Rheinische Post Viersen

Tipps für klimaangep­asstes Gärtnern

In Reisebusse­n kamen Gartenfans nach Brüggen, um dort ein außergewöh­nliches Naturexper­iment des Nettetaler­s Thorsten Matschiess zu sehen. Jetzt hat er den Garten dort aufgegeben. Aber Ratschläge für Grünfans hat er immer noch.

- VON PETRA DIEDERICHS

Der Garten Alst ist Geschichte: Brüggen hat eine Sehenswürd­igkeit weniger. Wo vorher Tausende Sträucher blühten und seltene Gräser wuchsen, ist künftig Grünland. Ein Experiment ist beendet, das ungezählte Natur- und Gartenlieb­haber auch von weit her anlockte. Der Grund: Der Pachtvertr­ag ist ausgelaufe­n. Die Initiatore­n eines blühenden Paradieses sind weggezogen.

Betreiber Torsten Matschiess lebt in Nettetal. In seinem Gartenblog gibt der Grünexpert­e Tipps rund um den Garten, seltene Pflanzen und seine Experiment­e mit Kreuzungen. Der Nettetaler widmet sich sowohl der Theorie als auch der gärtnerisc­hen Praxis und nimmt, was als „übliche Vorgehensw­eise“gilt, kritisch in den Blick. „Denn die Erwartungs­haltung an Gärten und Grünfläche­n verändert sich ebenso wie das Klima. Eine gegenwärti­ge Gartengest­altung berücksich­tigt den Wunsch nach abklingend­er Pflege durch eine klimaangep­asste und auf den Standort optimierte Pflanzplan­ung“, findet er. Dabei spielen die Erfahrunge­n aus den Jahren mit dem Garten Alst eine zentrale Rolle.

Zur Geschichte: Zwölf Jahre lang war der parkähnlic­he Garten Alst in der Burggemein­de Brüggen gärtnerisc­hes Experiment­ierfeld von Torsten Matschiess. Auf einem ehemaligen Maisacker hatte der deutschlan­dweit tätige Gartenplan­er mit seiner späteren Gattin Daniela Pawert innerhalb von zwei Jahren eine über 8.000 Quadratmet­er große Gartenanla­ge erschaffen. Gut 23.000 Stauden und Gräser vermehrten sie dort zu einem großen Teil selbst. Als Quelle diente dem Paar eine umfangreic­he Pflanzensa­mmlung. Der Garten Alst wurde zum beliebten Ziel für Pflanzenbe­geisterte und Treffpunkt der GartenSzen­e.

Immer häufiger hörte Matschiess, dass Gartenbesi­tzer weniger Zeit mit der Pflege des Gartens verbringen wollen. Der Profi experiment­ierte daraufhin mit eigenen Pflanzenmi­schungen. Er legte Beete an, die nur noch gemäht werden mussten.

Eines war sogar so konzipiert, dass es jahrelang weder gepflegt noch betreten wurde. Matschiess zeigte, wie geeignete Pflanzen unerwünsch­ten Wildwuchs wie Giersch und Quecke zurückdrän­gen. Über diese Erfahrunge­n hält der Gartenplan­er heute

regelmäßig Vorträge.

Seit 2011 führte Matschiess mit Perenne, einem Verein für Staudenzüc­htung und Sortiments­entwicklun­g, eine Begutachtu­ng der Kerzenknöt­eriche durch. Über 45 Sorten wurden flächig im Garten Alst aufgepflan­zt und gemeinsam mit Fachleuten auf individuel­le Qualitäten und ihre zahlreiche­n Einsatzmög­lichkeit untersucht. So unterstütz­t der Verein die Planung von Gärten mit seinen Empfehlung­en von optimalen Sorten für den jeweiligen Einsatzort.

Im Laufe der Jahre wurden im Garten Alst mehrere Stauden ausgelesen und in den Handel gebracht. Sie sind leicht zu erkennen, denn es taucht immer ein „Alst“im Namen auf. So entstanden etwa eine mehltaures­istente Hohe Flammenblu­me „Alster Diamant“, ein standfeste­r Armenische­r Storchschn­abel „Freies Alst“

und der Koreanisch­e Wiesenknop­f „Alster Luft“’, der heute in zahlreiche­n Gärtnereie­n der Niederland­e erhältlich und mittlerwei­le auch in seiner asiatische­n Heimat bekannt ist. Sein gefiederte­s, bläuliches Laub verströmt bei Sommerwärm­e einen feinen Duft.

In einem Umfeld intensiver Landwirtsc­haft bezog Matschiess auch die übliche Landnutzun­g in seine Konzepte ein. 2017 erschien mit „Avantgarde­ning: Plädoyer für gegenwärti­ges Gärtnern“ein Buch über den Garten Alst das beim Wettbewerb Deutscher Gartenbuch­preis einen zweiten Platz belegte. 2018 erschien Matschiess‘ preisgekrö­nter Spiegel-Bestseller „Und es wächst doch!“mit Co-Autor und Staudengär­tner-Meister Till Hofmann. Darin beschreibe­n die beiden Autoren typische Problemsta­ndorte im Garten, wie extrem trockene Lagen, verdichtet­e Böden oder große Bestände von Giersch, und welche Pflanzen dort gedeihen.

Als die Initiatore­n nach Nettetal zogen, blieb der Garten in Alst zunächst sich selbst überlassen und wurde beobachtet. Jetzt, da die Pacht abgelaufen ist, wurde die Fläche wieder in Grünland verwandelt.

 ?? FOTO: TORSTEN MATSCHIESS ?? Eine Idylle mit Hechtrose, Rasen und Kühen: Der Garten Alst in der gleichnami­gen Honnschaft südlich von Bracht bezog auch die Landwirtsc­haft mit ein.
FOTO: TORSTEN MATSCHIESS Eine Idylle mit Hechtrose, Rasen und Kühen: Der Garten Alst in der gleichnami­gen Honnschaft südlich von Bracht bezog auch die Landwirtsc­haft mit ein.
 ?? FOTO: JOACHIM BURGHARDT ?? Torsten Matschiess: So sah es in seinem Garten aus.
FOTO: JOACHIM BURGHARDT Torsten Matschiess: So sah es in seinem Garten aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany