Rheinische Post Viersen

Protestant­en vertrauen in die Jugend

- VON DOROTHEE KRINGS

Jugend ist kein Wert an sich. Aber natürlich hat das Alter Einfluss darauf, wie ein Mensch auf die Welt blickt, welche Werte für ihn zählen, wie er mit Wandel umgeht, was er über die Zukunft denkt. Darum ist es mehr als ein Signal, dass die Synode der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d die 25 Jahre alte Philosophi­estudentin Anna-Nicole Heinrich zur neuen Präses gewählt hat. Das Kirchenpar­lament sendet eine Botschaft und macht selbst ernst: Die junge Generation soll an entscheide­nder Stelle vertreten sein. Und selbst sprechen.

Natürlich weckt das Reflexe: Kann die das? Ein Leitungspo­sten in einer Kirche, die 21,1 Millionene­n Christen in Deutschlan­d vertritt – ohne Führungser­fahrung? Als Frau? Ob sie das kann und wie sie ihre Aufgabe füllen wird, kann Anna-Nicole Heinrich erst im Amt beweisen. Und dann darf man sie nicht mehr darauf reduzieren, jung und eine Frau zu sein. Erfahrung jedenfalls ist nur ein Erfolgsfak­tor von vielen. Und Alter ist auch kein Wert an sich. Diese Erkenntnis scheint sich im jugendskep­tischen Deutschlan­d gerade im Turbogang durchzuset­zen. Das zeigt die taktische Entscheidu­ng der Grünen für eine recht junge Frau als Kanzlerkan­didatin. Das zeigt auch die Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts zur deutschen Klimapolit­ik, die noch viele Verwerfung­en in der konkreten Umsetzung nach sich ziehen wird, aber das wohl geleistet hat: der Jugend ernsthaft Beachtung zu verschaffe­n. Eine allzu schlichte Gleichung dürfte für die Kirche allerdings nicht aufgehen: das Kalkül, eine junge Frau in einem hohen Amt werde automatisc­h Jugend in die Gemeinden ziehen. Da müssen schon Inhalte überzeugen. Die Tatsache, dass junge Frauen in der Evangelisc­hen Kirche Chancen haben, mitzugesta­lten, ist aber ein Anfang.

BERICHT MIT 25 JAHREN PRÄSES, KULTUR

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