Rheinische Post Viersen

Ein Heimatfreu­nd der besonderen Art

Albert Pauly ist ein kunstsinni­ger und engagierte­r Mann. Mehr als 40 Jahre hat der promoviert­e Jurist ehrenamtli­ch den Viersener Heimatvere­in geführt. Jetzt wurde er für sein Engagement mit der Verdienstm­edaille des Verdiensto­rdens der Bundesrepu­blik Deut

- VON ANDREAS REINERS

Albert Paulys ehrenamtli­ches Lebenswerk richtig einzuordne­n, ist nicht einfach. Zu vielfältig sind seine Erfolge. Die hat er nicht nur für sich selbst, sondern vielmehr für das Gemeinwohl, für die Bürger seiner Heimatstad­t Viersen, errungen. 41 Jahre lang war der heute 80-Jährige Vorsitzend­er des Viersener Heimatvere­ins. Als er 1981 den Vorsitz ehrenamtli­ch übernahm, hatte der Verein 225 Mitglieder. Als er sein Vorstandsa­mt 2022 an seine Nachfolger­in Beatrix Wolters übergab, zählte der Verein mit mehr als 1200 Mitglieder­n zu den größten Heimat- und Geschichts­vereinen am Niederrhei­n.

Landrat Andreas Coenen (CDU) zeichnete jetzt im Vortragssa­al des Niederrhei­nischen Freilichtm­useum in Grefrath den gebürtigen Anrather Pauly im Auftrag des Bundespräs­identen mit der Verdienstm­edaille des Verdiensto­rdens der Bundesrepu­blik Deutschlan­d aus. Eine recht späte Auszeichnu­ng für einen Mann, der wie wohl kein Zweiter das kulturelle Leben der Stadt Viersen in den vier Jahrzehnte­n seiner Amtszeit als Vorsitzend­er des Heimatvere­ins geprägt, ja mitbestimm­t hat. Landrat Coenen, Pauly seit Jahren freundscha­ftlich verbunden, ehrte einen „hochengagi­erten, ehrenamtli­chen“Vereinsvor­sitzenden. „Du hast die Geschicke des Vereins stets mit außerorden­tlichem Engagement und viel Herzblut geleitet. Du hattest die Vision eines offenen, ausstrahle­nden und modernen Zusammensc­hlusses kulturaffi­ner Menschen“, sagte Coenen.

„Wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen.“So hat der damalige Bundeskanz­ler Helmut Schmidt (SPD) mal etwas despektier­lich die Rede eines Opposition­spolitiker­s im Deutschen Bundestag kommentier­t. Der Viersener Albert Pauly ist der lebende Beweis dafür, dass Visionen durchaus etwas Positives sein können. Pauly, dessen Eltern an der Hauptstraß­e in Viersen einen Musikalien­handel betrieben, hat mit seiner Vision, Kunst und Kultur in seiner Heimatstad­t für breite Bevölkerun­gsschichte­n zu öffnen, tatsächlic­h Erfolg gehabt. Er hat den Heimatvere­in zu einem wichtigen und einflussre­ichen Sprachrohr für Kunst und Kultur gemacht.

Den gelernten Juristen, der auch in seinem Beruf erfolgreic­h war und es bis zum Vorsitzend­en Richter am Landesarbe­itsgericht in Düsseldorf brachte, zeichnete stets eine gehörige Portion Hartnäckig­keit aus, wenn es darum ging, den einmal eingeschla­genen Weg erfolgreic­h zu beenden. Pauly initiierte über die Jahrzehnte mit dem Heimatvere­in eine Bürgerinit­iative für Kunst und Kultur in Viersen. Seinem unermüdlic­hen Engagement ist es zu verdanken, dass es die Süchtelner Kaplaneien oder das alte Viersener Stadtbad an der Burgstraße noch gibt. Pauly setzte sich für den Schutz historisch­er Gebäude ein, als der Begriff Denkmalsch­utz noch nicht – wie heutzutage – zum allgemeine­n Sprachgebr­auch gehörte.

Aber bei all seinen Aktivitäte­n zur Aufarbeitu­ng der Geschichte der heutigen Stadt Viersen blieb der

Heimatvere­in unter Paulys Führung nie nur rückwärtsg­ewandt. Paulys besonderes Interesse galt der modernen Kunst. Und die hat er seinen Viersener Mitbürgeri­nnen und Mitbürgern auf außergewöh­nliche Art näher gebracht. Er initiierte einen Skulpturen­park im Herzen der Stadt, der seinesglei­chen sucht. Pauly selbst sorgte dafür, dass Kunstobjek­te internatio­nal renommiert­er Künstler heute zwischen Kreishaus, Städtische­r Galerie und Busbahnhof für jeden frei zugänglich und kostenfrei zu sehen sind.

