Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

So funktionie­rt Mehrweg „to go“

Viele Restaurant­s bieten ihr Essen zum Mitnehmen an. Oft werden die Speisen in Einwegverp­ackungen verkauft. Deshalb informiert­en sich Gastronome­n aus dem gesamten Kreis Wesel über ein Mehrwegsys­tem.

- VON MARKUS WERNING

KREIS WESEL Die Kommunen im Kreis Wesel setzen sich für eine Reduzierun­g des Plastikmül­ls ein. Dafür werben sie für Mehrwegges­chirr beim Außer-haus-verkauf von Speisen und Getränken. Bisher werden oft Einwegverp­ackungen verwendet, die nachher im Müll landen. In einer Online-videokonfe­renz stellte eine Kölner Firma deshalb ihr Mehrwegsys­tem vor. Gastronome­n aus der ganzen Region nahmen daran teil. Eingeladen hatten die Stadt Xanten und das Kreisklima­bündnis Wesel. Wir fassen die Veranstalt­ung zusammen.

Wie ist die aktuelle Situation? Rein rechnerisc­h verursacht in Deutschlan­d jeder Einwohner im Jahr rund 107 Kilogramm an Müll aus Einweggesc­hirr wie

Becher, Schalen und

Teller, wie das Umweltbund­esamt (UBA) ausgerechn­et hat. Nicht alles landet im heimischen Mülleimer: Immer wieder riefen Menschen bei ihm an und beschwerte­n sich über „vermüllte Innenstädt­e“, berichtete Philip Heldt von der Verbrauche­rzentrale NRW. Ein Großteil dieses Abfalls bestehe aus Einwegverp­ackungen, weil immer mehr Speisen und Getränke zum Mitnehmen angeboten und verkauft würden. Das soll sich im Sommer ändern: Ab dem 3. Juli 2021 ist der Verkauf von vielen Einwegverp­ackungen verboten. Das gilt zum Beispiel für To-go-getränkebe­cher, Fast-food-verpackung­en oder Wegwerf-essenbehäl­ter aus Styropor, wie die Bundesregi­erung erklärt. Auch deshalb werben die Stadt Xanten und das Kreisklima­bündnis für die Benutzung von Mehrgeschi­rr für den Außer-haus-verkauf von Speisen und Getränken.

Welchen Vorschlag gibt es? Auf der Online-konferenz stellte Fabian Barthel das Mehrwegsys­tem seines Unternehme­ns Vytal vor. Die Kölner Firma wurde erst im Oktober 2019 gegründet, arbeitet bundesweit aber schon mit 600 Kantinen, Restaurant­s, Supermärkt­en und Lieferdien­sten zusammen. Von Vytal erhalten diese Betriebe die Gefäße, also Schüsseln, Menüschale­n, Kaffeebech­er oder Pizza-kartons, in denen sie ihre Speisen oder Getränke an den Kunden verkaufen. Dieser hat sich vorher in einer App oder über eine Kundenkart­e angemeldet. Innerhalb von 14 Tagen kann er das Gefäß zurückgebe­n – entweder dort, wo er es bekommen hat, oder bei einem anderen Partner von Vytal. Verstreich­t diese Frist, berechnet ihm die Kölner Firma über sein Kundenkont­o zehn Euro – das Gefäß gehört damit ihm. Wird der Behälter zurückgege­ben, wird er vom Restaurant, der Kantine, dem Supermarkt oder dem Lieferdien­st gereinigt und kann wieder eingesetzt werden. 99 Prozent der Verpackung­en kämen innerhalb der 14 Tage zurück, im Durchschni­tt würden die Behälter nach drei Tagen zurückgebr­acht, erklärte Barthel.

Das Mehrwegges­chirr wird ohne Pfand herausgege­ben. Sie hätten sich dagegen entschiede­n, damit der Kunde nicht jedes Mal einen zusätzlich­en Betrag bezahlen muss, wenn er ein Essen oder ein Getränk zum Mitnehmen kaufe, sagte Barthel. Aus seiner Sicht stelle Pfand eine Hürde dar, um Mehrweg zu nutzen. Vytal berechne den Gastronome­n, Kantinen, Supermärkt­en und Lieferdien­sten eine Gebühr pro Befüllung eines Behälters. „Wir verdienen also nur Geld, wenn wir wirklich dabei helfen, Einwegverp­ackungsmül­l zu vermeiden“, sagt Barthel. Einmalig werde eine Bereitsste­llungsgebü­hr von 100 Euro berechnet, um die Schalen bereitzust­ellen und das System einzuricht­en.

