Spannender Blick ins raue Mittelalter
Mittelalter zum Anfassen – das erleben Grundschüler und Kitakinder im Freilichtmuseum Grefrath. Hier öffnet am Wochenende der Mittelaltermarkt.
GREFRATH „Am besten haltet ihr es zu zweit fest, wenn ich jetzt loslasse. Das ist nämlich ganz schön schwer“, warnt Marcus Clemens. Leni und Lana, die beide direkt vor dem Ritter in seiner Arbeitsgewandung stehen, greifen zu. Noch ein kurzes Lächeln für die zwei, dann lässt er los. „Puh“. „Oh“. Die beiden Drittklässlerinnen der GGS Waldniel staunen. Das Gewicht des Kettenhemdes in ihren Händen überrascht. „Ist das wirklich so schwer?“, wollen die Klassenkameraden wissen, die allesamt auf der großen Wiese vor der Hofanlage Rasseln des Niederrheinischen Freilichtmuseums Grefrath stehen.
Diese Wiese, auf der normalerweise die beiden Kaltblüter grasen, hat sich in das Lager der Mittelaltergruppe „Habitare 1288“verwandelt. Zelt um Zelt steht auf dem Grün. Hinter den aufgeklappten Stoffbahnen der Behausungen sind Bettstätten mit Schaffellen zu sehen. Schwere Holztische und -bänke sind vor den Zelten aufgebaut. Eiserne Kochgeschirre hängen an Holzvorrichtungen, in Feuerschalen brennen Holzscheite. Kochkessel, an Dreibeinen hängend, erwärmen ihren Inhalt über den Flammen. Das Mittelalter hat im Museum Einzug gehalten.
Am Wochenende öffnet der Mittelaltermarkt seine Türen. Die ersten Lager sind bereits auf dem Gelände eingezogen und lassen das Mittelalter erleben. So kann das Freilichtmuseum
Grundschulen und Kitas ganz besondere Führungen anbieten. „Die Schulen und Kitas können sich bei uns anmelden und eine Führung buchen, bei der es durch die bereits aufgebauten Lager geht und wir an eigenen Stationen Flachsverarbeitung, das Spinnen und Weben präsentieren“, informiert Museumsleiterin Anke Petrat. Ein Angebot, das sich seit Jahren großer Beliebtheit erfreut.
Im Lager der Habitare 1288 geht es spannend weiter. Leart darf eine
Kettenhaube anprobieren. Die Kinder erfahren, was es mit der Helmzier und dem Wappenrock auf sich hat. Die Grundschüler lernen, warum es Pfeilen nicht möglich war, die aus Tausenden von einzelnen platten Ringen bestehenden Kettenhemden zu durchdringen. Groß ist das Staunen, dass die bunten Farben, die es schon im Mittelalter gab, allesamt aus natürlichen Rohstoffen gefärbt wurden. Einmal auf dem Thron von Contessa Ursula sitzen, selbst einmal ein Schwert in die
Hand nehmen – ein Höhepunkt jagt den nächsten.
Die Begeisterung kennt keine Grenzen mehr, als Graf Peter von Laufenbach aus dem Lager der Freien Ritter zu Monschau seinen Jagdgefährten an die Leine nimmt und herausführt. Der Irische Wolfshund „Sir Faholan“ist aber nicht nur ein majestätischer Anblick, er darf auch gestreichelt werden. „Die Irischen Wolfshunde sind Sichtjäger und wurden früher zur Jagd genutzt“, informiert der Graf. Flauschig und
lieb, lautet das Urteil von Lya, die einen solch großen Hund, dessen Kopf sich auf ihrer Gesichtshöhe befindet, noch nie gesehen hat.
Immer wieder unbegreiflich ist es den Kindern, dass es keinen Strom und damit auch kein Licht gibt. „Unser Licht sind die Kerzen“, sagt Gräfin Inge von Laufenbach.
Spielmannsmusik wird vor dem Lager laut. „Damit ihr euch nicht fürchtet müsst auf den wilden Straßen, begleiten euch die Spielleut“, begrüßt die Schellenfrau der Spielmannsgruppe „Firlefanz“die nächste Schülergruppe, die gerade das
Museumsgelände betreten hat, um ihren Rundgang anzutreten. Doch so schnell nun auch wieder nicht:. „Erst der Herzog Johann von Brabant, dann die Musik und dann ihr“, gibt die Musikerin die richtige Reihenfolge vor. Zwischen den musikalischen Einlagen auf dem Weg zum ersten Lager erfahren die Grundschüler, dass die Spielmannsleute einst nicht nur für Musik sorgten, sondern dass sie auch dafür zuständig waren, Neuigkeiten zu verbreiten. Sie zogen von Dorf zu Dorf und trugen die Nachrichten weiter. Bezahlt wurden sie zumeist in Naturalien.
Ob die Flachsverarbeitung, die Doris Fischer vorstellt, Brigitte Caspers, die in die Geheimnisse des Spinnens einweiht, oder Silke Heks, die in der Miertzkate am Webstuhl sitzt und erklärt, was es mit den Schiffchen auf sich hat – Geschichte zum Anfassen begeistert auf der ganzen Linie.
Wer ebenfalls in eine andere Zeitepoche eintauchen möchte, der erhält am Wochenende die Gelegenheit dazu. Dann ist der komplette Mittelaltermarkt aufgebaut. Zu den Lagern mit den Rittern und Edelleuten kommen Gaukler, Handwerker und die unterschiedlichsten Marktbeschicker. Ein jeder kann sein Glück beim Mäuseroulette probieren und sich beim Anblick von Ede, dem Bettler, gruseln. Die Tavernen locken zudem mit Köstlichkeiten aus dem Mittelalter.