Ein neues Dach für die Brachter Kirche
Die evangelische Kirche wurde 1699 in Brüggen-Bracht errichtet und steht unter Denkmalschutz. Ihr Schiefer-Dach ist in der Ziegelei-Hochburg Bracht ein Kuriosum. Warum es jetzt erneuert werden musste.
BRÜGGEN Ein Kuriosum auf dem Kirchendach gehört jetzt der Vergangenheit an. In Bracht, für seine Tonziegeleien und Dachziegel bekannt, war das Dach der evangelischen Kirche an der Königstraße 1965 mit Schiefer gedeckt worden. Nun hat das kleine Gebäude ein neues Dach aus Ziegeln erhalten. Einzig der Kirchturm trägt noch seine Schieferverkleidung.
„Das Dach ist jetzt fertig“, erklärte Gerald Laumans, Geschäftsführer der örtlichen Ziegelei, die seit 125 Jahren besteht. Sein Unternehmen hat auch die blaugefärbten Dachziegel geliefert und hergestellt: exakt 5750 Stück, dazu 26 Firste mit Reitern. In Abstimmung mit dem Denkmalschutz konnten für das denkmalgeschützte Gebäude von 1699 Dachziegel in einem GrauBlau-Farbton, Xenon-Grau, verwendet werden. Für Laumans keine ungewöhnliche Aufgabe: Häufig produziert das Unternehmen Ziegel für Denkmäler wie die Brachter Kirche. „Wir freuen uns über das neue Dach“, erklärt Christoph Helbig, Pfarrer der evangelischen Gemeinde Breyell-Bracht. Er sei froh, dass dem Denkmalschutz auch mit blaugefärbten Ziegeln Genüge getan wurde, alles andere hätte die Kosten deutlich erhöht. Wegen der Corona-Pandemie sei keine offizielle Feier geplant.
Warum die Dacharbeiten nötig waren: „Das alte Dach war an vielen Stellen stark beschädigt“, erklärt Chrstoph Helbig, seit 21 Jahren Pfarrer der evangelischen Kirche in Bracht und auch in Nettetal-Breyell. Die Schieferplatten seien derart stark in Mitleidenschaft gezogen gewesen, dass bereits Wasser in die Sakristei eingedrungen war. Eine Instandsetzung des Kirchendaches stand also außer Frage: nun nicht mehr mit Schiefer, sondern mit Dachziegeln, erläutert der Pfarrer. Die Arbeiten wurden in zwei Schritten ausgeführt: Im Jahr 2020 war zunächst die Sakristei an der Reihe, jetzt folgten innerhalb weniger Wochen die Arbeiten am neuen Dach.
Dazu musste auch ein Gerüst aufgestellt werden.
Die Kosten liegen laut Heide Baldus „im höheren fünfstelligen Bereich“. Probleme bei der Finanzierung habe es laut Pfarrer Helbig aber nicht gegeben. „Wir haben im vergangenen Jahr das evangelische Gemeindehaus veräußert“, erläutert er. Ein Teil dieses Erlöses konnte nun für die notwendige Dachsanierung verwendet werden. Zudem erhalte die Gemeinde immer wieder Mittel aus Nachlässen – Geld, von dem sich die Verstorbenen wünschen, dass es zum baulichen Erhalt und
Unterhalt des evangelischen Kirchleins verwendet werden soll.
Warum die evangelische Gemeinde sich von ihrem Gemeindehaus an der Marktstraße getrennt hat: „Das Gebäude war nicht mehr notwendig, nachdem am Bischof-Dingelstad-Platz das neue ökumenische Gemeindehaus gebaut worden ist“, erklärt Christoph Helbig. Der Platz war 2019 als Fest- und Parkplatz umgestaltet worden. Dazu gehörten etwa eine neue Beleuchtung und ein Bouleplatz; das neue Pfarrheim nutzen die katholische und die evangelische Gemeinde gemeinsam. Auch ein Vereinsbaum hat dort seinen Platz gefunden.
Eine solche Eintracht der beiden christlichen Konfessionen in Bracht war nicht immer zu spüren: Der Kirchbau sollte sogar verhindert werden. Die Reformierten hatten zwischen 1683 und 1687 ein Haus an der Marktstraße gekauft, das jedoch abgerissen werden musste. Dazu heißt es in der Festschrift „300 Jahre evangelische Kirche zu Bracht“: „Pastor Heinrich von Thoer beklagte, daß ,der Reformierten Kirchenbau und deren exercitium dergestalt zu nahe hingelegt und gehalten werde, dass dadurch die exercitium catholicum und deren Orocessiones verstört oder verhindert werden“. 1691 wurden den Reformierten durch die Klever Behörden der ungehinderte Bau ihrer Kirche und ihre öffentliche Religionsausübung zugestanden. Doch dann habe sich die Problematik beim Kirchenbau verlagert, heißt es in der Festschrift weiter: „Einige Katholiken vor Ort wurden handgreiflich. ,Was des Tages gebaut wurde, ward des nachts abgerissen. Es verging keine Woche wo nicht einer aus dem Consistorio nach Düsseldorf ging, die Beschwerden vorzutragen.’ Arnold Hambach schrieb am 6. April 1699 in das Protokollbuch der Gemeinde, der Neubau sei in acht Jahren insgesamt „zehnmal nidergerissen worden.“
Ende des Sommers 1699 wurde die evangelische Kirche fertiggestellt, die Einweihungsfeier wurde zelebriert.