Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Niag-elektrobussse im Alltagstest
Zwei Wochen lang sind zwei E-fahrzeuge in der Region unterwegs. Das Verkehrsunternehmen will Erfahrungen im Echtbetrieb sammeln. 2021 sollen Gespräche mit der Politik über eine Umrüstung der Fahrzeugflotte folgen.
Zwei Wochen lang sind zwei E-fahrzeuge in der Region unterwegs. Das Verkehrsunternehmen will Erfahrungen im Echtbetrieb sammeln.
NIEDERRHEIN Die Niag treibt die Mobilitätswende weiter voran. Nach einem seit mehreren Jahren mehr oder minder gut laufenden Car-sharing-projekt testet sie jetzt den Einsatz von Bussen mit Elektroantrieb. Zwei Fahrzeuge werden in den nächsten zwei Wochen in der Region unterwegs sein. Ein VDL Citea SLF-120 Electric mit Platz für 95 Fahrgäste im Kreis Wesel, ein VDL Midcity Electric Kleinbus für maximal 19 Fahrgäste im Kreis Kleve, auf Linien, die bislang von Diesel-kleinbussen bedient werden.
Überlegungen zu alternativen Antrieben stellt die Niag schon länger an. Auch Biogas und Wasserstoff als Antriebsmittel seien dabei im Blick, sagte Niag-vorstand Christian Kleinenhammann am Dienstag. An die Elektro-fahrzeuge ist die Niag über Kontakte zu dem in Eindhoven ansässigen niederländischen Hersteller VDL gelangt. „Von dort beziehen wir auch Diesel-fahrzeuge.“
Für die Niag sei es wichtig, die Elektro-busse im „Echtbetrieb“zu testen, um Erkenntnisse für eine Umstellung der Fahrzeugflotte zu gewinnen. Eine besonders wichtige Frage lautet dabei: Wie groß ist die Reichweite der Busse beim Einsatz im Linienbetrieb? „Wir gehen von 250 bis 350 Kilometern aus“, sagte Kleinenhammann. „Das passt zu den Umläufen, die wir haben.“Ein Umlauf ist die Strecke, die ein Bus am Tag zurücklegt. In der Regel seien dies 300 bis 350 Kilometer.
Die verbleibende Reichweite kann der Fahrer neben etlichen anderen Informationen auf dem Computerdisplay hinterm Lenkrad ablesen – dort wo in früheren Zeiten mal der Tacho war. Den gibt es natürlich auch noch, allerdings in digitaler Form. Beim Bremsen gewinnt das System Energie zurück. Eigentlich ist so ein Fahrzeug eine Art Computer auf vier Rädern, und die Fahrer werden entsprechend geschult. „Es macht Spaß, damit zu fahren“, sagte Niag-verkehrsplaner Gerhard Kieven. „Die Fahrzeuge sind deutlich besser im Anzug.“Und die Anzeigen weckten den Ehrgeiz, Energie zu sparen. Auch die ersten Reaktionen von Fahrgästen seien positiv, sagte Niag-bereichsleiter Stephan Kreth. Der große Bus war unter anderem schon auf den Linien 929 und 921 unterwegs. „Die Leute wundern sich, dass man nichts hört.“Denn statt des gewohnten Diesel-gebrumms erzeugen die Elektro-busse allenfalls ein dezentes Surren.
Im nächsten Jahr will die Niag mit mit einem Konzept an ihre Aufgabenträger (die Kreise Wesel und Kleve und einige Städte) herantreten und über eine Umrüstung der Fahrzeugflotte reden. Ob und wann dann die ersten eigenen Elektro-busse angeschafft werden, hängt vom Geldfluss ab. Ein großer Elektrobus koste das Zweieinhalb- bis Dreifache eines vergleichbaren Dieselfahrzeugs, sagte Christian Kleinenhammann. „Das sind, je nach Ausstattung, mehr als eine halbe Million Euro, eher an die 600.000.“Allerdings gebe es Fördermittel von Land und Bund.
Mit der Anschaffung der elektrisch betrieben Fahrzeuge sei es nicht getan. „Wir brauchen auch flächendeckend die dafür notwendige Infrastruktur.“Also Auflademöglichkeiten in den Niag-niederlassungen. Allein in Moers werden über Nacht 100 Busse abgestellt. Sie alle innerhalb weniger Stunden mit Strom zu füttern, wäre eine Herausforderung. „Wir brauchen deshalb tatkräftige Unterstützung der Politik und der Stadtwerke“, sagte der Niag-vorstand.
Die Niag verfügt über 250 eigene Fahrzeuge, dazu kommen rund 100 von Partnerunternehmen wie Look. Es gebe Vorschriften, nach wie vielen Jahren ein Bus aus dem Verkehr gezogen werden muss, sagte Stephan Kreth. Rund fünf Prozent der Flotte werden jährlich erneuert. „Wir müssen die Akzeptanz für alternative Antriebe durch einen vernünftigen Betrieb darstellen können“, sagte Christian Kleinenhammann, deshalb der jetzige Test. Die alternativen Antriebstechniken entwickelten sich rasant. „Am Ende müssen die richtigen Entscheidungen fallen. Und die richtige Entscheidung kann auch ein Mischbetrieb sein.“