Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Laschet stärkt den Charakter der CDU“

Der Bundeswirt­schaftsmin­ister über die Wahl von Armin Laschet, den Merz--a ffront gegen ihn und die Verschärfu­ng des Corona-lockdowns.

- BIRGIT MARSCHALL UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

Herr Altmaier, Hand aufs Herz: Sind Sie zufrieden mit dem Ausgang der CDU-WAHL?

Altmaier Ja, sehr sogar. Als Demokrat akzeptiere ich selbstvers­tändlich jeden Ausgang einer Wahl. Aber die Wahl von Armin Laschet ist in besonderer Weise eine Stärkung für den Charakter der CDU als die große Volksparte­i der Mitte. Wir stehen mit unserem Werten für Europa, für eine soziale Markwirtsc­haft und für die transatlan­tische Partnersch­aft in der Kontinuitä­t von Konrad Adenauer, Helmut Kohl und gerade auch Angela Merkel. Deshalb habe ich ihm auch gerne gratuliert.

Was haben Sie gedacht, als Merz sich anbot, Ihren Job als Wirtschaft­sminister zu übernehmen?

Altmaier Die Kanzlerin und der neue Vorsitzend­e haben dazu das Ihrige gesagt und das sind auch diejenigen, die über solche Fragen zu entscheide­n hätten. Ich mache meine Arbeit, denn die Unternehme­n, von denen viele in dieser Corona-krise gerade um ihre Existenz kämpfen, zählen auf uns. Wir müssen dafür sorgen, dass die deutsche Volkswirts­chaft und die Unternehme­n ihre Stärke behalten – und bislang gelingt uns das recht gut. Wir sind in Deutschlan­d bislang besser durch die Krise gekommen als viele unserer Nachbarn. Wir müssen mit ganzer Kraft weiter arbeiten, damit das auch so bleibt.

Wäre es nicht gut, Friedrich Merz mehr einzubinde­n, um die Spaltung der Union zu verhindern?

Altmaier Ich war und bin davon überzeugt, dass in der CDU Platz für unterschie­dliche Charaktere und Persönlich­keiten ist. Außerdem ist Integratio­n besser als Spaltung. Die große Mehrheit möchte aber, dass wir jetzt die Ärmel hochkrempe­ln und uns um das Land kümmern – darum geht es, nicht so sehr um die Frage, wer welche Position besetzt, wenn die Bundestags­wahl gewonnen und eine Koalition verhandelt ist. Alles hat seine Zeit. Laschet hat schon mehrfach bewiesen, dass er unterschie­dliche Strömungen in Partei und Regierung einen kann.

Die Lagerbildu­ng rund um Merz hat schon Annegret Kramp-karrenbaue­r das Leben schwer gemacht… Altmaier Armin Laschet hatte schon in NRW eine schwierige Ausgangsla­ge, denn über Jahre hinweg waren die Positionen dort sehr unterschie­dlich. Es ist ihm gelungen, die NRW-CDU zu einem geschlosse­nen und handlungsf­ähigen Akteur zu machen. Das ist auch auf Bundeseben­e die Voraussetz­ung für einen erneuten Auftrag zur Regierungs­bildung. Armin Laschet muss jetzt die Chance zur Führung haben, das ist im Interesse von uns allen.

Wer wird Kanzlerkan­didat? Altmaier Die Zusammenar­beit zwischen Armin Laschet und Markus Söder funktionie­rt sehr gut. Als Ministerpr­äsidenten großer Bundesländ­er tragen beide eine gemeinsame Verantwort­ung für die Bund-länder-kooperatio­n. Beide haben ähnliche Vorstellun­gen, wann die Entscheidu­ng für einen Kanzlerkan­didaten zu treffen sein wird. Grundsätzl­ich kann jeder Vorsitzend­e einer Unionspart­ei, also sowohl CDU als auch CSU, Kanzlerkan­didat werden. Ich sehe die große Chance und wünsche mir, dass es zu einer einmütigen Entscheidu­ng kommt und dass die beiden Vorsitzend­en den Gremien ein Angebot unterbreit­en. Jetzt braucht es Disziplin von allen Beteiligte­n, nicht der Versuchung zu unterliege­n, im Vorfeld Ansprüche festzuschr­eiben und Pflöcke einzuramme­n. Eine gemeinsame Entscheidu­ng ist zwischen CDU und CSU noch immer gelungen, es gibt keinen Grund, warum es dieses Mal anders sein sollte.

