Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Begegnung fremder Kulturen
Die in München lebende Schriftstellerin Christine Wunnicke hat mit ihren fantasiereich erzählten Romanen zwar viel Kritikerlob erhalten, beim Lesepublikum war ihr aber bislang noch kein durchschlagender Erfolg gelungen. Mit ihrem jüngsten Roman, der den zunächst etwas rätselhaft klingenden Titel „Die Dame mit der bemalten Hand“trägt und der für den „Deutschen Buchpreis“2020 nominiert wurde, scheint ihr nun endlich ein Durchbruch gelungen zu sein.
Auf der kleinen indischen Insel „Elephanta“(in der Nähe von Bombay) treffen im Jahr 1764 unter seltsamen Umständen der deutsche Mathematiker und Kartograph Carsten Niebuhr und der persische Astronom Musa al-lahuri aufeinander. Niebuhr ist der einzig überlebende Teilnehmer eines ursprünglich sechsköpfigen Forscherteams, das im Auftrag des dänischen Königs Persien und Ostindien bereiste, und macht nun auf dem Rückweg auf „Elephanta“Station. Musa ist auf dem Weg nach Mekka auf der gleichen Insel gestrandet und begegnet hier dem von Fieberkrämpfen gepeinigten deutschen Forscher in einer geheimnisvollen Höhle voller hinduistischer Malereien und Skulpturen.
Carsten Niebuhr spricht leidlich arabisch, und so kommen beide Gelehrte auf der einst kulturell blühenden, jetzt aber verwilderten und verlassenen Insel miteinander ins Gespräch und entdecken ihre gemeinsame Begeisterung für die Mathematik und die Astronomie.
Doch obwohl zwischen den Gelehrten fast so etwas wie Freundschaft entsteht, klaffen Welten zwischen dem nüchternen Forscherdrang Niebuhrs und dem Geschäftssinn und der orientalischen Fabulierlust Musa al-lahuris – und beide wiederum finden keinen Zugang zur Sprache der hinduistischen Kultur, die sie auf der Insel umgibt.
Der historische Fakten und fantasievolle Fiktionen untrennbar miteinander vermischende Roman veranschaulicht so auf amüsante und einfallsreiche Weise die kaum überwindbaren Hürden und die Fallstricke jedes „interkulturellen“Dialoges.
Christine Wunnicke: Die Dame mit der bemalten Hand. Roman, Berenberg Verlag, Berlin 2020