Rheinische Post Viersen

Erinnerung an ermordete jüdische Kinder

Neu gedruckte Poster erinnern in der Gesamtschu­le an das Schicksal von drei jüdischen Kindern, die im Gebiet der heutigen Stadt Nettetal geboren, in der NS-Zeit deportiert und später umgebracht wurden.

- VON HERIBERT BRINKMANN FOTO: HERIBERT BRINKMANN

NETTETAL Erst stirbt sein Vater im Getto, zwei Monate später seine Mutter. Völlig allein wird der 12-jährige Erich Sanders in den Tod geschickt. Er erstickt qualvoll an Autoabgase­n in einem der „Gaswagen“. Es ist das Verdienst der Gesamtschu­le, die Erinnerung an die Shoa-Kinder aus dem heutigen Stadtgebie­t von Nettetal wachzuhalt­en. Was jahrelang erarbeitet wurde, ist jetzt mit Texten und Fotos auf sechs mobilen Plakatwänd­en, sogenannte­n Roll-ups, gedruckt worden. Sie stehen seit Freitag im Eingangsbe­reich der Schule, sollen aber auch an andere Schulen ausgeliehe­n werden.

Erinnert wird an drei jüdische Kinder, die in Nettetal geboren wurden und aufwuchsen, bis sie im Zuge der Rassenpoli­tik der Nationalso­zialisten deportiert und umgebracht wurden: Werner Klaber, Erich Sanders und Hedi Lion. Über die Schicksale von zwei weiteren Kindern ist noch zu wenig bekannt: Es sind Ruth Harf aus Kaldenkirc­hen und Bruno Zanders aus Breyell.

Die neuen Text- und Bild-Tafeln hat eine Spende des Lionsclubs Nettetal ermöglicht. Präsident Oliver Gehse hat 1000 Euro an Julietta Breuer, als Geschichts­lehrerin auch Koordinato­rin für Erinnerung­skultur an der Gesamtschu­le, übergeben. Am Freitag konnte Gehse die fertigen Tafeln besichtige­n.

Für Schulkinde­r ist der lokale Bezug ein Schlüssel zum Verständni­s. Direkt vor der Schule liegt ein Acker, der einst der Familie Klaber gehörte. Als an der Bietherstr­aße die Synagoge gebaut wurde, spendete Großvater Jacob das Grundstück davor. Werner Klaber wurde 1936 in Aachen geboren, er lebte mit seinen Eltern an der Josefstraß­e 66 in Breyell.

Als er drei Jahre alt war, wurde sein Vater Fritz verhaftet und kam ins KZ Dachau. Er konnte in die Niederland­e entkommen. Mutter Ilse und Werner wurden im Dezember 1941 nach Riga deportiert und dort 1942 ermordet.

Erich Sanders wurde im Mai 1930 in Kaldenkirc­hen geboren. Sechs Jahre lang lebte er an der Bahnhofstr­aße in Kaldenkirc­hen, dann zog die Familie zu den Großeltern nach Süchteln. 1939 wurde die Familie gezwungen, in ein Judenhaus in Düsseldorf umzuziehen. Im Oktober 1941 wurde die Familie von dort ins Getto von Litzmannst­adt (Lodz) deportiert. Nachdem dort seine Eltern ums Leben kamen, wurde das Kind nach Chelmno gebracht und in einem „Gaswagen“erstickt.

Hedi Lion, 1932 in Kaldenkirc­hen

geboren, besuchte den katholisch­en Kindergart­en Brigittenh­eim und zuerst die evangelisc­he Volksschul­e, dann die Jüdische Schule in Mönchengla­dbach. Auf dem Weg zum Bahnhof wurde Hedi von anderen Kindern oft verhauen. 1941 wurde die Familie nach Riga deportiert. Als Mutter Else am 2. November 1943 von der Arbeit ins Getto zurückkomm­t, ist Hedi abgeholt. Ihre Mutter überlebt und hat stets das Foto ihrer kleinen Hedi mit der großen weißen Schleife im Haar bei sich. Ihre Lebensgesc­hichte hat der Kaldenkirc­hener Frank Kauwertz 1999 in seinem Buch „Die drei Eisheilige­n“geschilder­t.

Jede Stadt hat eine Anne Frank. Auf allen Tafeln ist dieser Satz zu lesen. Nettetal hat seine fünf Shoa-Kinder. Von keinem gibt`s ein Tagebuch. Die Gesamtschu­le versucht das Andenken an diese Kinder zu bewahren.

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In den Geschichts­kursen der Gesamtschu­le wird die Erinnerung an die jüdischen Kinder wach gehalten. Schulleite­r Leo Gielkens (l.) und Lehrerin Julietta Breuer (r.) stehen dafür ein. In der Mitte Oliver Gehse, Lionsclub.

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