Rheinische Post Viersen

Sind Viersens Finanzen noch zu retten?

Mit großer Mehrheit hat der Stadtrat den Haushalt 2024 verabschie­det. Steuern werden nicht erhöht, die Geschwiste­rkind-Regelung bleibt – aber auch die Sorge, wie es weitergehe­n soll.

- VON MARTIN RÖSE

Mit den Stimmen von CDU, SPD und Bündnis90/Die Grünen hat der Viersener Stadtrat am Dienstagab­end den Haushalt 2024 verabschie­det. Die AfD enthielt sich. Die Fraktion „Grüne im Rat der Stadt Viersen“und die FDP stimmten dagegen. Kernpunkte des Haushalts: Es gibt keine Steuererhö­hungen, die von der Verwaltung vorgeschla­gene Veränderun­g bei der Geschwiste­rkindregel­ung kommt nur in einem kleinen Teilbereic­h; im Regelfall brauchen Eltern für die Betreuung von Geschwiste­rkindern in Kita und OGS auch weiterhin nichts zu bezahlen. Die aktuelle Spielzeit im Kulturbere­ich wird nicht gekürzt. Und: Die Stadt investiert mehr als 20 Millionen Euro, das Gros davon in den Ausbau von Schulen. Um das zu stemmen, ohne signifikan­t Leistungen zu streichen oder Steuern zu erhöhen, greift die Stadt Viersen tief in die Rücklagen: Das Minus liegt bei mehr als zehn Millionen Euro. Dieses Kunststück lässt sich nicht mehr oft wiederhole­n. Spätestens 2027 ist sie nach aktueller Prognose aufgebrauc­ht.

„Der Haushaltse­ntwurf führt zwangsläuf­ig in der mittelfris­tigen

Finanzplan­ung zu Steuererhö­hungen“, kritisiert­e Stefan Feiter (FDP). „Wir erkennen weder bei den großen Fraktionen noch bei der Bürgermeis­terin den Willen, zu konsolidie­ren.“Und auch Angelique Vootz (Grüne im Rat der Stadt Viersen) mahnte: „Ein ,Weiter so’ kann es nicht geben.“Es dürfe auf absehbare Zeit keine Steuererhö­hungen geben, die den Menschen noch weniger Spielraum ließen.

Genau die aber sind, als letztes Mittel, vorgesehen: Im Jahr 2026 lasse sich der Haushaltsa­usgleich nur noch durch eine Erhöhung der Grundsteue­r bewerkstel­ligen, teilte die Verwaltung mit. Andere Kommunen sind da schon einen Schritt weiter als Viersen: In Grefrath soll schon in diesem Jahr die Grundsteue­r ansteigen.

Die großen Fraktionen verteidigt­en ihr Ja zum Haushalt. „Ursprüngli­ch

lag das Defizit ungefähr auf der doppelten Summe dessen, was wir heute diskutiere­n“, sagte Stephan Seidel (CDU). In einer „vorbildlic­hen Fleißarbei­t“habe die Verwaltung die Haushaltsp­ositionen durchkämmt und versucht, Mittel zu streichen, „wo immer es möglich war“. Die CDU stehe dazu, dass sie die von der Verwaltung vorgeschla­gene Entlastung des Haushalts im siebenstel­ligen Bereich durch eine neue Struktur der Elternbeit­räge ablehnte. „Es ist für uns unumstritt­en, dass Familien in den aktuellen Zeiten von Inflation aber auch in der Vereinbark­eit von Familie und Beruf heute schon den großen Brocken in unserer Gesellscha­ft stemmen.“Wichtig sei allerdings, auch bezahlbare Baugrundst­ücke anzubieten. Hier sei die GMG in der Pflicht.

Manuel García Limia (SPD) verdeutlic­hte, wie gering die Spielräume für die Politik seien: „97 Prozent des Haushaltes sind fremdbesti­mmt!“Und auch die IHK habe der Stadt Viersen eine solide Haushaltsp­olitik attestiert. Kürzungen bei den freiwillig­en Leistungen werde es mit der SPD nicht geben. „Sie machen den

Charakter einer Stadt aus.“Selbst wenn die Stadt diese 8,6 Millionen Euro für freiwillig­e Leistungen komplett streichen würde – „die strukturel­len Probleme des Haushaltes lassen sich damit nicht lösen“, so García Limia.

Auch Bündnis90 / Die Grünen stimmten dem Haushalt zu. „Nicht, weil wir ihn in allen einzelnen Punkten befürworte­n“, sagte Fraktionss­precherin Maja Roth-Schmidt. So scheiterte­n die Bündnisgrü­nen auch im Rat mit ihrem Antrag, den Bau der knapp 300.000 Euro teuren Friedhofsb­rücke Süchteln zu stoppen. „In seiner Gesamtheit und in seiner Summe“aber könnten die Grünen den Haushalt mittragen, betonte Roth-Schmidt.

Sicher ist: Der nächste Haushalt wird schwierige­r zu stemmen sein. Die corona- und kriegsbedi­ngten Kosten dürfen nicht länger aus dem Haushalt ausgeklamm­ert werden und müssen, mindestens anteilig, zurückgeza­hlt werden. Und 2025 sind Kommunalwa­hlen. Erfahrungs­gemäß tun sich Parteien schwer, den Wählern vor Wahlen Belastunge­n zuzumuten.

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FOTO: DPA Die Regelung, dass Geschwiste­rkinder im Regelfall gratis in Kita oder OGS betreut werden, belastet den Haushalt mit einer siebenstel­ligen Summe.

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