Ein Holzschnitt gibt Rätsel auf
Hans Baldung Grien hat im Jahr 1505 mit Katharina von Alexandrien eine umstrittene Heilige dargestellt.
MOENCHENGLADBACH Das Schwert und das Rad – diese Attribute dürfen in den Darstellungen der heiligen Katharina von Alexandrien nicht fehlen. An ihnen wird sie sogleich erkannt. Sie gilt als eine der vierzehn Nothelferinnen, die der Gläubige in besonderen Situation anrufen kann und zählt zu den bekannteren Heiligen. Katharina ist Schutzpatronin der Schulen, der philosophischen Fakultäten, der Näherinnen und Schneiderinnen.
Vielfach ist sie dargestellt worden. Auch Hans Baldung Grien fertigte einen Holzschnitt der Heiligen an. Aus dem Jahr 1505 stammt das Blatt, das zur Grafischen Sammlung von Schloss Rheydt gehört und in der Online-Ausstellung zu sehen ist. Es ist klein: mit 23 mal 15,8 Zentimetern hat es etwa die Größe eines halben Din-A4-Blattes.
Auf einem Thron, an den das Schwert gelehnt ist, sitzt die Heilige, die in ein prachtvolles Gewand mit üppigem Faltenwurf gekleidet ist. Ihre Locken werden durch ein Haarnetz gebändigt. In ihren Händen hält sie ein Buch. Unklar bleibt, ob ihre Augen auf den Inhalt der Seiten oder in die Ferne gerichtet sind. Hinter ihr der Mauer, die die Heilige umgibt, öffnet sich eine hügelige, Baum bestandene Landschaft mit Häusern. Das halbe Rad, brutal mit Spitzen versehen, liegt neben dem Thron.
Es ist ein Hin und Her gewesen mit der Akzeptanz dieser (vermeintlichen) Heiligen. Ab etwa dem siebten Jahrhundert begann der Glaube an die Frau aus Alexandrien, die im christlichen Glauben gelebt, für ihre Überzeugung gekämpft und auf dem mit Nägeln bespickten Rad gefoltert worden sein soll. Forschungen allerdings ergaben, dass die Legende der Heiligen auf der Persönlichkeit einer spätantiken Mathematikerin, Philosophin und Astronomin mit dem Namen Hypatia aus Alexandrien basiert. Diese wurde als Nicht-Christin von ihren Widersachern mit Scherben oder Ziegeln getötet, zerstückelt und verbrannt. Schon im 15. und 16. Jahrhundert versuchte man, diese umstrittene Heilige aus dem Heiligenkalender streichen zu lassen. Erst 1969 war es so weit, doch schon 2002 wurde sie wieder eingefügt.
Zu Hans Baldung Griens Zeiten also verehrte man die Heilige Katharina noch als Heilige. Hans Baldung Grien wurde entweder 1484 oder 1485 als Sohn einer humanistisch geprägten Gelehrtenfamilie in Schwäbisch Gmünd geboren. In Straßburg, wo die Familie ab 1490 lebte, begann er seine Ausbildung zum Maler, Zeichner und Kupferstecher. 1503 setzt er seine Ausbildung für drei Jahre als Geselle bei Albrecht Dürer in Nürnberg fort. Dürer war nicht nur sein Lehrer, die beiden blieben ein Leben lang Freunde. Dürers Wertschätzung für Hans Baldung ging so weit, dass er Dürers Werkstatt leiten durfte, wenn der
Meister verreist war. Dort erhielt er auch den Beinamen „Grien“. Da es viele Mitarbeiter mit Namen Hans in der Werkstatt gab, brauchte es eine Art Spitznamen für die Unterscheidung. Ursache für den Spitznamen von Hans Baldung war dessen Vorliebe für die Farbe Grün. Seine Kleidung soll vorzugsweise grün gewesen sein, gerne arbeitete er auf grünem Papier und mit Grüntönen. In dem sogenannten Karlsruher Skizzenbuch versah er einige seiner Zeichnungen mit differenzierten Farbbeschriftungen, darunter „gel-grien“(gelbgrün), „schögrien“(schöngrün) oder „schwitzergrien“(Schweizergrün).
