Rheinische Post Viersen

Sind Senioren am Steuer eine Gefahr?

Sie fahren zu langsam und zu unsicher – dieser Ruf eilt Senioren am Steuer oft voraus. Immer wieder gibt es Debatten über Zwangs-Eignungste­sts im Alter. Sind betagte Autofahrer wirklich ein Problem? Die Unfallstat­istik zeichnet ein klares Bild.

- VON GABI PETERS

MÖNCHENGLA­DBACH Im vergangene­n Jahr starben zwei Senioren im Straßenver­kehr, 33 ältere Menschen, die am Steuer eines Autos saßen, wurden verletzt. Sieben verunglück­ten mit dem Motorrad, Roller oder Mofa. Vor Corona ging Prävention­sexperte Erwin Hanschmann von der Mönchengla­dbacher Polizei häufig mit solchen Zahlen aus der Unfallstat­istik zu Treffen mit Seniorencl­ubs. Denn nach jedem Unfall mit einem betagten Autofahrer taucht auch wieder die Frage auf: Sind Senioren am Steuer eine Gefahr für andere? Müssen Zwangs-Eignungste­sts her?

Von den reinen Unfallzahl­en her seien Senioren völlig unauffälli­g, sagt Hanschmann. Aber Fakt sei auch: Im Alter lassen manche Fähigkeite­n nach. „Das Hören und Sehen wird schlechter, manche können auch den Kopf oder die Schulter nicht mehr richtig drehen. Medikament­e können auch die Fahrtüchti­gkeit beeinträch­tigen“, sagt der Polizeihau­ptkommissa­r, und dabei redet er nicht unbedingt von den 70- oder 75-Jährigen. „Ich habe viele kennengele­rnt, die mit 85 und über 90 noch

Auto fahren.“

In den 25 Jahren, in denen er jetzt mit Seniorencl­ubs zusammenar­beitet, hat er schon oft gehört: „Meine Kinder sagen, ich fahre nicht mehr so gut Auto.“Wenn Hanschmann die älteren Menschen dann nach ihrer eigenen Einschätzu­ng fragt, kommt meistens „klappt noch gut“als Antwort.

Dass Senioren am Steuer in der Unfallstat­istik eher unauffälli­g sind, habe auch damit zu tun, dass sie oft nur bekannte Wege fahren, die Dunkelheit meiden und mögliche Gefahrenst­ellen gerne umgehen. Hanschmann: „Einige nehmen weiter Umwege in Kauf, um nicht auf die Autobahn auffahren zu müssen. Sie stellen ihre Autos nur dort ab, wo sie nicht rückwärts einparken müssen.“Aber im Straßenver­kehr geschehe eben auch häufig Unerwartet­es. „Manche Senioren fahren extra langsam, weil sie sich dann sicherer fühlen. Aber wenn sie dann überholt werden oder jemand hupt hinter ihnen, kann sie das in eine Stresssitu­ation bringen“, sagt der Polizeihau­ptkommissa­r.

Dennoch ist Erwin Hanschmann davon überzeugt, dass sicheres Fahren nicht mit der Höhe des Alters korreliert. „Es gibt auch 30-Jährige, die grottensch­lecht Auto fahren“, sagt er.

Deshalb ist er auch gegen die Einführung von Zwangs-Eignungste­sts ab einem bestimmten Alter. Wenn man sich schon für verpflicht­ende Tests zur Überprüfun­g der Fahrtüchti­gkeit entschließ­e, dann für alle. „Dann wäre es besser, Führersche­ine für eine begrenzte Zeit zu vergeben“, sagt er.

Aber wann ist der richtige Zeitpunkt, das Autofahren lieber sein zu lassen? Das sollten sich die Senioren wirklich überlegen, bevor es zu einem schweren Unfall kommt, bei dem womöglich Menschen verletzt werden, sagt der Prävention­sexperte. Für ihn sind folgende Zeichen ein Hinweis darauf, dass man sich nicht mehr ans Steuer setzen sollte: Mehrere kleine Kratzer und Beschädigu­ngen an Stoßstange und Kotflügel. Und wenn das Fahren anfängt, Stress zu bereiten. All dies sollte man beachten, bevor es zu einem Unfall kommt und der Führersche­in von den Behörden entzogen wird.

Der Polizeihau­ptkommissa­r weiß, wie viel das Autofahren auch älteren Menschen bedeutet. „Autofahren ist Mobilität, Selbststän­digkeit“, sagt er. Viele sagen, sie bräuchten das Auto für Arztbesuch­e oder zum Einkaufen. Und je ländlicher man wohne, desto schlechter seien die Busverbind­ungen. Hanschmann weiß auch, dass viele Kinder mit ihren Eltern schimpfen, weil diese nicht aufs Autofahren verzichten wollen. „Nur zu schimpfen, bringt aber nichts. Man muss auch Alternativ­en anbieten“, sagt er. Zum Beispiel: Der Enkel bekommt das Auto geschenkt, dafür muss er einige Fahrten übernehmen.“Es gebe Taxiuntern­ehmen, die bei regelmäßig­en Fahrten zu festgesetz­ten Zeiten Rabatte anbieten und sicher noch weitere Lösungen.

Vor Corona ist Erwin Hanschmann mit Seniorencl­ubs in einem Bus viermal im Jahr durch die Stadt gefahren, um ihnen gefährlich­e Ecken zu zeigen, Stellen, an denen viele Unfälle passieren.

Wer sich unsicher ist, ob er noch fahrtüchti­g ist oder nicht, solle am besten seinen Hausarzt konsultier­en. Der wisse am besten Bescheid über die gesundheit­liche Konstituti­on und die Medikament­engabe. Außerdem weiß Hanschmann, dass Fahrlehrer zumindest vor der Pandemie auch Fahrstunde­n für Senioren angeboten haben, die testen wollten, wie fit sie noch am Steuer sind.

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FOTO: DPA Manche Fahrschule­n bieten Fahrsicher­heitstrain­ings für Senioren an.
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FOTO: DETLEF ILGNER Polizeihau­ptkommissa­r Erwin Hanschmann.

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