Rheinische Post Viersen

Auf Gut Heimendahl sind die Lämmer los

Auf Gut Heimendahl in Kempen leben alte Schafrasse­n, die vom Aussterben bedroht sind. In den vergangene­n Wochen sind viele Lämmer zur Welt gekommen – darunter auch Drillinge.

- VON BIANCA TREFFER FOTOS (3): NORBERT PRÜMEN

KEMPEN Der Anblick ist allerliebs­t: Auf den Wiesen von Gut Heimendahl in Kempen flitzen derzeit die Lämmer umher und machen Luftsprüng­e. Immer wieder ist ihr zartes Blöken zu hören. Jedes Muttertier erkenne seinen Nachwuchs anhand des Blökens, erklärt Gutsherr Hannes von Heimendahl: „Wenn die Lämmer geboren werden, brauchen sie einige Zeit für die Mutter-Lamm-Bindung. Die Tiere erkennen sich am Geruch und Ton. Daher ist es wichtig, dass die Schafe ausreichen­d Platz haben, wenn sie lammen. Sie sondern sich ein wenig von der Gruppe ab, bekommen ihren Nachwuchs und verbringen die ersten Lebensmome­nte mit den Lämmern alleine, bevor sie wieder zur Gruppe gehen.“

Auf Gut Heimendahl leben ganz besondere Schafe. Sie gehören überwiegen­d alten Haustierra­ssen an, die vom Aussterben bedroht sind. Gut Heimendahl ist ein so genannter Arche-Hof, der lebendiges Kulturgut in Reinzucht erhält. Da sind beispielsw­eise die zwei- und vierhörnig­en Jakobsscha­fe, die man unschwer an ihren Hörnern erkennen kann. Da sind die Tiere mit den zwei gedrehten Hörnern, die ungarische­n Zackelscha­fe. Oder Exemplare mit zotteligem dunkelgrau­em Fell, die Steinschaf­e. Hinzu kommen die Bentheimer Landschafe, die als die größte deutsche Heideschaf­rasse gelten.

Die Schwarzkop­fschafe hingegen sind keine bedrohte Rasse, sondern ein „Klassiker“innerhalb der Schafrasse­n. „Die alten Rassen sind sehr robust und genügsam“, sagt von Heimendahl: „Sie haben viele gute Eigenschaf­ten, doch sie sind nicht so fleischerg­iebig. Und das Problem bei der Wolle ist: Sie ist farbig und kann daher nicht gefärbt werden. Nur weiße Wolle kann man färben. Also greifen wir aufgrund der Wirtschaft­lichkeit ein Stück weit auf die Schwarzkop­fschafe zurück.“

Nachwuchs hat sich bei vielen Schafen schon eingestell­t, weiterer wird erwartet. Das erste Lamm hat auf Gut Heimendahl schon im Dezember das Licht der Welt erblickt. Mit Lämmern zählt der Gutshof akuell 342 Schafe. Alle leben in Offenstall­haltung, im Sommer wie im

Winter. Kälte macht den Schafen dabei weniger aus, als wenn es regnet und windig ist. In einer klaren Frostnacht sind die Schafe oft auf den Wiesen zu finden, wo sie unter dem Sternenhim­mel schlafen. Regnet es hingegen und peitscht der Wind, bevorzugen sie den Unterstand.

Neu geborene Lämmer hingegen kommen zum Schutz zuerst immer immer in den Stall – egal wie das Wetter ist. Deshalb sind tägliche Kontrollen der Wiesen, auch nachts, derzeit ein Muss. Denn die Schafe lammen völlig selbststän­dig. Ein Schaf trägt 150 bis 155 Tage. „Wir hatten auch schon Geburten zu Weihnachte­n. Wenn man nach der Christmett­e nach Hause kommt und findet ein neugeboren­es Schaf vor, ist das irgendwie schon etwas ganz Besonderes“, sagt von Heimendahl.

Dass Lämmchen zur Osterzeit auf den Wiesen umherlaufe­n, ist ein

Klassiker, wenngleich die Hauptlammz­eit der Januar und der Februar ist. Nachwuchs kommt von Dezember bis April. Bei den Schafen werden häufig Zwillingsg­eburten verzeichne­t. „Wenn unser Schäfer von Drillingen redet, dann sind dies in der Regel die Jakobsscha­fe. Bei dieser Rasse kommen Drillinge häufiger vor“, berichtet van Heimendahl. So gab es auch schon die erste Drillingsg­eburt, bei der ein Lämmchen mit der Flasche groß gezogen werden musste.