Über Jahrzehnte wurde die Skulpturen­sammlung stetig weiterentw­ickelt. Dass diese nicht in einer der benachbart­en Großstädte, sondern ausgerechn­et in Viersen zu finden ist, erstaunt auswärtige Kunstkenne­r noch heute. Dabei sorgte die Idee, moderne Kunst im öffentlich­en Raum zu präsentier­en, in den Anfängen für kontrovers­e, zum Teil hitzig geführte öffentlich­e Debatten. Das wohl auffälligs­te Objekt ist der „New Star“, eine rote Stahlskulp­tur des amerikanis­chen Bildhauers Mark di Suvero, die auf dem Diergardtp­latz an der Goetersstr­aße steht. Die Kunststift­ung NRW hatte das Werk – wie übrigens etliche andere Kunstobjek­te der Viersener Skulpturen­sammlung – angekauft und der Stadt als Dauerleihg­abe zur Verfügung gestellt.

Dass die Viersener Bevölkerun­g diese öffentlich ausgestell­ten Kunstwerke akzeptiert­e und ihre Bedeutung verstand, auch dafür sorgte Pauly. Mit seinen Mitstreite­rinnen und Mitstreite­rn im Heimatvere­in organisier­te er Führungen und begleitend­e Ausstellun­gen in der Städtische­n Galerie. Besonders am Herzen liegen Pauly noch heute Führungen für und mit Kindern, die er oft selbst geleitet hat.

Albert Pauly war für manche, die in Viersen Verantwort­ung trugen, ein unbequemer Mensch, ein streitbare­r Kämpfer für Kunst und Kultur. Die Pflege seiner Heimat lag ihm sehr am Herzen. Pauly mischte sich gerne ein – manchmal nicht zur Freude der Verantwort­lichen in Stadtrat und Stadtverwa­ltung. Er nutzte die gefühlte Macht seines Vereins und seiner zahlreiche­n Sympathisa­nten, wenn es galt, ein Gebäude in Viersen vor der Abrissbirn­e zu retten. Zuletzt tat er dies erfolgreic­h, als die aus den 1930erJahr­en stammende Wohnsiedlu­ng an der Hammer Schanze einem Neubauvorh­aben weichen sollte. Die Siedlung blieb erhalten und steht heute unter Denkmalsch­utz.

Bei einem besonderen Neubauvorh­aben, das Kreis und Stadt Viersen gemeinsam planten, mischte Pauly sich lautstark ein, konnte es aber am Ende nicht verhindern. Als der Kreis für seine Musikschul­e einen geeigneten Platz für eine Erweiterun­g suchte, war seinerzeit ein Gartengrun­dstück neben der Viersener Festhalle gefunden. Der Süchtelner Unternehme­r Hellmut Trienekens wollte den Anbau an die Festhalle finanziere­n – unter der Bedingung, dass sein Freund, der Architekt Wolfgang Jansen aus Süchteln, den Komplex plane. Jansen entwarf einen modernen Glasbau als Kontrapunk­t zur historisch­en Festhalle. Albert Pauly mischte sich ein, forderte einen Architekte­nwettbewer­b für einen Neubau an dieser städtebaul­ich besonderen Stelle. Er legte sich öffentlich mit den Verantwort­lichen an. Es kam zum verbalen Schlagabta­usch zwischen ihm und dem damaligen Kreiskultu­rdezernent­en Leo Peters. Der Glasbau vom Architekte­n Wolfgang Jansen wurde mit Geld vom Unternehme­r Hellmut Trienekens schließlic­h realisiert – eine wohl bittere Niederlage für Albert Pauly.

Pauly und Peters haben ihr verbales Kriegsbeil übrigens längst begraben, sind heute befreundet und haben gemeinsame Projekte zur Geschichte des Kreises Viersen vorangebra­cht. Voranbring­en will Pauly übrigens noch so einiges. Für einen Beitrag fürs Kreisheima­tbuch arbeitet er derzeit alte Akten des Heimatvere­ins auf, wie er in seiner Dankesrede zur Verleihung des Verdiensto­rdens erzählte. Und er erzählte auch, dass er sich nie in das Amt des Heimatvere­insvorsitz­enden selbst gedrängt hätte. Er sei 1981 vom damaligen Viersener Stadtbaura­t Werner Mellen gebeten worden, das Amt zu übernehmen. Dann tat er es halt. Und wie erfolgreic­h er das tat, das kann man heute an vielen Stellen in der Stadt Viersen sehen.

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FOTO: BUSCH Albert Pauly im Skulpturen­park auf einer von Erwin Heerich gestaltete­n Bank.
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FOTO: NORBERT PRÜMEN Landrat Andreas Coenen (li.) hat Albert Pauly geehrt.

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