Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Handel will „nachvollziehbare Gesetze“
EINKAUFEN UND GASTRONOMIE Dinslakens Werbegemeinschaft und die Neutor-galerie blicken auf wirtschaftliche Folgen des Corona-jahres.
DINSLAKEN Dass wegen Corona die Restaurants geschlossen sind, trifft nicht nur diese Branche. Es trifft den gesamten Handel in einer Stadt, sagt Jürgen Lange-flemming von der Werbegemeinschaft Dinslaken: „Ich gehe davon aus: Wenn nicht bald die Gaststätten wieder öffnen, dann werden wir ein Sterben von Geschäften in der Innenstadt erleben.“
Der Einfluss der Gastronomie auf die Anziehungskraft einer Innenstadt ist gewaltig, erklärt er. Und derzeit fällt dieser Faktor weg. „Niemand kann sich in ein Café setzen“, einen Stopp im Restaurant einlegen, beim Imbiss das Ambiente auf sich wirken lassen oder sich auf einen Cappuccino verabreden: „Es ist nicht mehr attraktiv, in die Stadt zu gehen.“Die Folge könne man direkt beobachten, auch, wenn die meisten Geschäfte geöffnet sind: „Wenn Sie jetzt mal in die Stadt gehen – da ist es fast tot.“
Und noch ein nachhaltiger Punkt steht bei ihm im Mittelpunkt, wenn er auf das Corona-jahr blickt. „Viele Geschäfte haben Kunden ans Internet verloren“, stellt er fest. Die Pandemie habe eine Entwicklung, die dem Einzelhandel zu schaffen macht, enorm beschleunigt.
„Fast tot“– diese Formulierung würde der Manager des Einkaufszentrums Neutor-galerie, Tobias Aghte, wohl nicht gelten lassen. Aber auch in der Galerie pulsiert derzeit nicht gerade das Leben. Wenn es auch derzeit kein Vergleich sei zum Frühjahr: „Wir haben ja im März fast alle Geschäfte schließen müssen“, sagt er. „Einige hatten Umsatzeinbußen von 100 Prozent.“
Mit den Lockerungen im Sommer, so Aghte, „haben wir uns wieder richtig hochgekämpft. Wir waren teilweise wieder bei 90 bis 95 Prozent der Vorjahreszahlen, was Frequenz und Umsätze anging.“Dann kam der November-lockdown, „und die Zahlen gehen wieder runter“.
Im Frühjahr sei die Galerie den Geschäftsleuten entgegengekommen, um die Verluste abzupuffern. „Wir haben Mieten erlassen“, erklärt Tobias Aghte. Und zwar „in großem
Umfang“. Man habe das in jedem Fall einzeln verhandelt und immer Gegenleistungen verlangt, zum Beispiel die Verlängerung von befristeten Mietverträgen oder dergleichen. „Das haben wir mit jedem Mieter individuell besprochen.“
Ein vorläufiges Resümee über die finanziellen Folgen des Pandemie-jahres will er nach dem Auf und Ab nun noch nicht ziehen; wenn das Jahr rum ist, gibt’s eine Gesamtbilanz. Was auf der Haben-seite steht: In der Neutor-galerie seien immerhin drei leere Ladenlokale vermietet worden. „Versuchen Sie das mal, in so einem Jahr.“
Für die Zukunft würde er sich wünschen, dass der Weg freigemacht würde für das Angebot kleinerer Attraktionen unter Corona-vorkehrungen. Derzeit seien gar keine Veranstaltungen möglich. Aber warum könne man nicht Walking-bands zulassen, also Musikgruppen, die in Bewegung bleiben, so dass sich keine Publikumsansammlungen bilden? „Da wäre von der Politik ein bisschen Fingerspitzengefühl gut“, sagt er.
Jürgen Lange-flemming von der Werbegemeinschaft erwartet vor allem eines von der Politik: „Nachvollziehbare Gesetze, die verkaufsoffene Sonntage erlauben“, sagt er. „Es müssen verkaufsoffene Sonntage ohne Volksfestcharakter durchführbar sein.“Die Gewerkschaft Verdi hat wie berichtet verkaufsoffene Sonntage verhindert, die ohne Anlass – also ohne Veranstaltungen wie Volksfeste – geplant waren. So auch in Dinslaken. Da habe, so Lange-flemming düster, neben dem Corona-virus habe auch noch das „Verdi-virus“Schaden angerichtet.