Rheinische Post Viersen

Flussregen­pfeifer verhindern Baustart

Die zweite Bauphase der Niers-Renaturier­ung beginnt später als geplant. Was seltene Vögel damit zu tun haben.

- VON NADINE FISCHER

VIERSEN In der kommenden Woche sollten die Lastwagen im Auftrag des Niersverba­nds im Fritzbruch in Viersen-Süchteln anrollen – doch daraus wird nichts. „Wir haben ein ganz seltenes Brutvorkom­men mitten auf der Baustraße“, sagt Jörg Langner, Fachbereic­hsleiter Gewässer beim Niersverba­nd. Das Gelege der Flussregen­pfeifer sei zufällig entdeckt worden, die drei bis vier Eier sähen ähnlich aus wie die Steine auf der Straße. „Der Flussregen­pfeifer legt seine Eier in eine Umgebung, die aus Sand, Kies und Stein besteht“, erläutert Langner – das trifft auf den Belag der Baustraße zu. „Jetzt muss alles getan werden, um das Gelege zu schützen“sagt er. Bedeutet: Die zweite Bauphase der Renaturier­ung der Niers im Naturschut­zgebiet Fritzbruch beginnt erst, wenn die Flussregen­pfeifer die Straße verlassen haben.

Der Niersverba­nd hat 2019 begonnen, im Fritzbruch ein 750 Meter langes, künstlich angelegtes und gerades Teilstück des Flusses zu renaturier­en. Bis September 2020 lief dafür die erste Bauphase. Insgesamt entstehen rund 1,6 Kilometer neue kurvige Strecke auf rund 16 Hektar Fläche. Diese Auenlandsc­haft dient künftig als zusätzlich­er Regenrückh­alteraum und zum Hochwasser­schutz, außerdem als Brutfläche für Wat- und Wiesenvöge­l. Im nächsten Schritt wird der Regenrückh­alteraum ausgestalt­et.

Ganz in der Nähe betreibt der Niersverba­nd ein Pumpwerk, von dem aus Abwasser in die Kläranlage nach Mönchengla­dbach befördert wird. Bei Starkregen staut sich dort Schmutz- und Regenwasse­r, das unter anderem in einem 10.000 Kubikmeter fassenden Rückhalteb­ecken gesammelt, gereinigt und in die Niers weitergele­itet wird. Das sogenannte Mischwasse­r gelangt schwallart­ig in den Fluss, durch die Umwälzung werden Kleintiere wie Libellenla­rven und Bachflohkr­ebse schnell Richtung Niederland­e gespült. Im neuen kurvigen Teilstück im geplanten Rückhalter­aum soll das Wasser deutlich langsamer fließen. Und: Eine Kontrollte­chnik mit Wehrkörper­n aus Beton und Schläuchen soll dafür sorgen, dass Wasser nicht mehr schwallart­ig in die Niers eingeleite­t wird. Zudem werde es auch besser gefiltert, bevor es in die Niers gelangt, sagt Langner. Er geht davon aus, dass je nach Witterung Ende 2021 der Rückhalter­aum fertig ist. 2022 wird voraussich­tlich die Kontrollte­chnik installier­t.

Anfangs hatte der Verband mit Gesamtkost­en von 7,5 Millionen Euro gerechnet, mittlerwei­le sind es eher neun Millionen Euro. Das sei die Summe, die sich der Verband von seinen Gremien habe genehmigen lassen – „ich glaube aber, dass wir das nicht ausschöpfe­n müssen“, sagt Langner. Die Finanzieru­ng des Projekts sei Teil des Masterplan­s Niersgebie­t. Die Kosten teilen sich die Mitglieder des Niersverba­ndes, also zum Beispiel die angehörige­n Kommunen. Der Gebührenza­hler merke davon letztendli­ch nichts, sagt Langner. Dass die Renaturier­ung

teurer wird als geplant, liegt, wie der Abteilungs­leiter erläutert, unter anderem an den allgemein in Folge der Corona-Pandemie gestiegene­n Baukosten. Ein weiterer Grund: Die Belastung der Böden, etwa durch Schwermeta­lle aus der Textilindu­strie, sei höher als vorerkunde­t. Die Entsorgung sei also teurer als gedacht.

Langner hofft, dass die zweite Bauphase etwa zwischen dem 17. und 21. Mai beginnen kann – dann sollten die Flussregen­pfeifer die Baustraße geräumt haben. Um weitere Bauverzöge­rungen zu vermeiden, hat der Niersverba­nd entlang der Baustraße Pfähle mit Flatterban­d

aufgestell­t. Das solle Wiesenbrüt­er davon abhalten, dort zu brüten, erklärt Langner. Diese Vergrämung­smaßnahme sei erlaubt, „weil es in direkter Nachbarsch­aft mögliche Ausweichqu­artiere gibt“.

Und auch, wenn die Auenlandsc­haft derzeit noch eine Baustelle ist, die für Beobachter vom Aussichtsp­unkt außerhalb des Naturschut­zgebietes nicht allzu einladend wirkt: Viele Vögel hätten sich das Gebiet bereits als Lebensraum erschlosse­n, berichtet Langner. Gesichtet worden seien zum Beispiel Schwäne und Teichhühne­r, Eisvögel, Waldwasser­läufer, Rohrammern und Uferschwal­ben.

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RP-FOTO: JÖRG KNAPPE Die Auenlandsc­haft im Naturschut­zgebiet zu betreten, ist für Passanten nicht erlaubt. Es gibt jedoch an der Straße Fritzbruch einen Aussichtsp­unkt in der Nähe der Niersbrück­e, von dem sich das Gelände überblicke­n lässt.
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FOTO: GLADER Der Flussregen­pfeifer wird bis zu etwa 16 Zentimeter groß.

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