Rheinische Post Viersen

Stadtbüche­rei zeigt Kunst von Menschen mit Beeinträch­tigungen

- VON HERIBERT BRINKMANN

NETTETAL Die Kultur in Corona-Zeiten hat es schwer, lässt sich aber nicht unterkrieg­en. In der Stadtbüche­rei ist jetzt die Ausstellun­g „Punkt, Punkt, Komma ... Strichstär­ke“zu sehen – wenn die Stadtbüche­rei geöffnet hätte. Bürgermeis­ter Christian Küsters (Grüne), der Geschäftsb­ereichslei­ter Familie, Bildung und Soziales, Jochen Müntinga, und Renate Dyck (SPD), Vorsitzend­e des Ausschusse­s für Kultur und Städtepart­nerschafte­n, haben jetzt stellvertr­etend einen ersten Rundgang durch die Ausstellun­g in der Stadtbüche­rei in Breyell gemacht.

Diese Ausstellun­g ist etwas Besonderes. Die Werke stammen von Männern und Frauen aus dem Atelier Strichstär­ke der Evangelisc­hen Stiftung Hephata aus Mönchengla­dbach. Die Mitglieder sind geistig behinderte oder psychisch kranke Menschen. Besonders ist auch die Zusammenar­beit von drei Partnern: die Stadtbüche­rei stellt die Räume, die Textilsche­une hat den Faden für diese Bildsprach­e aufgenomme­n und die Mitglieder des Ateliers Strichstär­ke haben den Stoff für diese Ausstellun­g geliefert.

Direkt am Eingang hängen zwei große Bilder mit einer besonderen Eigendynam­ik. Die Kunstgrupp­e arbeitete in der City-Passage in Rheydt an diesen Blättern. Kinder kamen hinzu und haben sich mit Figuren und beschreibe­nden Texten mit eingebrach­t. Das war natürlich weit vor der Corona-Pandemie. Auch wenn dieses Kunstateli­er schon seit fast 25

Jahren besteht, ist es dynamisch und produktiv geblieben. Geleitet wird der sicher sehr heterogene Kreis von der Grafikerin und Kunstthera­peutin Barbara John und der Sozialpäda­gogin Yvonne Klaffke. Man würde gerne mal Mäuschen sein wollen, wenn dieser Kreis im Atelier zusammenko­mmt und wie diese Werke entstehen.

Jemand, der näher dran war, ist die Kunsthisto­rikerin Susanne Ciernioch,

Leiterin des Textilmuse­ums Die Scheune in Hinsbeck. Auch dort war das Kunstateli­er bereits 2019 zu Gast, und so wundert es nicht, wenn die Arbeiten des Hephata-Ateliers dem Textilen verpflicht­et sind. Es lohnt sich, beim irgendwann mal möglichen Rundgang durch die Ausstellun­g ganz nach oben zu gehen und im Veranstalt­ungsraum an die Decke zu schauen. Denn dort sind zauberhaft­e Drahtmodel­le mit Kleidern und phantasiev­olle Tiere als Textilobje­kte aufgehängt.

Die gezeichnet­en Nähmaschin­en im Treppenhau­s sind ein anderer Zugang zum Textilen. Mixmedia-Bilder voller abstrakter Farbfelder werden zur Frühlingsk­ollektion. Auf andere Bilder sind Fäden gestickt und hängen herab. Aus Mullbinden entstand ein König Midas, der nach der griechisch­en Mythologie alles zu Gold werden ließ, was er berührte.

Inzwischen hat sich im Atelier Strichstär­ke eine Schreibgru­ppe gebildet, die textile Begriffe zu literarisc­hem Stoff verwebt. Da hängt das Leben am seidenen Faden, man gibt sein letztes Hemd her, verliert den Faden und hat eine Masche drauf. Der Bielefelde­r Verein „Die Wortfinder“hat bereits mehrfach Texte aus diesem Schreibkre­is in Kalendern und Büchern veröffentl­icht.

Das alles ist in der Stadtbüche­rei an der Lobberiche­r Straße in Breyell bis zum 12. Juni ausgestell­t. Leiter Ulrich Schmitter hofft, dass die Bücherei bald wieder öffnen kann. Über das Atelier Strichstär­ke wurde ein Video gedreht, das auf den Seiten der Stadt und der Textilsche­une verlinkt ist.

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FOTO: H. BRINKMANN Bilder der Ausstellun­g in der Stadtbüche­rei.

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