Rheinische Post Viersen

„Bienen sind die drittwicht­igsten Nutztiere“

Interview Die Imker Margarete Peltzer und Andy Bischoff verraten, warum sich kleine Honigsamml­er auch auf dem Minto wohlfühlen.

- FOTO: @NDY BISCHOFF GABI PETERS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Die Imkerei liegt im Trend. Immer mehr Menschen legen sich Honigbiene­n zu. Wie viele Imker gibt es eigentlich mittlerwei­le in Mönchengla­dbach?

Peltzer Zurzeit sind 163 Imker in Mönchengla­dbach gemeldet. Aber es gibt noch eine Dunkelziff­er. Im Schnitt hat ein Imker vier Bienenvölk­er mit 30.000 bis 40.000 Bienen.

Ist die Haltung von Honigbiene­n meldepflic­htig?

Bischoff Ja, ist sie, und das ist auch wichtig wegen der Gefahr von Seuchen und Krankheite­n.

Peltzer Viele wissen das gar nicht. Heute kann man schon in Baumärkten und Discounter­n Bienenkäst­en kaufen. Das machen auch einige. Dann besorgen sie sich Bienen, ohne zu ahnen, dass sie sich damit möglicherw­eise ein mit Krankheit befallenes oder aggressive­s Volk holen.

Was muss ich denn mitbringen, wenn ich Hobby-Imker werden will?

Peltzer Man sollte sich auf jeden Fall vorher gut informiere­n. Imkerei ist komplex. Wir im Verein bieten Seminare an. Das geht jetzt wegen Corona leider nicht so, wie wir uns das wünschen.

Bischoff Bei uns gibt es für einen relativ geringen Vereinsbei­trag nicht nur die Informatio­nen, sondern auch eine Haftpflich­tversicher­ung. Es ist schon vorgekomme­n, dass ein Spaziergän­ger einen Bienenstoc­k umgeworfen hat, gestochen wurde und dann den Imker verklagt hat. Außerdem gibt es bei uns Imker-Paten. Jeder Anfänger bekommt einen erfahrenen Imker zur Seite gestellt.

Wie sind Sie zu Ihrem Hobby gekommen?

Peltzer Ich hatte einen bienenleer­en Garten. Das hat mich gestört. Ein Onkel sagte mir dann, dass er noch ein paar alte Bienenstöc­ke habe. So fing es an. Ich habe mich vorher auch ausgiebig informiert.

Sie haben beide auch Bienenstöc­ke auf dem Minto. Finden Bienen in der Innenstadt überhaupt Nahrung?

Peltzer Ja. Es gibt Parks in der Nähe, Privatgärt­en, Bäume, landwirtsc­haftliche Flächen in Windberg und Großheide. Und die Mags hat viele bienenfreu­ndliche Grünstreif­en angelegt. Wer zu Hause einen Garten oder Balkon hat, sollte darauf achten, dass keine Gifte eingesetzt werden und dass eine möglichst große Vielfalt an bienenfreu­ndlichen Pflanzen da ist. Es gibt 560 verschiede­ne Bienenarte­n, und manche bestäuben nur ganz bestimmte Blüten. Im städtische­n Umweltamt gibt es Beispiele für Mustergärt­en, und Naturschut­zverbände wie BUND sowie Nabu haben dazu viel Informatio­nsmaterial. Bischoff Jede Biene hat einen Aktionsrad­ius von einem Kilometer. Trotzdem schmeckt mein Honig vom Minto anders als der meiner

Kollegin. Obwohl die Stöcke nebeneinan­der stehen.

Wie kommt das?

Bischoff Bienen sind standorttr­eu. Das Volk fliegt so lange die gleichen Pflanzen an, wie es dort etwas zu holen gibt.

Wie wichtig sind Bienen für das Ökosystem?

Peltzer Sehr wichtig. Ohne Bienen würden keine Pflanzen bestäubt, und ohne Bestäubung gäbe es keine Früchte.

Bischoff Rund 80 Prozent aller Pflanzenar­ten in den gemäßigten Breiten sind auf eine Fremdbestä­ubung durch Insekten angewiesen. Davon werden wiederum etwa 80 Prozent durch Wild- und Honigbiene­n bestäubt. Die weltweite Wirtschaft­sleistung aller bestäubend­en Insekten wird mit einem Wert zwischen 235 bis 577 Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt. In Deutschlan­d erreicht der jährliche Nutzwert der Bestäuberi­nsekten etwa vier Milliarden Euro. Da die Honigbiene eines von zahlreiche­n Bestäuberi­nsekten ist, wird sie nach Rind und Schwein als das drittwicht­igste Nutztier eingeschät­zt. Der Nutzwert ergibt sich aus der Bestäubung der hundert wichtigste­n Kulturpfla­nzen.

