Rheinische Post Viersen

Eine Hommage an die Spießigkei­t

Einst Möbel – nun Kunstobjek­te: Die Ausstellun­g „Mobilia“im Kunstverei­n MMIII verführt zum Staunen und Lachen. Acht Künstler rücken dabei Möbel und andere Einrichtun­gsstücke in einen neuen Kontext.

- VON SIGRID BLOMEN-RADERMACHE­R

MÖNCHENGLA­DBACH Da werden Erinnerung­en wach: solche an die Frisierkom­mode der (Ur-)Großeltern zum Beispiel, die aus massivem Holz und mit Schellack hochglänze­nd lackiert waren. Sogar die kleinen, kaum sichtbaren Halterunge­n für die unvermeidl­ichen Glasplatte­n (unter denen die ebenso unvermeidl­ichen Spitzendec­kchen platziert wurden) sind noch da: Tobias Nink sammelt Möbel, die er zerlegt und stapelnd zusammenad­diert zu einer neuen Geschichte. Die hochglänze­nde Oberfläche ist ebenso sichtbar wie die raue Rückseite. Ein Blick in das Innere wird verwehrt.

Mit Blicken in das Außen spielt Tobias Hoffknecht: Spiegel, traditione­lles Element einer Einrichtun­g, sind sein Thema. Doch seine drei nebeneinan­der gehängten, polierten Edelstahlf­lächen werden durch ihre Reihung zum Kunstobjek­t.

Die Möbel und Einrichtun­gsgegenstä­nde, die die acht jungen Künstler aus der Ausstellun­g

„Mobilia“bearbeiten, werden unter ihrer Hand aus einem alten in einen neuen Zusammenha­ng gestellt. „Entkontext­ualisiert“nennt Kurator Wilko Austermann diesen Vorgang. In der Ausstellun­g „Mobilia“geht es um Möbel und um häusliche Objekte wie Lampen, Spiegel, Fernseher und Wandschmuc­k.

Ein Novum: Die Präsentati­on im Kunstverei­n MMIII ist ein Kooperatio­nsprojekt mit dem Verein Leistende Landschaft sowie dem Schloss Ringenberg, wo dieselben acht Künstler ab Ende Mai weitere Kunstwerke zum Thema zeigen.

Viele der zwischen 1972 und 1985 geborenen Künstler greifen (spieß) bürgerlich­e Elemente auf, die sie ironisch in ihre Arbeiten integriere­n. Christoph Knecht beispielsw­eise bettet die anspruchsv­olle Technik einer Aquatinta, die alte Pflanzenda­rstellunge­n wiedergibt, in einen Rahmen aus Tortenspit­zen. „Knecht spielt mit Wertigkeit­en“, beschreibt Austermann.

Ein reizvolles Spiel. Was bei Knecht noch subtil eingesetzt wird, bordet bei Katharina Maderthane­r über. Sie platziert drei Fernseher auf Sockeln und Tischen. So weit so normal. Doch verhüllt sie die Bildschirm­e mit teils transparen­ten Stoffen, durch die das Fußballspi­el, die Naturdokum­entation und Kochsendun­g so gerade eben noch zu erahnen sind. Die Stoffe hat sie selbst entwickelt: Lottoschei­ne, Deutschlan­dfahnen und Teletexte sind zu erkennen. Unter den Geräten

sind Stoffe mit Bordüren, Spitzen und Schleifche­n ausgelegt, dass es eine heimelig-unheimlich­e Freude hat.

Lampen sind längst als besondere Objekte in den Wohnungen und Häusern angekommen. Katja Tönnissens überdimens­ionierte Lampenskul­ptur „Vega“spielt mit der Sonne als Lichtquell­e, Erika Hocks lebensgroß­e Lampen bilden einen transparen­ten Raum aus herabhänge­nden Fäden.

Auch Gefäße gehören zum Inventar einer Wohnung: Hoffknecht setzt seinen Kelchforme­n die Füße von Tieren wie Schwein oder Ente an und kombiniert damit auf humorvolle Speise mit Gefäß.

Dass die Basis von Andreas Fischers kinetische­r Maschine aus einem Sofa besteht, vergisst sich schnell. Sein Objekt ist ein aus Teilen einer Rudermasch­ine und einem Megaphon bestehende­s Raumgreife­ndes, aber harmloses Monster, das mit Meeresraus­chen und Kastagnett­en-Geklapper irritiert.

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FOTOS: MARKUS RICK (1), HYE-MI KIM (1), TOBIAS NINK (1), TÖNNISSEN/ WILKO AUSTERMANN (1) Katharina Maderthane­r und Kurator Wilko Austermann in den Ausstellun­gsräumen des Kunstverei­ns MMIII an der Künkelstra­ße.
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Tobias Nink, o.T.: Es war einmal ein alter Intarsiens­chrank.
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Katja Tönnissen, „Miami“: Noch eine Lampe oder schon eine Skulptur?
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Benjamin Houlihan, „Grand Thin Cupboard“: Einst ein schwerer dunkler Schrank, nun bis auf dünnstes fragiles Holz herunterge­schliffen und an die Wand gehängt.

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