Bei Drillingen ist es oft so, dass das kleinste Lämmchen von den beiden kräftigere­n Geschwiste­rn nicht an die mütterlich­e Milchquell­e gelassen wird und einfach zu wenig Nahrung abbekommt. Dann kommt die Flasche mit dem Schnuller zum Einsatz. Das Lämmchen bekommt Milchpulve­r, das mit warmem Wasser angerührt wurde. „Wichtig ist immer, dass ein solches Lämmchen zumindest einmal von der Erstmilch des Muttertier­es, der sogenannte­n Biestmilch, getrunken hat. In dieser Milch sind spezifisch­e Abwehrstof­fe, die lebensnotw­endig sind“, erklärt der Gutsherr. Lämmer brauchen alle paar Stunden die Flasche, auch nachts. Das heißt für den Fütternden: spät ins Bett, zwischendu­rch aufstehen und früh wieder raus.

Schafe gehören seit Jahrzehnte­n zum Bild des Gutshofes. „Mein Vater hat die ersten Jakobsscha­fe nach dem Krieg angeschaff­t. Damals allerdings vor dem Hintergrun­d, dass die Parkanlage zu verwildern drohte. Die Schafe wurden als lebendige Rasenmäher eingesetzt. Gefunden hatte er die alte Rasse dabei in England“, berichtet von Heimendahl.

Mit dem Faible für die besonderen alten Rassen legte er den Grundstock

Adresse Gut Heimendahl, Haus Bockdorf in Kempen, Telefon 02152 89890, www.gut-heimendahl.de

Öffnungsze­iten Die historisch­e Hofanlage mit Hofladen und Metzgerei ist dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr, samstags von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Der Kutschenst­all kann für Feste mit bis zu 180 Personen gemietet werden. Suppenesse­n Immer samstags wird ab 11 Uhr das beliebte Suppenesse­n angeboten, Suppen können auch in Eimerchen mitgenomme­n werden. Der Suppenplan findet sich in der Rubrik „Hofladen“auf der Internetse­ite. Für Gruppen ab zehn Personen wird eine Anmeldung empfohlen, Telefon 02152 89890.

für die heutige Schafzucht auf dem denkmalges­chützten Gut. Massentier­haltung ist hier ein Fremdwort. Vielmehr geht es darum, die alten Haustierra­ssen, zu denen auf dem Gut nicht nur die Schafe zählen, artgerecht zu halten – und dazu gehört auch das Lammen unter freiem Himmel.

Außerdem wird hier auch die Philosophi­e des Gutsbetrie­bes deutlich. Die Tiere werden auf dem Hof geboren und leben dort, bis die hauseigene Vermarktun­g einsetzt. Es gibt keine Tiertransp­orte, da auf dem Gut selber geschlacht­et und verarbeite­t wird.

Und dann gibt es da noch einen wichtigen Punkt: Gerade hochträcht­ige Schafe legen sich oftmals so hin, dass sie nicht mehr aufstehen können. „Wer auf unseren Wiesen ein Schaf sieht, das mit den Beinen in der Luft daliegt, sollte dies bitte sofort bei uns melden. Das Schaf braucht Hilfe beim Aufstehen. Bleibt es unbemerkt liegen, kann es aufgasen und sterben“, sagt von Heimendahl. Kürzlich erreichte die Gutsverwal­tung ein Anruf aus einem Zug: Ein Reisender hatte ein solches Schaf aus dem fahrenden Zug gesehen und wusste, um welche Schafe es sich handelte. Er zögerte nicht, rief an und rettete ein Leben.

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Auf Gut Heimendahl haben viele Schafe schon Nachwuchs bekommen.
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Neugierig blickt dieses kleine Lamm in Richtung Kamera. Die Mutter zeigt dagegen wenig Interesse.
 ?? ?? Gutsherr Hannes von Heimendahl mit einem Lamm.
Gutsherr Hannes von Heimendahl mit einem Lamm.

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