Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Wenn die Nacht zum Tag wird
Der Rheurdter Michael Kunze möchte die Menschen für das Thema „Lichtverschmutzung“sensibilisieren.
RHEURDT/MOERS Michael Kunze ist Hobby-astronom mit Leib und Seele. Sein besonderes Steckenpferd: Die Astro-fotografie. Eine Vielzahl eindrucksvoller Bilder von Sonnenund Mondfinsternissen, Sternbildern, Kometen und Planeten sind so im Laufe der Zeit entstanden. Dabei wird es dem Rheurdter nicht gerade leicht gemacht sein Hobby auszuführen – die Lichtverschmutzung macht es immer schwieriger, die Himmelsobjekte überhaupt von der Erde aus zu sehen. „In Europa kann man mittlerweile fast nirgendwo mehr die Milchstraße sehen“, so der 42-Jährige. Dazu bedürfe es weiter Reisen wie zum Beispiel nach Namibia.
Unter Lichtverschmutzung versteht man die dauernde Abwesenheit völliger Dunkelheit. „Lichtverschmutzung, auch Lichtsmog genannt, bezeichnet die Aufhellung des Nachthimmels durch Lichtquellen, deren Licht in den Luftschichten der Atmosphäre gestreut und reflektiert wird“, erklärt Kunze.
Rund 75 Prozent des erzeugten Lichts würden ungenutzt und schädigend durch falsche Beleuchtungskörper oder falsch ausgerichtete Lampen in den Himmel gestrahlt. Das zu viel produzierte Licht habe nicht nur negative Auswirkungen auf die Sicht des Nachthimmels, sondern wirke auch massiv auf Flora und Fauna sowie auf die Gesundheit des Menschen. „Zu viel Licht wirkt sich negativ auf den TagNacht-rhythmus der Menschen aus“, sagt Kunze. Laut Forschern könnten sogar hormonell bedingte Krebsarten wie Brustkrebs oder Prostatakrebs begünstigt werden.
Insekten werden von dem Licht angezogen und verenden. „Wenn man sich mal ein paar Jahrzehnte zurück erinnert, wie viele tote Insekten man früher an Straßenlaternen sehen konnte, kann man sich grob vorstellen, wie viele es in all den Jahren an allen Straßenlaternen sein müssen.“Insekten, die wiederum anderen Tieren als Nahrung fehlen. Nachtaktive Zugvögel würden in ihrer Navigation und Orientierung durch zu viel Licht gestört werden. Und selbst auf den Wachstumszyklus der Pflanzen nehme die Lichtverschmutzung Einfluss.
Auch die Lichtfarbe spiele eine Rolle: „Moderne Led-lampen haben eine höhere Lichtintensität und der Blauanteil ist deutlich höher.“Gerade dieser sei besonders schädlich. Wer glaubt, Lichtverschmutzung sei nur ein Problem der Großstädte irrt. „Straßenlaternen und angestrahlte Gebäude, Bäume und Objekte gibt es auch auf dem Land. Außerdem strahlt das Licht der Großstädte bis in die ländlichen Regionen“, weiß Kunze zu berichten. Regelmäßig positioniert er seine Gerätschaften auf dem Oermter Berg, um den nächtlichen Himmel zu erkunden und verbringt dort ganze Nächte. Auch dort würden sich die Auswirkungen der Luftverschmutzung bemerkbar machen.
Michael Kunze hat sich bereits als Zwölfjähriger für Astronomie interessiert. Viele Jahre lebte er in Moers. Seit 2015 werden in der Grafenstadt die meisten der rund 10.000
Straßenlaternen im Moerser Stadtgebiet nachts – außer an Samstagen und Sonntagen – zwischen 1 und 3.30 Uhr ausgeschaltet. Allein Fußgängerüberwege und Gefahrenstellen werden während dieser Zeit beleuchtet. Das Thema Nachtabschaltung wird immer wieder diskutiert. „Ich wohnte bis 2016 in Schwafheim. Von der Nachtabschaltung habe ich kaum was bemerkt, da das Licht von anderen Quellen soweit ausstrahlte, dass es trotzdem noch hell war“, erinnert sich Kunze.
Im Jahr 2016 zog es ihn dann ins beschauliche Rheurdt. Ein wichtiges Anliegen ist es ihm, auf das Thema Lichtverschmutzung und die damit verbundenen Auswirkungen aufmerksam zu machen. „Das Bewusstsein dafür ist nicht in den Köpfen der Menschen. Alle reden immer von Pestiziden im Zusammenhang mit dem Insektensterben, dabei halte ich die Lichtverschmutzung für das weitaus größere Problem.“Auch gebe es keinerlei Gesetze diesbezüglich. „Wenn ich bei mir zu Hause nachts die Anlage voll aufdrehe, dauert es nicht lange, bis die Polizei vor der Tür steht. Wenn der Nachbar die ganze Nacht die helle Beleuchtung im Garten brennen lässt, habe ich keine Handhabe.“
Dazu traf er sich im vergangenen Sommer mit Vertretern der örtlichen Politik, um diese auf das Problem der Lichtverschmutzung aufmerksam zu machen. „Das Interesse hielt sich in Grenzen“, berichtet Kunze. Immerhin sei von Dirk Ketelaers – mittlerweile Bürgermeister – die Aussage gekommen, dass man das Thema in die Politik aufnehmen wolle. Treffpunkt sei der Wappenbaum an der Rheurdter Kirche gewesen, denn auch dieser wird nachts beleuchtet. „Dass man den Wappenbaum oder andere Gebäude beleuchten möchte, weil es nett anzusehen ist, kann ich ja nachvollziehen. Aber muss es die ganze Nacht sein?“, fragt Kuntze. Irgendwann würden die Menschen ja auch schlafen, und dann wäre es schön, wenn es heißt: Licht aus!