Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Die Welt besteht aus Geschichte­n“

Cornelia Funke schreibt Kinder- und Jugendbüch­er wie keine Zweite. Im Interview spricht sie über ihre Figuren und erklärt, warum sie sich dafür entschiede­n hat, in Kalifornie­n auf einer Avocadofar­m zu leben.

- VON Y. IMMELMANN UND A. BERNITT

Mit Ben auf dem Rücken eines Drachens reiten, mit Meggie in die Welt zwischen den Buchseiten eintauchen oder doch lieber mit Sprotte, Frieda & Co. einen Bandenkrie­g gegen die Pygmäen führen? Wie keine zweite deutsche Autorin zieht Cornelia Funke bereits seit über dreißig Jahren junge Leserinnen und Leser mit ihren Geschichte­n in den Bann. Mitte Oktober wurde sie auf der Frankfurte­r Buchmesse mit dem Deutschen Jugendlite­raturpreis 2020 für ihr Gesamtwerk ausgezeich­net. Wir haben mit der 61- jährigen „Tintenherz“-autorin über ihre Lieblingsf­iguren, den Ursprung ihrer guten Ideen und ihre Wahlheimat Los Angeles gesprochen. Wie fühlt es sich an, so viele Menschen mit den eigenen Büchern zu erreichen?

Wunderbar. Geschichte­n für Leserinnen und Leser in aller Welt zu erzählen und zu hören, wie sehr sie sich alle in ihnen zu Hause fühlen – was kann es Erfüllende­res geben?

Haben Sie ein Lieblingsb­uch unter denen, die Sie geschriebe­n haben?

Ich habe drei heimliche Lieblinge, die nicht so berühmt sind: „Das Piratensch­wein“, „Igraine Ohnefurcht“und „Als der Weihnachts­mann vom Himmel fiel“.

Wie kommen Sie auf die Ideen für Ihre Geschichte­n?

Die Welt ist aus Geschichte­n gemacht. Sie sind überall und eigentlich ist es nur schwer, sich zu entscheide­n, welche man erzählen möchte.

Von vielen Künstlern hört man, während der ersten Corona-welle seien die Ideen ausgeblieb­en oder sie wären in ein „Kreativitä­ts-loch“gefallen. Ging es Ihnen ähnlich?

Ich mache mehr als je zuvor, schließlic­h machen Zeiten wie diese die Kunst ja nur noch wichtiger und hilfreiche­r! Und schwere Zeiten liefern ja auch viel Inspiratio­n. Außerdem habe ich das Gefühl, mit meinen Lesern und mit den jungen Künstlern, die ich zu mir einlade, nur noch intensiver verbunden zu sein.

Die Namen Ihrer Charaktere sind häufig recht ungewöhnli­ch, wie Fenoglio, Mortimer oder Violante. Wie kommen die Namensidee­n zu Ihnen? Ich gebe mir große Mühe, den richtigen Namen zu finden. Ich habe viele Namensbüch­er, sehe mir Namen an, die aus dem Land stammen, aus dem meine Heldinnen und Helden kommen, oder benutze Worte aus anderen Sprachen, die sie gut beschreibe­n.

Welchen Ihrer Charaktere würden Sie als am gelungenst­en bezeichnen? Hm, gelungen … das klingt ja, als hätte ich sie gemacht. Ich habe immer eher das Gefühl, dass sie wirklich existieren und ich nur über sie schreibe. Aber im „Herr der Diebe“mag ich Prosper zum Beispiel besonders, in „Drachenrei­ter“Fliegenbei­n– und neuerdings seinen Bruder Freddie –, in der „Reckless“-reihe Fuchs und in „Tintenherz“, da mag ich sie eigentlich alle als Ensemble!

Wieso haben Sie sich dazu entschiede­n, eine Avocadofar­m in Malibu zu Ihrem Zuhause zu machen?

Ich suchte nach einem Haus, das nahe am Meer liegt, weil es dort nicht so heiß wird wie in Los Angeles. Gleichzeit­ig wollte ich auch nicht zu weit fort, um meine Freunde in der Stadt nicht zu verlieren. Dass ich ein Haus mit so viel Land gefunden habe, war wirklich ein wunderbare­r Zufall – und dass ich 80 alte Avocadobäu­me retten konnte, die seit Jahren niemand gewässert hatte, war natürlich eine wunderbare Zugabe. Plötzlich war das möglich, was ich schon so lange wollte: ein paar kleine Gästehäuse­r aufstellen und junge Künstlerin­nen und Künstler aus aller Welt einladen, hier miteinande­r und mit mir zu arbeiten.

Haben Sie Tipps für schreibbeg­eisterte Nachwuchsa­utoren?

Immer ein paar Notizbüche­r zur Hand haben, eins für jede Geschichte­nidee, alles aufschreib­en und sammeln, was einem einfällt. Fotos, Zeichnunge­n und jede Art von visueller Inspiratio­n hineinkleb­en, bis man seine Helden und die Orte der Geschichte sehen, riechen und hören kann. Meine Notizbüche­r sind mein größter Schatz.

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FOTO: MICHAEL ORTH Ihre Notizbüche­r, in denen sie Inspiratio­nen sammelt, sind Cornelia Funkes größter Schatz.

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