Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Bewährung für Mann wegen Kinderporn­os

Im Internet hatte er sich unter anderem Videos von sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlich­en herunterge­laden. Das Amtsgerich­t Wesel hat den 47-jährigen Hamminkeln­er zu einer neunmonati­gen Bewährungs­strafe verurteilt.

- VON KLAUS NIKOLEI

Im Internet hatte sich der 47-Jährige unter anderem Videos von sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlich­en herunterge­laden.

HAMMINKELN/WESEL Während der Vertreter der Staatsanwa­ltschaft die mehr als 30 Punkte umfassende Anklagesch­rift verliest, hält sich der 47-jährige Hamminkeln­er die Hände vor das Gesicht. Er zittert, schüttelt immer wieder den Kopf. Der Angeklagte will nicht wahrhaben, was ihm da zur Last gelegt wird, was Polizeibea­mte auf seinem Handy und seinem Laptop bei einer Wohnungsdu­rchsuchung am 9. Dezember 2019 gefunden haben: Nicht nur Fotos von leicht bekleidete­n Kindern im Grundschul­alter beziehungs­weise Teenagern in aufreizend­en Posen. Sondern auch im Internet herunterge­ladene (und zum Teil gelöschte) Videos von sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlich­en.

„Ich krieg’ bei solchen Videos zu viel. Ich schäme mich, das müssen Sie mir glauben“, sagt der Mann, der am Ende zu einer neunmonati­gen Bewährungs­strafe wegen des Besitzes von kinder- und jugendporn­ografische­n Bildmateri­als verurteilt wird. Mehr als einmal bittet der Angeklagte an diesem Montagvorm­ittag um Gnade, um Verständni­s für seine momentane Situation. Und mehrfach kündigt er an, dass er überlege, bei der Verurteilu­ng zu einer Gefängniss­trafe sich das Leben zu nehmen.

Unabhängig davon, dass der ledige Mann seit Monaten von der Verwandtsc­haft gemieden wird und im Ort Gerüchte über ihn die Runde machen, ist der Gedanke für ihn unerträgli­ch, dass er womöglich künftig nicht mehr als Betreuer für seine behinderte Schwester tätig sein darf. „Für sie bin ich das ein und alles, sie hängt an mir. Ich gehe nicht ins Gefängnis. Da kann ich auch gleich vor einen Baum fahren“, sagt er.

Ein von ihm bei Facebook hochgelade­nes Foto eines nur leicht bekleidete­n, etwa zehn Jahre alten Jungen wird dem Hamminkeln­er im Juni 2019 zum Verhängnis. Ein halbes Jahr später klingelt die Polizei morgens um 6 Uhr bei ihm und beschlagna­hmt sein Handy und sein Laptop. Experten finden in beiden Geräten unter anderem kinderporn­ografische Fotos und Filme.

„Ich weiß auch nicht, warum ich das gemacht habe. Meist war es samstagsab­ends, ich war einsam und habe Alkohol getrunken“, erklärt er dem Vertreter der Staatsanwa­ltschaft. Der ist übrigens von der

Schuld des Angeklagte­n überzeugt und fordert in seinem Plädoyer eine Gefängniss­trafe von einem Jahr und neun Monaten – ohne Bewährung.

Warum er sich nicht erotische Filme mit Erwachsene­n angeschaut habe, sondern Kinder- und Jugendporn­os, dazu kann der Angeklagte keine befriedige­nde Erklärung abgeben. Er sagt dazu: „Ich befinde mich seit Mai 2020 alle zwei Wochen in therapeuti­scher Behandlung, die ich auch selbst zahle, um herauszufi­nden, was mit mir los ist.“

Dass er sich profession­elle Hilfe gesucht hat, wertet der Richter zu seinen Gunsten. Auch dass er sich für seine Taten schäme und Reue zeige, verbucht der Richter auf der Habenseite. Und weil er Zweifel hat, dass der Angeklagte das Foto des Jungen bewusst bei Facebook hochgelade­n hatte, wird der Hamminkeln­er in diesem Anklagepun­kt freigespro­chen.

Dass der 47-Jährige aus Hamminkeln dann allerdings doch zu einer Bewährungs- und einer Geldstrafe verurteilt wurde (siehe Infobox), begründete der zuständige Richter unter anderem mit der „Heftigkeit der Videos, die Sie da herunterge­laden haben. Das war kein Versehen von

Ihnen, wie Sie betonen, das ist eine Schutzbeha­uptung. Den in den Videos gezeigten Mädchen und Jungen und den Jugendlich­en ist großes Leid zugefügt worden“, argumentie­rt der Richter.

Der Anwalt des Hamminkeln­ers hatte insgeheim gehofft, dass das Verfahren gegen seinen Mandanten hätte womöglich eingestell­t werden können. Zumal die meisten auf dem Handy und dem Laptop gefundenen Dateien gelöscht und nur von der Polizei wieder hergestell­t worden waren. Außerdem argumentie­rt er beim Prozess, dass in ähnlich gelagerten Fällen Prominente mit einem blauen Auge davon gekommen seien und nannte als Beispiel den Fall des früheren Spd-bundestags­abgeordnet­en Sebastian Edathy.

Das Verfahren gegen den Politiker wegen des Besitzes von kinderporn­ografische­n Fotos und Videos war im März 2015 gegen eine Zahlung von 5000 Euro an den Deutschen Kinderschu­tzbund eingestell­t worden. Den Weseler Richter lässt der Hinweis auf Edathy hingegen kalt. „Ich lasse mich nicht beeinfluss­en von dem, was andere Kollegen in anderen Verfahren für richtig gehalten haben“, sagt er.

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FOTO: DPA Ermittlung­en bei Kinderporn­ografie sind oft schwierig.

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