Das Blatt aus der Grafischen Sammlung der Stadt Mönchengladbach im Museum Schloss Rheydt ist mit dem typischen Albrecht Dürer Monogramm versehen. Baldung scheint mehrere Versionen des Holzschnitts gearbeitet zu haben, eine frühere Version erschien ohne das Dürer-Monogramm. Die Fantasie des Betrachters beginnt Detektivgeschichten zu spinnen: Wie kommt die Dürer-Signatur in die Baldung-Grafik? Versuch einer Aufwertung? Freundschaftliche Verbundenheit? Schließlich entstand die Heilige Katharina während seiner Zeit bei Dürer. Lösen lässt sich diese Rätsel (vorerst) nicht.
1509 kehrte Hans Baldung Grien nach Straßburg zurück und eröffnete seine eigene Werkstatt. Der Künstler gilt als derjenige, der mit 250 Blättern neben Dürer und Holbein das umfangreichste Werk seiner Epoche hinterließ. Seine Themenpalette deckt religiöse ebenso wie weltliche Motive ab, er gestaltete antike und zeitgenössische Geschichten und Porträts, aber auch den Sündenfall und Hexenszenen. Hans Baldung Grien starb 1545 in Straßburg.
Und noch eine Information zum Schluss: Die heilige Katharina kann man um Hilfe bitten bei Leiden der Zunge, bei Sprachschwierigkeiten, bei Migräne und beim Auffinden Ertrunkener.
„Von Dürer bis Rilke“war eine Premiere für das Museum. Etwa 300 Besucher kamen – plus viele virtuelle Gäste.
MOENCHENGLADBACH (b-r) Vor einem Jahr eröffnete das Museum Schloss Rheydt seine erste Online-Ausstellung. Ein Jahr lang konnten Kunstinteressierte die zehn Kapitel umfassende Ausstellung „Von Dürer bis Rilke“gemütlich vom heimischen Sofa aus betrachten. Wie viele dies tatsächlich getan haben, lässt sich, so Nina Schulze, zuständig für Bildung und Marketing auf Schloss Rheydt, schwer beziffern.
Zwei Möglichkeiten hat Schulze, herauszufinden, wie das Online-Angebot angenommen wurde. Da sind zum einen die Daten des Internetauftritts von Schloss Rheydt. „Die Graphen zeigen hohe Ausschläge im Mai, September und Oktober 2020. Allerdings sind sie nicht so hoch wie im Januar 2021.“Schulz sieht Parallelen zu den in der Rheinischen Post erschienen Artikeln über einzelne ausgewählte Werke aus der Ausstellung. „Nach den Artikeln waren deutlich erhöhte Zugriffe zu vermerken.“
Eine andere Möglichkeit, die Zahlen zu ermitteln, läuft über den Provider der Online-Ausstellung, die
Firma Kunstmatrix. Doch hat diese erst ab Oktober 2020 begonnen, Zugriffsdaten zu ermitteln. Die Auswertung zeigt ähnliche Ergebnisse wie die der Homepage.
In Zahlen sind es etwa 300 Menschen, die „Von Dürer bis Rilke“gesehen haben, meint Schulze. „Das klingt wenig, ist aber nicht ganz aussagekräftig“, so die Marketingfachfrau. Denn auch die Leser der Rheinischen Post und User von RP-Online, die einen der Artikel der Serie angeklickt haben, hätten die Ausstellung quasi besucht und
Info Am 15. Mai wird die Ausstellung „Von Dürer bis Rilke“abgeschaltet. Bis dahin ist sie unter www.schlossrheydt. de zu sehen.