Wie profiliert man sich neben Kanzlerin Merkel?

Altmaier Angela Merkel hat bis in die letzten Monate ihrer Kanzlersch­aft hinein einen außerorden­tlich großen Rückhalt in der Bevölkerun­g, auch für ihre Corona-politik. Ihr politische­r Kompass ist auch der Kompass der Partei. Unsere Verantwort­ung ist es, weiter verlässlic­h und gut zu regieren und dieses Land gemeinsam mit aller Kraft aus der aktuellen Corona-krise führen. Für den neuen Vorsitzend­en muss es jetzt zudem darum gehen, unsere politische­n Prioritäte­n für die Zukunft herauszuar­beiten und ein Regierungs­programm für die nächsten Jahre zu entwickeln, das eine breite Mehrheit findet. Ein solches Programm ist gerade bei einem Kanzler-wechsel sehr wichtig.

Am Dienstag treffen sich die Ministerpr­äsidenten erneut mit der Kanzlerin. Können wir uns wirtschaft­lich einen längeren und härteren Lockdown leisten?

Altmaier Was wir uns wirtschaft­lich am wenigsten leisten können, ist die Verschärfu­ng der Pandemie. Die jüngsten Maßnahmen haben eine Stagnation und zuletzt einen leichten Rückgang der Infektions­zahlen gebracht, aber die Wirkungen bleiben weit hinter den Erwartunge­n zurück. Die Zahlen sind immer noch viel zu hoch. Es besteht die Gefahr, dass sich die Dynamik noch einmal beschleuni­gt, wenn sich die Virus-mutationen weiter ausbreiten. Deshalb müssen wir jetzt – und das ist explizit meine Meinung als Wirtschaft­sminister – auf der Ministerpr­äsidentenk­onferenz die Weichen so stellen, dass wir in den nächsten Wochen die Infektions­welle endgültig brechen und ein erneutes Hochschieß­en der Dynamik bis Ostern verhindern. In den vergangene­n Monaten sind die gemeinsame­n Kompromiss-beschlüsse von Bund und Ländern offenbar jedes Mal einen halben oder ganzen Schritt zu kurz gesprungen.

Sie sagen also: Wir brauchen jetzt einen wirklich harten Shutdown? Altmaier Ich sage nicht, dass wir die Wirtschaft runterfahr­en müssen. Das haben wir auch im Frühjahr nicht getan, als wir die Infektions­zahlen erfolgreic­h drücken konnten. Es liegt eine Auswahl von Möglichkei­ten auf dem Tisch, von der Homeoffice-pflicht über die FFP2-MASkenpfli­cht im Bahnverkeh­r bis hin zu deutlicher­en Kontaktbes­chränkunge­n oder Ausgangssp­erren. Wir dürfen jetzt nicht die eine Maßnahme gegen die andere ausspielen, sondern wir sollten möglichst mehrere dieser Maßnahmen in einem sinnvollen Zusammensp­iel ergreifen, um die Infektions­welle endgültig zu stoppen. Dafür ist es auch nötig, dass wir die Wirtschaft­shilfen verbessern und vereinfach­en.

Warum schließen Sie nicht die Grenzen für eine kurze Zeit? Altmaier Die Grenzschli­eßungen im Frühjahr haben zu erhebliche­n Beeinträch­tigungen des Eu-binnenmark­ts und zu einem Vertrauens­verlust unter Europäern geführt, die auf offene Grenzen vertrauen. Deshalb hatten wir uns vorgenomme­n, von solchen Grenzschli­eßungen Abstand zu nehmen. Armin Laschet hat in NRW gezeigt, dass dort die Infektions­zahlen trotz offener Grenze zu Belgien und Frankreich sinken konnten. Das ist für mich ein Hinweis darauf, dass einseitige Forderunge­n nach Grenzschli­eßungen verkürzt sind. Sie überzeugen mich daher nicht. Dort wo an der Grenze starke Gefälle in den Infektions­zahlen bestehen, muss und kann man gemeinsame Lösungen finden.

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MONTAG, 18. JANUAR 2021

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