Stadt macht ein Plus von 75 Millionen Euro
Wohl noch nie hat Gladbach am Ende eines Haushaltsjahres so viel Geld übrig. Woher das kommt und wofür es gebraucht wird.
MÖNCHENGLADBACH Jahrelang kannte man in Mönchengladbach nur tiefrote Zahlen. Das hat sich in den vergangenen Jahren bereits geändert, vor allem durch den Beitritt zum Stärkungspakt. Die Zahl allerdings, die Kämmerer Michael Heck am Donnerstagabend im Finanzausschuss präsentierte, dürfte selbst kühnste Optimisten überrascht haben: Die Stadt wird das Haushaltsjahr 2020 mit einem Plus in Höhe von mehr als 75 Millionen Euro abschließen – trotz der Corona-Pandemie. Das ist noch nicht der fertige Jahresabschluss, den der Kämmerer Ende Juni dem Rat vorlegen will. Aber diese Zahl sei bereits jetzt nach Buchungsschluss klar. Wahrscheinlich hat es noch nie in der historisch und chronisch klammen Stadt Mönchengladbach einen solch großen Überschuss nach Ende eines Haushaltsjahres
gegeben.
Woher kommt ein solch großes Plus? Laut Kämmerer Michael Heck haben die Stadt im vergangenen Jahr Zahlungen erreicht, mit denen man im Jahr 2018, als der Doppelhaushalt aufgestellt wurde, noch nicht habe rechnen können. Im Ausschuss nannte er als ein Beispiel die Kosten der Unterkunft von Sozialhilfeempfängern. Das waren laut Haushaltsplan für das vergangene Jahr rund 110 Millionen Euro. Der Bund hat seinen Anteil daran im Verlauf des Jahres aber von 50 auf 75 Prozent angehoben. Übers Jahr gerechnet sind das um die 20 Millionen Euro zusätzlich, für 2020 aber auch schon ein deutlich zweistelliger Millionen-Betrag. Aber auch Schlüsselzuweisungen des Landes haben sich 2020 verbessert. Ein weiterer großer Posten dürften die aufgelaufenen Entgelte für den Rettungsdienst sein. Über Jahre hatte sich ein Abrechnungsstau ergeben. Der hat sich nach Informationen unserer Redaktion inzwischen erheblich reduziert, die Einnahmen für 2020 haben sich dadurch erhöht. Das genaue Zahlenwerk dazu wird aber erst Ende Juni vorliegen.
Spielt Corona dabei gar keine Rolle? Doch. Nach Angaben von Donnerstag beträgt das Corona-Minus der Stadt für 2020 rund 16,9 Millionen Euro. Ohne Hilfen von Bund und Land wäre es deutlich größer gewesen. Dieses Minus darf aber laut Landesgesetzgebung bis 2025 ausgeklammert werden. Es wird also nicht in das Ergebnis einbezogen. Die 75 Millionen Euro Plus sind also „ohne Corona“.
Hat die Stadt auch bei den Ausgaben gespart? Kämmerer Heck betont, dies sei nicht der Fall gewesen. Die Summe der Ausgaben (geplant waren 1,07 Milliarden Euro) habe nur leicht unter der Planung gelegen. „Wir haben auch im Pandemie-Jahr das Geld auf die Baustellen gebracht“, sagte Heck. Details dazu werden Ende Juni vorliegen.
Was passiert mit dem Geld? Darüber muss der Stadtrat entscheiden. Mönchengladbach ist aber nicht über Nacht plötzlich reich geworden. Die Schuldenuhr zeigte am Freitag einen Gesamtschuldenstand von mehr als 878 Millionen Euro an, jede Sekunde wächst der Schuldenberg um 2,67 Euro. Wenn die Politiker im Rat das Plus nicht mit vollen Händen ausgeben, dann wandern die 75 Millionen Euro in die Ausgleichsrücklage. Das ist vereinfacht gesagt der Sparstrumpf, der dann hilft, wenn das Geld hinten und vorne nicht reicht. Und das könnte spätestens 2025 der Fall sein: Dann muss die Stadt entscheiden, wie sie das bis dahin aufgelaufene (und erst einmal wegisolierte) Corona-Minus bezahlen will. Nach letzter Kalkulation sind dies mehr als 420 Millionen Euro. Die müsste die Stadt dann entweder auf einmal ausbuchen (und dabei hilft dann eine Ausgleichsrücklage) oder über 50 Jahre abstottern, was künftige Generationen belastet.
Was bedeutet das Plus für dieses Jahr? Erst einmal nicht viel. Kämmerer Heck warnt, dass es vor allem Einmal-Effekte gewesen seien, die das Ergebnis in eine derartige Höhe getrieben hätten. „Wir können jetzt nicht auf einmal viel über Plan raushauen“, warnt Heck. Die Kosten der Unterkunft werden zwar weiter vom Bund in der neuen Höhe getragen, aber das ist im Haushalt ja schon so eingeplant. Ein Plus darüber hinaus ist also nicht zu erwarten. Das bisher kalkulierte Ergebnis ist mit 1,1 Millionen Euro für 2021 hauchdünn.