Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Wie das digitale Lernen in der Gesamtschule funktioniert
Unterricht per Video erobert in Corona-zeiten den Alltag der Gesamtschule Hamminkeln. Lehrer und Schüler vermissen aber den persönlichen Kontakt.
HAMMINKELN Lehrer Dieter Langer sitzt allein im Klassenraum. Vor ihm auf dem Whiteboard schaut ihn Kulttrainer Jürgen Klopp an. Es geht nicht um Fußball, sondern um den Promi und seine preisgekrönte Werbung für eine Automarke. Dritter im Bunde ist ein Schüler, der oberhalb des prominenten Werbeträgers per Videobild zugeschaltet ist und dem Lehrer seine Analyse zum Reklameauftritt erläutert.
So sieht beispielsweise Videounterricht aus, der sich in der Gesamtschule Hamminkeln immer mehr ausbreitet und immer stärker ausprobiert wird. Bürgermeister Bernd Romanski schaute sich am Montag den Unterricht und damit auch den Umgang mit Steuergeldern an. Das Glasfasernetz wurde ausgebaut, alle
Lehrkräfte wurden mit Tablets ausgestattet, 400 Lizenzen für die Schulen hat die Stadt vom Kommunalen Rechenzentrum (KRZN), das 15.000 zur Verfügung hatte, bekommen.
In der Gesamtschule ist es für die meisten der 970 Schüler Normalität, mit digitalen Inhalten umzugehen. Unterrichtsinhalte werden im Schulalltag mit der bewährten, immer wieder aktualisierten Plattform Moodle vermittelt. Der Zugriff auf externe Datenbanken sei auch möglich, die Informationsquellen sehr reichhaltig, erläutern Lena Kloster (Mathematik und Praktische Philsophie) und Sebastian Altenhoff (Englisch und Sport), die Moodle-administratoren sind und in dieser Funktion das Projekt Digitalisierung in der Gesamtschule vorantreiben. Schulchefin Anette Schmücker lobt ihre „Pionierarbeit“.
In der Pandemie ist es wichtig, dass der Lernstoff auf digitalem Weg vermittelt wird. Meist werden zwei Unterrichtsstunden per Videokonferenz abgehalten wie zum Beispiel in Erdkunde das Thema Hochwasserrisiko. In diesem Fall kann sich der Bürgermeister selbst dabei zusehen, wie er und sein Stab im Einsatz an der Issel sind. Hochwasserschutz, Klima, Dauerregen, Deiche – die Fragestellungen im Online-unterricht werden besprochen und Antworten in vorgesehene Rubriken eingetragen. Es geht lebhaft zu. Über die Lernplattform kann kommuniziert werden, es lässt sich interagieren. Viele Materialien werden bereitgestellt, auch der Zugang zu externen Informationsquellen. Dem Video folgt oft Lernzeit zu Hause.
Und doch: Der persönliche Kontakt sei durch nichts zu ersetzen, die direkte Ansprache wichtig, hört man immer wieder von Lehrern und Schülern. Anette Schmücker vermisst, Gestik und Mimik der Schüler zu sehen und damit ihren Aufmerksamkeitsfaktor. Die Schüler müssen sich nicht von der Kamera ablichten lassen, die meisten schalten die Tabletaufnahme aber an. Doch nicht jeder kann da frei agieren. Es gibt Familien, in denen sich mehrere Kinder einen PC teilen, bei anderen reichen in den Außenbereichen die Leitungskapazitäten nicht aus, um sich dauerhaft per Bild einzuklicken. Und dann gibt es die, die sich digitale Technik nicht leisten wollen oder können. Ihnen stellt die Gesamtschule Ausrüstung in einem Raum zur Verfügung.
Manchmal hat ein Problem in der Ausrüstung schlicht mit dem leergefegten Markt zu tun. Als die Stadt die Technik für Schulen kaufte, taten das alle Städte, und es fehlten plötzlich Tastaturen. Für 16.000 Euro wurden als Zwischenlösung Ersatztastaturen beschafft. Alle Schüler haben eine Übersicht bekommen, in welchen Stunden digitaler Unterricht erteilt wird. Die Schulleiterin lobt die „hohe Bereitschaft der Schüler“. Und sie legt wert darauf, dass niemand abgehängt wird, weshalb sie betont, dass der Förderschwerpunkt Lernen große Unterstützung erhält.