Rheinische Post Viersen

Proteste bescheren Parteien Zulauf

Tausende Menschen haben auch im Kreis Viersen gegen Rechtsextr­emismus und für die Demokratie demonstrie­rt. Dabei bleibt es nicht: Die etablierte­n Parteien registrier­en derzeit mehr Menschen, die sich politisch engagieren wollen.

- VON BIRGITTA RONGE

In den vergangene­n Wochen sind im Kreis Viersen Tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Rechtsextr­emismus und für die Demokratie zu demonstrie­ren. In Kempen versammelt­en sich rund 2000 Menschen, in Viersen waren es rund 3000. Auf Plakaten taten sie deutlich ihre Meinung kund. „In unserem Geschichts­buch ist kein Platz für Wiederholu­ng“, war etwa auf einem Plakat in Viersen zu lesen, „Sei kein Nazi“in Kempen. Und immer wieder: „Nie wieder ist jetzt.“

Demonstrat­ionen gab es in den vergangene­n Wochen in vielen Städten in Deutschlan­d, nachdem bekannt geworden war, dass es im November in Potsdam ein Treffen von AfD-Mitglieder­n und Rechtsextr­emen gegeben hatte, bei denen es um die sogenannte Remigratio­n ging, also das Abschieben von Menschen mit Migrations­hintergrun­d.

Für viele Menschen bleibt es dabei offenbar nicht bei der Teilnahme an einer Demonstrat­ion. Die etablierte­n Parteien im Kreis Viersen registrier­en seither mehr Interesse an ihrer Arbeit und dürfen bei ihren Sitzungen immer wieder Menschen begrüßen, die sich für ein politische­s Engagement interessie­ren.

„Ich habe den Eindruck, dass sich die Menschen stärker politisch betätigen wollen, auch im Kreis Viersen“, sagt Udo Schiefner, Bundestags­abgeordnet­er aus dem Kreis Viersen und Vorsitzend­er des SPD-Kreisverba­nds. Von mehr Interesse berichtet auch Stephan Seidel, Geschäftsf­ührer der CDU im Kreis Viersen: „Wir spüren schon einen Zuwachs an Mitglieder­n. Wir werden nicht überflutet, aber es ist ein überdurchs­chnittlich­er Zuwachs.“

Auch die Grünen im Kreis Viersen verzeichne­ten Eintritte neuer Mitglieder, „ganz offensicht­lich ist das Interesse da, aktiv zu werden“, stellt Michaela Baldus, Vorsitzend­e des Kreisverba­nds der Grünen, fest, „wir freuen uns.“Ebenso geht es der FDP im Kreis Viersen: „Wir hatten in den letzten Wochen mehrere Eintritte, ich würde sagen, das ist ein

leichter Zuwachs“, berichtet Vorsitzend­er Felix Grams und fügt hinzu: „Ich glaube, dass die Demonstrat­ionen viele Menschen politisier­en. Sie schärfen die Wahrnehmun­g für die Bedeutung der Demokratie.“

Wer eine politische Heimat sucht, kann bei den Parteien durchaus „zum Schnuppern“vorbeikomm­en. Die Ortsverbän­de in den Städten und Gemeinden bieten häufig Bürgerspre­chstunden, öffentlich­e Sitzungen und Veranstalt­ungen an, „da hatten wir zuletzt drei Gäste an einem Tag in Kempen“, berichtet etwa Michaela Baldus: „Man kann zuhören, Fragen stellen. Man muss nicht sofort Mitglied werden.“Auch die FDP lade immer öffentlich ein, sagt Grams, „viele schreiben uns auch direkt an, wenn sie eine Frage haben.“Möglichkei­ten zum Austausch gebe es auch bei Stammtisch­en, Onlineund Hybridvera­nstaltunge­n.

Die meisten Menschen hätten schon ein Gefühl dafür, welche Partei ihnen am meisten zusage, glaubt Seidel, „natürlich kommt es

auf die politische Schnittmen­ge an, aber auch auf die Art und Weise, wie eine Partei Politik macht.“Die CDU sei „eine große Umarmung, um viele Menschen mitzunehme­n“.

Die Parteien müssten den Bürgerinne­n und Bürgern die Möglichkei­t geben, sie kennenzule­rnen und mitzuwirke­n, sagt Schiefner, „und man muss mit den Menschen reden, damit sie nicht das Gefühl haben, die Politiker machten ihr eigenes Ding und hörten nicht auf das, was die Menschen sagen. Natürlich gibt es Ausnahmen, Politiker, die etwas abgehoben sind. Aber die meisten

haben ein offenes Ohr.“Er werbe grundsätzl­ich dafür, dass sich Menschen aus allen gesellscha­ftlichen Schichten für eine demokratis­che Partei entschiede­n, fügt Schiefner an, „und da ist die SPD mit ihren Werten gerade jetzt sicherlich die erste Wahl.“

Nun warten nicht alle Parteien darauf, dass Bürgerinne­n und Bürger von allein den Weg zum Ortsverban­d finden. Auch Werbung ist ein Thema. Nachdem die CDU in Nordrhein-Westfalen ihre Mitglieder-Werbekampa­gne angestoßen hat, wolle man im Frühjahr auch im Kreis Viersen aktiv vor Ort Mitglieder werben, berichtet Seidel. Die Vorbereitu­ngen liefen aber schon länger, „die Planungen haben im Herbst begonnen, als es noch keine Demonstrat­ionen gab“. Die Grünen in NRW etwa werben in den sozialen Netzwerken für eine Mitgliedsc­haft. „Aber wir sprechen Menschen nicht darauf an, sagen, ihr müsst jetzt Mitglied werden“, sagt Baldus, „wir überzeugen lieber durch Gespräche und Sachpoliti­k.“Eins stehe für die Kreis-Grünen aber schon fest: „Wir werden auf jeden Fall dazu aufrufen, wählen zu gehen. Und wir werden auch unsere Freude ausdrücken über die vielen Menschen, die auf die Straße gehen.“

Demonstrat­ionen richteten sich oft gegen etwas, sagt Grams, „ich wünsche mir, dass daraus eine Botschaft für die Demokratie wird, für das Ringen um die beste Lösung.“Bürgerinne­n und Bürger erwarteten von den Parteien, dass diese Probleme angingen, und das sei auch Aufgabe der Parteien. Grams: „Die Menschen haben Lust auf Demokratie, auf inhaltlich­e Auseinande­rsetzung. Als demokratis­che Parteien müssen wir das mitnehmen und klarmachen, wofür wir stehen.“

„Es ist ein überdurchs­chnittlich­er Mitglieder­Zuwachs“Stephan Seidel CDU-Kreisgesch­äftsführer

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FOTO: RÖSE Rund 3000 Menschen demonstrie­rten am 2. Februar in Viersen auf dem Sparkassen­vorplatz für Demokratie.

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