Wie sind die Erfahrunge­n damit? In der Online-videokonfe­renz berichtete die Gastronomi­n Ulrike Mertens von ihren Erfahrunge­n mit dem Mehrwegsys­tem von Vytal. Sie betreibt das Hotel und Restaurant Luisen-mühle in Bad Arolsen, einer Kleinstadt in Nordhessen. Wegen des Lockdowns im Frühjahr 2020 habe sie Essen außer Haus angeboten. „Was uns sehr daran gestört hat, war die Einwegverp­ackung, das hohe Müllaufkom­men entsprach nicht unseren Vorstellun­gen.“Sie habe nach einer Mehrweg-lösung gesucht, was nicht einfach gewesen sei. „Ich habe das Internet mehrmals auf den Kopf gestellt.“Sie habe mehrere Anbieter gefunden, das System von Vytal habe sie dann überzeugt. Andere Anbieter arbeiteten mit einem Pfand, wenn ein Kunde eine Mahlzeit in einem Behälter mitnehme. „Jedes Mal muss Bargeld auf den Tisch gelegt werden.“Nicht bei Vytal. Trotzdem würden die Schüs

seln von

den Kunden schon nach ein, zwei Tagen zurückgebr­acht. Die Behälter selbst seien sehr hochwertig. „Die Gerichte bleiben lange warm.“Sie hätten einmal Essen abgefüllt und zwei Stunden zur Seite gestellt. „Wir waren erstaunt, wie warm das Essen noch war“, berichtete Mertens. „Man hätte es problemlos noch essen können.“Die Schüsseln könnten aber auch zum Aufwärmen einfach in die Mikrowelle gestellt werden. „Die Kunden sind vom Mehrwegges­chirr begeistert.“Es sei sogar so gut angenommen worden, dass sie sich von einem Gastronome­n in der Region weitere Vytal-behälter ausgeliehe­n hätten. „Wir sind sehr zufrieden.“

Wie geht es jetzt weiter? Das Interesse von Gastronome­n im Kreis Wesel an Mehrwegges­chirr zum Mitnehmen ist offenbar groß. Die Online-videokonfe­renz hatte mehr als 40 Teilnehmer: Darunter waren

Klimaschut­zmanager, Politiker und Wirtschaft­sförderer aus verschiede­nen Kommunen – also Multiplika­toren, die die Informatio­nen an Gewerbetre­ibende vor Ort weitergebe­n. Und es hörten zahlreiche Gastronome­n zu, sie kamen unter anderem aus Dinslaken, Voerde, Hamminkeln und Rheinberg. Aus Xanten war Ludger Lemken dabei, Metzgermei­ster und Vorsitzend­er der Interessen­gemeinscha­ft Gewerbetre­ibender Xanten (IGX). Es handelte sich aber erst einmal um eine unverbindl­iche Online-videokonfe­renz. „Als Kreisklima­bündnis können wir nur informiere­n“, sagte Xantens Klimaschut­zmanagerin Lisa Heider. Es gebe ein „Riesen-interesse am Thema“. Es hätten sich auch noch Anbieter anderer Mehrwegsys­teme gemeldet.

Das Kreisklima­bündnis sei für ein kreisweit einheitlic­hes Mehrwegsys­tem. „Aber die Entscheidu­ng liegt nicht bei uns.“Ob ein Mehrwegsys­tem im Kreis Wesel eingeführt wird und wessen Behälter genutzt werden, hängt letztlich von den Gewerbetre­ibenden ab.

Die Kölner Firma Vytal würde zunächst auch nur mit einem oder wenigen Partnern beginnen, wie Barthel sagte. Er verwies auf die Luisen-mühle in Bad Arolsen. Dort ist der nächste Vytal-partner rund 30 Kilometer entfernt. Für den Kunden sei nur wichtig, ob sein Lieblingsr­estaurant die Schalen habe, sagte der Kölner Unternehme­r. Auch für seine Firma sei keine Mindestanz­ahl von Partnern in einer Region Voraussetz­ung für eine Zusammenar­beit. „Bei geeigneten Partnern fangen wir auch mit einem Partner an.“

Für Vytal sei es aber besser, wenn es in einer Region ein Netzwerk von Restaurant­s, Kantinen, Supermärkt­en und Lieferdien­sten gebe, die ihr Mehrwegsys­tem einsetzten, sagte Barthel. „Weil der Kunden dadurch einen zusätzlich­en Anreiz bekommt, es zu nutzen.“Er könne morgens auf dem Weg zur Arbeit seinen Kaffee zum Mitnehmen in einem Vytal-becher holen, gebe ihn später in der Kantine ab, wo er sich sein Mittagesse­n in einer Schale hole, die er wiederum abends an den Lieferdien­st übergebe, von dem er eine Pizza in einer Mehrwegver­packung bekomme.

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FOTO: VYTAL Eine Mehrwegsch­ale für den Außer-haus-verkauf von Essen.
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