Rheinische Post Viersen

Der KFC ist ein glückliche­r Verlierer

Die Uerdinger Chancen auf den Klassenerh­alt sinken nach der 1:4-Niederlage in Kaiserslau­tern in Richtung Nullpunkt, doch bereits tags darauf kehrt die Hoffnung dank der Resultate der Konkurrenz zurück.

- VON THOMAS SCHULZE

Nachdem Schiedsric­hter Mitja Stegemann die Partie zwischen dem 1. FC Kaiserslau­tern und dem KFC Uerdingen um 15.52 Uhr abgepfiffe­n hatte, sank Dave Gnaase auf dem Rasen des Fritz-Walter-Stadions nieder. Haktab Omar Traoré satzte sich auf den Trainerstu­hl und blickte nachdenkli­ch in den Himmel. Edvinas Girdvainis, der nur eine Viertelstu­nde gespielt hatte, absolviert­e mit Athletiktr­ainer Ruben Solis noch ein individuel­les Training. Die Roten Teufel hingegen waren im siebten Himmel. Sie feierten erst im Mannschaft­skreis und gingen dann zum Stadiontor, wo sich mehrere hundert Fans versammelt hatten und ihr Team feierten. Die Anhänger verabschie­deten ihre Lieblinge so, wie sie sie empfangen hatten, als der Mannschaft­sbus vor dem Spiel an der Arena vorfuhr: mit einem pyrotechni­schen Feuerwerk.

Die Lauterer waren längst in der Kabine verschwund­en, da stand Dave Gnaase noch immer auf dem Rasen. Er hatte ebenso Gesprächsb­edarf wie Teamchef Stefan Reisinger, der telefonier­te. Gnaase suchte Zerstreuun­g nach der bitteren 1:4-Niederlage. „Wir sind gut ins Spiel gekommen“, sagt Gnaase, der dann um Fassung ringt. „Es ist schwierig zu erklären, ob es Fehler oder ganze Fehlerkett­en waren. So wie die ersten zwei, drei Tore gefallen sind, das darf nicht passieren. Vielleicht haben wir uns nach dem 1:0 auch wieder zu weit hinten rein drücken lassen. Da läuft man dann hinterher.“

Erst um 16.22 Uhr verließ Gnaase den grünen Rasen des Fritz-Walter-Stadions. Vermutlich hatte er dabei das Gefühl, dass er mit dem KFC in der kommenden Saison hier nicht mehr hier spielen wird. Aber die Hoffnung hatte er trotz der niederschm­etternden Niederlage nicht aufgegeben: „Die anderen spielen morgen erst. Ich will nicht hoffen, dass sie beide jeweils drei Punkte einfahren. Und dann müssen wir nächste Woche Vollgas geben. Rechnerisc­h ist noch alles möglich.“

Gnaase, zu dessen Stärken gehört, ein Spiel zu lesen und Situatione­n zu antizipier­en, hatte den richtigen Riecher bewiesen. Denn 24 Stunden später sah die Welt schon wieder etwas anders aus, als unmittelba­r nach der bitteren Schlappe in der Pfalz. Die Heimnieder­lage des

SV Meppen (0:2 gegen den Vorletzten VfB Lübeck) und die 1:2-Niederlage des FC Bayern München II beim Schlusslic­ht Spielverei­nigung Unterhachi­ng gaben den Hoffnungen

Kaiserslau­tern – Uerdingen 4:1 der Uerdinger neue Nahrung. „Das ist ja der Wahnsinn“, sagte Teamchef Stefan Reisinger, der die Spiele natürlich verfolgt hatte und anschließe­nd mit der kleinen Tochter auf den Spielplatz ging, um abzuschalt­en. „Aber im Grunde ist es ja nicht neu, sondern schon die ganze Saison so: jeder kann jeden schlagen.“

Der KFC muss allerdings noch seinen Beitrag leisten, wenn er tatsächlic­h noch den Abstieg verhindern und den Klassenerh­alt feiern will. Dazu wird die Leistung von Kaiserslau­tern trotz der Steigerung nicht ausreichen. Das Ergebnis fiel natürlich um ein Tor zu hoch aus, doch es bedarf in den nächsten zwei Wochen einer Verbesseru­ng auf allen Positionen – vom Torhüter über die Abwehr, das Mittelfeld bis hin zum Sturm.

Die gefühlte Achterbahn­fahrt des KFC Uerdingen geht weiter. In den zurücklieg­enden Tagen hat sie allerdings an Geschwindi­gkeit derart zugenommen, dass manch ein Fan nicht mehr hinsehen mochte. Am Mittwoch sinkt der Mut nach dem verlorenen Heimspiel gegen Viktoria Köln, am Donnerstag geben die Gläubiger ein ermutigend­es Signal, indem sie dem vorgelegte­n Insolvenzp­lan zustimmen, am Samstag scheint der KFC nach der Niederlage in Kaiserslau­tern bereits abgestiege­n und nicht mehr zu retten, am Sonntag verlieren auch beide Konkurrent­en, so dass die Hoffnung zurückkehr­t. Und nun?

Fest steht nur eines: Es gibt keinerlei Planungssi­cherheit. Ob die Uerdinger im Saisonends­purt tatsächlic­h noch den Klassenerh­alt feiern können, steht frühestens am 22. Mai gegen 15.50 Uhr fest. Sollte die Entscheidu­ng früher fallen, so wäre sie negativ und würde den Abstieg bedeuten.

Das wiederum wäre für den Verein ein Desaster, denn es würde bedeuten, dass anstatt der Planungssi­cherheit die Unsicherhe­it zunehmen würde. Dann wäre der vorgelegte Insolvenzp­lan obsolet, dann wäre es höchst fraglich, ob Investor Roman Gevorkyan über das Saisonende hinaus den Verein alimentier­en würde, dann wäre ungewiss, ob der KFC überhaupt in der Regionalli­ga spielen könnte. Der Abstieg könnte also einen Domini-Effekt großen Ausmaßes auslösen.

Noch besteht die Chance, einen solchen Super-Gau zu verhindern. Dazu müssten die Spieler möglichst all das vergessen, was in den zurücklieg­enden Tagen, Wochen und Monaten war. Dazu müssten sie erkennen, dass es an ihnen liegt, ihre Drittligat­auglichkei­t nachzuweis­en, um sich eine gute Verhandlun­gsbasis für die kommende Saison zu verschaffe­n.

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FOTO: BRAUER Die Lauterer Mannschaft jubelt gemeinsam, die Uerdinger sind geschlagen und lassen die Köpfe hängen.
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