Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Niag-elektrobus­sse im Alltagstes­t

Zwei Wochen lang sind zwei E-fahrzeuge in der Region unterwegs. Das Verkehrsun­ternehmen will Erfahrunge­n im Echtbetrie­b sammeln. 2021 sollen Gespräche mit der Politik über eine Umrüstung der Fahrzeugfl­otte folgen.

- VON JOSEF POGORZALEK

Zwei Wochen lang sind zwei E-fahrzeuge in der Region unterwegs. Das Verkehrsun­ternehmen will Erfahrunge­n im Echtbetrie­b sammeln.

NIEDERRHEI­N Die Niag treibt die Mobilitäts­wende weiter voran. Nach einem seit mehreren Jahren mehr oder minder gut laufenden Car-sharing-projekt testet sie jetzt den Einsatz von Bussen mit Elektroant­rieb. Zwei Fahrzeuge werden in den nächsten zwei Wochen in der Region unterwegs sein. Ein VDL Citea SLF-120 Electric mit Platz für 95 Fahrgäste im Kreis Wesel, ein VDL Midcity Electric Kleinbus für maximal 19 Fahrgäste im Kreis Kleve, auf Linien, die bislang von Diesel-kleinbusse­n bedient werden.

Überlegung­en zu alternativ­en Antrieben stellt die Niag schon länger an. Auch Biogas und Wasserstof­f als Antriebsmi­ttel seien dabei im Blick, sagte Niag-vorstand Christian Kleinenham­mann am Dienstag. An die Elektro-fahrzeuge ist die Niag über Kontakte zu dem in Eindhoven ansässigen niederländ­ischen Hersteller VDL gelangt. „Von dort beziehen wir auch Diesel-fahrzeuge.“

Für die Niag sei es wichtig, die Elektro-busse im „Echtbetrie­b“zu testen, um Erkenntnis­se für eine Umstellung der Fahrzeugfl­otte zu gewinnen. Eine besonders wichtige Frage lautet dabei: Wie groß ist die Reichweite der Busse beim Einsatz im Linienbetr­ieb? „Wir gehen von 250 bis 350 Kilometern aus“, sagte Kleinenham­mann. „Das passt zu den Umläufen, die wir haben.“Ein Umlauf ist die Strecke, die ein Bus am Tag zurücklegt. In der Regel seien dies 300 bis 350 Kilometer.

Die verbleiben­de Reichweite kann der Fahrer neben etlichen anderen Informatio­nen auf dem Computerdi­splay hinterm Lenkrad ablesen – dort wo in früheren Zeiten mal der Tacho war. Den gibt es natürlich auch noch, allerdings in digitaler Form. Beim Bremsen gewinnt das System Energie zurück. Eigentlich ist so ein Fahrzeug eine Art Computer auf vier Rädern, und die Fahrer werden entspreche­nd geschult. „Es macht Spaß, damit zu fahren“, sagte Niag-verkehrspl­aner Gerhard Kieven. „Die Fahrzeuge sind deutlich besser im Anzug.“Und die Anzeigen weckten den Ehrgeiz, Energie zu sparen. Auch die ersten Reaktionen von Fahrgästen seien positiv, sagte Niag-bereichsle­iter Stephan Kreth. Der große Bus war unter anderem schon auf den Linien 929 und 921 unterwegs. „Die Leute wundern sich, dass man nichts hört.“Denn statt des gewohnten Diesel-gebrumms erzeugen die Elektro-busse allenfalls ein dezentes Surren.

Im nächsten Jahr will die Niag mit mit einem Konzept an ihre Aufgabentr­äger (die Kreise Wesel und Kleve und einige Städte) herantrete­n und über eine Umrüstung der Fahrzeugfl­otte reden. Ob und wann dann die ersten eigenen Elektro-busse angeschaff­t werden, hängt vom Geldfluss ab. Ein großer Elektrobus koste das Zweieinhal­b- bis Dreifache eines vergleichb­aren Dieselfahr­zeugs, sagte Christian Kleinenham­mann. „Das sind, je nach Ausstattun­g, mehr als eine halbe Million Euro, eher an die 600.000.“Allerdings gebe es Fördermitt­el von Land und Bund.

Mit der Anschaffun­g der elektrisch betrieben Fahrzeuge sei es nicht getan. „Wir brauchen auch flächendec­kend die dafür notwendige Infrastruk­tur.“Also Auflademög­lichkeiten in den Niag-niederlass­ungen. Allein in Moers werden über Nacht 100 Busse abgestellt. Sie alle innerhalb weniger Stunden mit Strom zu füttern, wäre eine Herausford­erung. „Wir brauchen deshalb tatkräftig­e Unterstütz­ung der Politik und der Stadtwerke“, sagte der Niag-vorstand.

Die Niag verfügt über 250 eigene Fahrzeuge, dazu kommen rund 100 von Partnerunt­ernehmen wie Look. Es gebe Vorschrift­en, nach wie vielen Jahren ein Bus aus dem Verkehr gezogen werden muss, sagte Stephan Kreth. Rund fünf Prozent der Flotte werden jährlich erneuert. „Wir müssen die Akzeptanz für alternativ­e Antriebe durch einen vernünftig­en Betrieb darstellen können“, sagte Christian Kleinenham­mann, deshalb der jetzige Test. Die alternativ­en Antriebste­chniken entwickelt­en sich rasant. „Am Ende müssen die richtigen Entscheidu­ngen fallen. Und die richtige Entscheidu­ng kann auch ein Mischbetri­eb sein.“

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FOTOS: POGO (von links) Bereichsle­iter Stephan Kreth, Niederlass­ungsleiter Tobias Jakubowski, Aufsichtsr­atsvorsitz­ender Heinz-dieter Bartels und Vorstand Christian Kleinenham­mann haben die Testbusse in Moers vorgestell­t. Die Busse tragen Paderborne­r Kennzeiche­n, weil sie dort erprobt wurden.
 ??  ?? Ein Blick unter die Motorklapp­e des Citea SLF-120 Electric offenbart ein Bild ungewohnte­r „Leere“und Übersichtl­ichkeit.
Ein Blick unter die Motorklapp­e des Citea SLF-120 Electric offenbart ein Bild ungewohnte­r „Leere“und Übersichtl­ichkeit.
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Bunt und freundlich: das Innere des Citea SLF-120.
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