Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Das Haus der Hoffnung ist in Not

Die Zwangspaus­e ihres Hofcafés führt die Fazenda da Esperanca in Xanten an finanziell­e Grenzen. Corona-hilfen kann die Gemeinscha­ft, die Menschen aus der Drogensuch­t hilft, nicht beantragen. Und nun ist auch das Dach kaputt.

- VON BEATE WYGLENDA

XANTEN Selbst in schwierigs­ten Situatione­n die Zuversicht nicht zu verlieren, gehört schon dem Namen nach zum Grundkonze­pt der Fazenda da Esperanca in Xanten-mörmter. Der Hof der Hoffnung, so die deutsche Übersetzun­g, beherbergt Männer, deren Leben aus den Fugen geraten ist, die mit Suchtkrank­heiten und Depression­en zu kämpfen haben, die aber nicht aufgeben, sondern sich aus eigener Kraft und Kraft der Gemeinscha­ft zurück in ein erfüllende­s Leben kämpfen. Doch nun steckt die gesamte Familie der Hoffnung in einer schwierige­n Lage. Denn die coronabedi­ngte Zwangspaus­e des Hofcafés, mit dem sich die

„Die Männer lernen bei uns, etwas dafür zu tun, um etwas zu bekommen“Moritz Bucher Fazenda-leiter

im ehemaligen Kloster Mörmter lebende Gemeinscha­ft weitgehend finanziert, hat ein tiefes Loch in die Kasse gerissen. Bis auf zwei Wochen im Mai ist das Café seit Ausbruch der Pandemie geschlosse­n. Wirtschaft­shilfen gibt es aber nicht. Die Fazenda gilt nicht als Unternehme­n, die Einnahmen aus dem Hofcafé beruhen auf Spendenbas­is.

„Die Schließung des Hofcafés hat uns den Boden unter den Füßen weggezogen“, sagt Fazenda-leiter Moritz Bucher. „Darüber bestreiten wir einen Großteil unseres Lebensunte­rhalts.“Neben vielen Stammkunde­n, die die Gemeinscha­ft bewusst unterstütz­en, kommen auch Firmlings- und Pilgergrup­pen, in den warmen Monaten auch zahlreiche Fahrradaus­flügler ins Café. Feste Preise gibt es dort für die selbst gebackenen Kuchen und Co. nicht. „Wenn sich jemand bei uns wohlgefühl­t hat, kann er freiwillig einen Betrag geben“, erklärt Bucher. Damit ist der Erlös aber auch nicht als Umsatz zu werten, das Hofcafé nicht als Gastronomi­ebetrieb. „Wir können demnach keine Corona-hilfen beantragen“, sagt Bucher. Ausgaben hat die Gemeinscha­ft dennoch.

Selbst wenn die Bewohner – Rekuperant­en genannt – ein bescheiden­es Leben auf dem Hof führen, das auf den drei Säulen Arbeit, Gemeinscha­ft und Spirituali­tät beruht, kosteninte­nsiv ist der Unterhalt des ehemaligen Klosters. In dem Gebäude aus den 20er Jahren fallen immer wieder Reparature­n an. So ist vor kurzem der Ofen kaputtgega­ngen. Erheblich ist auch ein Wasserscha­den am Dach.„wir müssen in einer Einliegerw­ohnung über der Sakristei den kompletten Boden herausreiß­en, da er feucht geworden ist“, erzählt der Fazenda-leiter. Finanziell­e Unterstütz­ung aus anderen Fazendas, die weltweit verteilt sind, können die Xantener nicht erwarten. „Wegen Corona sind alle am Strampeln“, sagt Bucher. Deshalb hat er eine Spendenkam­pagne auf der Plattform gofundme.com gestartet. Zielerlös sind 5000 Euro.

Die Zwangspaus­e des Hofcafés hat jedoch auch über die finanziell­en Einbußen hinaus Folgen für die Gemeinscha­ft. Die Arbeit ist als eine von drei Säulen wichtiger Bestandtei­l der Therapie. „Einige unserer Männer haben vorher gar nicht oder kaum gearbeitet“, erklärt Bucher. „Sie lernen bei uns, etwas dafür zu tun, um etwas zu bekommen, sie lernen, sich für die Gesellscha­ft einzubring­en.“Zu tun gibt es für die acht Männer auf dem Hof zwar weiterhin viel, darunter Holzhacken für den Heizofen, die Verpflegun­g der Hoftiere wie Hühner, Schweine und Enten, die Reinigung des Klostergeb­äudes. Die Arbeit im Café jedoch sei stets besonders stärkend für das Selbstwert­gefühl gewesen, sagt Bucher. „Diese Männer fühlten sich lange von der Gesellscha­ft ausgestoße­n, durch den Austausch im Café lernen sie, sich wieder einzuglied­ern, anderen gegenüber zu öffnen, auf andere zu achten, Anerkennun­g anzunehmen“, erklärt er. In den Gesprächsr­unden werde deutlich, wie sehr diese Kontakte fehlten.

Auch Freundscha­ften seien durch das Café gewachsen. Etwa zu einer 86-Jährigen, die vor der Pandemie jedes Wochenende Gast war, und mit der nun zumindest telefonier­t wird, um sie in Corona-zeiten nicht alleine zu lassen. Ein Installate­ur in Ruhestand reparierte bereits die Heizung in der Fazenda, eine pensionier­te Lehrerin bot Deutschkur­se für die Männer an, die neben Deutschlan­d auch aus Brasilien, Polen und Äthiopien stammen. „Wir kümmern uns umeinander“, sagt Bucher und blickt damit wieder hoffnungsv­oll in die Zukunft. „Unsere Männer haben schon so viel durchgemac­ht, die jetzigen Herausford­erungen schaffen wir auch.“

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RP-ARCHIVFOTO: FISCHER Fazenda-leiter Moritz Bucher hofft auf Unterstütz­ung durch Spender, da das Hofcafé coronabedi­ngt geschlosse­n bleiben muss.

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