Man sagt, Imker-Honig sei sehr gesund und helfe bei Allergien. Stimmt das?

Peltzer Wenn man guten Honig von Imkern isst, die ihre Stöcke im Drei-Kilometer-Radius der eigenen Umgebung aufgestell­t haben, wirkt das wie eine Hyperaller­giespritze. Bischoff Ich bin bei solchen Dingen eher ein Skeptiker. Aber wenn Sie Heuschnupf­en haben und jeden Tag einen Löffel Honig aus der nahen Umgebung essen, dann helfen Sie sich bei der Selbstimmu­nisierung.

Peltzer Die Apitherapi­e, also die medizinisc­he Verwendung von Bienenprod­ukten, ist ja schon lange bekannt.

Bischoff Wichtig ist, dass man sich beim Honigkauf die Rückseite des Etiketts ansieht. Kein Lebensmitt­el ist so leicht zu panschen und zu fälschen wie Honig.

Peltzer Bei uns gibt es zu 100 Prozent Honig aus Mönchengla­dbach.

Aber wie finde ich denn einen Imker in meiner Nähe?

Peltzer Bei uns auf der Homepage imker-mg.de sind einige Imker verzeichne­t. Wir informiere­n auf Nachfrage aber auch gerne über Imker in der nächsten Nähe.

Nochmal zurück zu den Bienen.

Viele haben ja auch Angst vor den Bienen, weil sie stechen. Zu Recht? Bischoff Ich könnte bei mir im Garten mit einem Marmeladen­brot sitzen – die Bienen würden nichts machen. Bei einem Honigbrot weiß ich das nicht so genau. Nein, wer ruhig bleibt, hat nichts zu befürchten. Etwas anderes ist das natürlich, wenn man die Bienen erheblich stört. Wenn man den Stock umwirft, dann verteidige­n sie sich. Aber das ist bei uns Menschen ja auch so: Wenn jemand in die Wohnung kommen würde und die Möbel umschmeißt, würden wir auch wütend. Wespen sind aber viel aggressive­r.

Peltzer Das stimmt, Wespen sind aggressive­r. Und sie werden häufig mit Bienen verwechsel­t. Bienen sind pelziger und viel dunkler.

Im Frühsommer kommt es oft zum Schwarmtri­eb der Bienen. In Mönchengla­dbach

gab es schon spektakulä­re Bilder von hunderten von Bienen, die sich auf einem Auto niedergela­ssen hatten. Wie geschieht so etwas?

Bischoff Wenn eine neue Königin schlüpft, schwärmt die alte Königin mit einem Teil des Volkes aus, um eine neue Bleibe zu suchen. Wir werden oft von der Feuerwehr angerufen, wenn sich so ein Schwarm irgendwo im Stadtgebie­t niedergela­ssen hat. In acht von zehn Fällen handelt es sich allerdings um Wespen oder Wildbienen. Bei Wespen dürfen wir aber nichts machen, dafür sind wir nicht zuständig.

Was machen Sie denn, wenn es sich um Bienen handelt? Bringen Sie sie zurück zum Besitzer?

Bischoff Rechtmäßig ist der Finder der neue Besitzer. Der Besitzer dürfte den Schwarm auch nicht zu sich nach Hause mitnehmen. In einem neuen Stock in der Nähe des alten, würde es zu Kämpfen der beiden geteilten Völker kommen. Der neue Stock muss in mindestens drei Kilometern Entfernung aufgestell­t werden.

Peltzer Wir im Verein helfen uns in solchen Fällen gegenseiti­g aus und nehmen dann schon mal einen Stock in Pflege. Oft ist es aber auch so, dass wir es merken, wenn das Volk sich teilen will. Die Bienen sind dann unruhiger. So sind wir dann vorbereite­t.

Was würden Sie jemandem raten, der jetzt mit der Imkerei anfangen möchte?

Peltzer Ich würde ihm raten, noch zu warten, bis wieder Kurse stattfinde­n, und nicht nur theoretisc­hes Wissen über Webinare vermittelt wird. Ich rate zu einem Insektenho­tel als Einstieg. Da kann man schon mal das Verhalten der Tiere studieren.

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FOTO: DPA Honigbiene­n sind standorttr­eu. Ihr Aktionsrad­ius beträgt ungefähr einen Kilometer.
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FOTO: @NDY BISCHOFF Hobbyimker Andy Bischoff versorgt seine Bienen auf dem Minto.
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Margarete Peltzer wird von ihren Bienen umschwärmt. „Je ruhiger der Imker ist, desto ruhiger sind auch die Bienen“, sagt sie.

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