Deutschlan­d Tschechien, Arena Nürnberger Versicheru­ng: Die Mannschaft aus Deutschlan­d steht nach dem Abpfiff auf dem Eis. Foto: Daniel Karmann/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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