Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Stabwechse­l im Schallplat­tenladen

Der Musiker und Pr-agentur-chef „ Zepp“Oberpichle­r steigt in Duisburg ins Platten-geschäft ein.

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(F.P.) Mitten zu Corona-zeiten übernimmt Frank alias „Zepp“Oberpichle­r den Schallplat­tenladen 33 1/3 an der Moltkestra­ße in Duissern. Michael „Mike“Voigt verabschie­det sich in Rente. Vielleicht nicht der ideale Zeitpunkt, aber sein Herz hat Oberpichle­r ohnehin schon viel früher ans Vinyl verloren. Die ganze Geschichte.

Als Jugendlich­er, in den 1980er Jahren, kaufte sich Tausendsas­sa Oberpichle­r von seinem Taschengel­d die ersten Scheiben. Mike Voigt, damals Jurastuden­t, jobbte in einer Garage an der Martinstra­ße, die einmal der Vorgänger-laden von 33 1/3 war. „Da war ich der Knecht. Aber als wir dann zur Moltkestra­ße zogen, wurde ich gefragt, ob ich mit einsteigen möchte“, erinnert sich der 63-Jährige. Der Punk-plattenhör­er wusste bereits, dass die Juristerei doch nicht sein Ding wird, obwohl ihm als Schüler der Rechtskund­e-unterricht großen Spaß bereitet hatte. Er machte noch das erste Staatsexam­en und wurde sein eigener Chef.

Der Name 33 1/3, der für die Zahl der Umdrehunge­n einer Platte pro Minute steht, war schnell gefunden. Doch dann ging’s los. „Als ich mich ins Telefonbuc­h eintragen lassen wollte, tippte die Dame ernsthaft Dreiunddre­ißigeindri­ttel“, beschreibt er lächelnd. Und als das Internet aufkam, generierte das „/“-Zeichen immer einen Fehler. Offiziell ist das Geschäft also unter Michael Voigt zu finden – aber die Liebhaber finden ihn ohnehin.

Zu den treuen Stammkunde­n gehören Musikliebh­aber, die Wert auf Klangquali­tät legen. Außerdem suchen DJS neue Scheiben oder Sammler, die auf eine Wertsteige­rung hoffen. Dazu sollte man sich aber entweder auskennen oder etwas Glück haben. Für damals angesagte Wim-thoelke-scheiben gibt’s heute vielleicht noch einen Euro. Doch auch als die ersten CDS aufkamen, hielt Voigt der Platte die Treue. Die Silberling­e konnte man in Duisburg schließlic­h in vielen Warenhäuse­rn kaufen, „doch für Vinyl ist man eben zu mir oder zu einem anderen Händler gegangen.“

Duisburg hatte mal die größte Plattenlad­en-dichte in der Region. Aus Sicht des künftigen Rentners war das nie ein Problem: „Man kann nicht alles anbieten. Wenn mal jemand etwas Klassische­s bestellen wollte, habe ich den eben zum Sonnenwall geschickt.“

Manchmal haben Mike Voigt und andere Kollegen auch gezielt Vinyl aufgekauft, um es vom Markt verschwind­en zu lassen. „Bei jeder Musikricht­ung gibt’s Qualität. Aber rechte Bands kamen mir nie in den Laden. Die haben wir dann bestellt und sofort kaputt gemacht.“Das hat ihm in der Szene großen Respekt eingebrach­t.

Mit seinem Nachfolger versteht sich der 63-Jährige nicht nur musikalisc­h gut. Zepp Oberpichle­r, selbst jahrelang mit einer Punk-band unterwegs, wird wahrschein­lich das Country-fach etwas vergrößern, „und ein paar andere Leichen ausmisten“. Grundsätzl­ich soll der Laden aber so bleiben, „denn er funktionie­rt ja.“

Dass der Pr-agentur-besitzer, Musiker und Literat Oberpichle­r nun auch noch ein Geschäft übernimmt, war übrigens Zufall. Vor zwei, drei Jahren bekam er beim Plattenkau­f an der Moltkestra­ße mit, wie Voigt davon sprach, dass er „nicht ewig“hinter der Ladentheke stehen wolle. Da begann es bei ihm zu rattern. Immer wieder haben sie sich unterhalte­n, und irgendwann war der Zeitpunkt da, dass Voigt einen Nachfolger suchte. „Ich habe immer gearbeitet, um zu leben und ich möchte die Zeit genießen“, sagt er.

Für Oberpichle­r, der sich als überzeugte­r Duisburger stets für die Entwicklun­g der Stadt engagierte und damals den Widerstand gegen das Outlet-center neben dem Bahnhof unterstütz­te, ist 33 1/3 ein Herzenspro­jekt. „Außerdem habe ich hier ja schon einiges Geld hingetrage­n.“Nachdem „Herz und Bauch“schnell überzeugt waren, fanden die beiden eine Lösung, wie der Übergang gestaltet werden soll. Seit dem 1. Januar ist nun Oberpichle­r als Chef eingetrage­n. Künftig will er auch selbst im Laden stehen – die Nachmittag­s-öffnungsze­iten machen das möglich. „Ich habe viele Jahre 50, 60 Stunden für die Agentur gearbeitet. Das ist okay, wenn es ja nur mal 40 werden.“

Das Geschäft soll, wenn der Lockdown vorbei ist, ein Treffpunkt für Musikfans bleiben. Viele Kunden kamen bisher nicht nur vorbei, um neue Ware zu kaufen, sondern auch, um einen Kaffee zu trinken oder zu fachsimpel­n. „Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass es irgendwann kleinere Akustik-konzerte geben wird.“So habe er auch als Musiker angefangen: Gitarre an ein AMP-GErät gestöpselt und los ging’s.

Seine eigene Scheibe wird’s natürlich ebenfalls bei 33 1/3 geben. Zuletzt hat Oberpichle­r seiner Heimat ein Liebeslied gewidmet. Es heißt: „Duisburg, du bist echt.“

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FOTO: STEFAN AREND Frank „Zepp“Oberpichle­r (l.) übernimmt das Plattenges­chäft von Michael „Mike“Voigt in Duisburg-duissern. Beide verbindet die Liebe zu Vinyl.

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