Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
So funktioniert Mehrweg „to go“
Viele Restaurants bieten ihr Essen zum Mitnehmen an. Oft werden die Speisen in Einwegverpackungen verkauft. Deshalb informierten sich Gastronomen aus dem gesamten Kreis Wesel über ein Mehrwegsystem.
KREIS WESEL Die Kommunen im Kreis Wesel setzen sich für eine Reduzierung des Plastikmülls ein. Dafür werben sie für Mehrweggeschirr beim Außer-haus-verkauf von Speisen und Getränken. Bisher werden oft Einwegverpackungen verwendet, die nachher im Müll landen. In einer Online-videokonferenz stellte eine Kölner Firma deshalb ihr Mehrwegsystem vor. Gastronomen aus der ganzen Region nahmen daran teil. Eingeladen hatten die Stadt Xanten und das Kreisklimabündnis Wesel. Wir fassen die Veranstaltung zusammen.
Wie ist die aktuelle Situation? Rein rechnerisch verursacht in Deutschland jeder Einwohner im Jahr rund 107 Kilogramm an Müll aus Einweggeschirr wie
Becher, Schalen und
Teller, wie das Umweltbundesamt (UBA) ausgerechnet hat. Nicht alles landet im heimischen Mülleimer: Immer wieder riefen Menschen bei ihm an und beschwerten sich über „vermüllte Innenstädte“, berichtete Philip Heldt von der Verbraucherzentrale NRW. Ein Großteil dieses Abfalls bestehe aus Einwegverpackungen, weil immer mehr Speisen und Getränke zum Mitnehmen angeboten und verkauft würden. Das soll sich im Sommer ändern: Ab dem 3. Juli 2021 ist der Verkauf von vielen Einwegverpackungen verboten. Das gilt zum Beispiel für To-go-getränkebecher, Fast-food-verpackungen oder Wegwerf-essenbehälter aus Styropor, wie die Bundesregierung erklärt. Auch deshalb werben die Stadt Xanten und das Kreisklimabündnis für die Benutzung von Mehrgeschirr für den Außer-haus-verkauf von Speisen und Getränken.
Welchen Vorschlag gibt es? Auf der Online-konferenz stellte Fabian Barthel das Mehrwegsystem seines Unternehmens Vytal vor. Die Kölner Firma wurde erst im Oktober 2019 gegründet, arbeitet bundesweit aber schon mit 600 Kantinen, Restaurants, Supermärkten und Lieferdiensten zusammen. Von Vytal erhalten diese Betriebe die Gefäße, also Schüsseln, Menüschalen, Kaffeebecher oder Pizza-kartons, in denen sie ihre Speisen oder Getränke an den Kunden verkaufen. Dieser hat sich vorher in einer App oder über eine Kundenkarte angemeldet. Innerhalb von 14 Tagen kann er das Gefäß zurückgeben – entweder dort, wo er es bekommen hat, oder bei einem anderen Partner von Vytal. Verstreicht diese Frist, berechnet ihm die Kölner Firma über sein Kundenkonto zehn Euro – das Gefäß gehört damit ihm. Wird der Behälter zurückgegeben, wird er vom Restaurant, der Kantine, dem Supermarkt oder dem Lieferdienst gereinigt und kann wieder eingesetzt werden. 99 Prozent der Verpackungen kämen innerhalb der 14 Tage zurück, im Durchschnitt würden die Behälter nach drei Tagen zurückgebracht, erklärte Barthel.
Das Mehrweggeschirr wird ohne Pfand herausgegeben. Sie hätten sich dagegen entschieden, damit der Kunde nicht jedes Mal einen zusätzlichen Betrag bezahlen muss, wenn er ein Essen oder ein Getränk zum Mitnehmen kaufe, sagte Barthel. Aus seiner Sicht stelle Pfand eine Hürde dar, um Mehrweg zu nutzen. Vytal berechne den Gastronomen, Kantinen, Supermärkten und Lieferdiensten eine Gebühr pro Befüllung eines Behälters. „Wir verdienen also nur Geld, wenn wir wirklich dabei helfen, Einwegverpackungsmüll zu vermeiden“, sagt Barthel. Einmalig werde eine Bereitsstellungsgebühr von 100 Euro berechnet, um die Schalen bereitzustellen und das System einzurichten.
Wie sind die Erfahrungen damit? In der Online-videokonferenz berichtete die Gastronomin Ulrike Mertens von ihren Erfahrungen mit dem Mehrwegsystem von Vytal. Sie betreibt das Hotel und Restaurant Luisen-mühle in Bad Arolsen, einer Kleinstadt in Nordhessen. Wegen des Lockdowns im Frühjahr 2020 habe sie Essen außer Haus angeboten. „Was uns sehr daran gestört hat, war die Einwegverpackung, das hohe Müllaufkommen entsprach nicht unseren Vorstellungen.“Sie habe nach einer Mehrweg-lösung gesucht, was nicht einfach gewesen sei. „Ich habe das Internet mehrmals auf den Kopf gestellt.“Sie habe mehrere Anbieter gefunden, das System von Vytal habe sie dann überzeugt. Andere Anbieter arbeiteten mit einem Pfand, wenn ein Kunde eine Mahlzeit in einem Behälter mitnehme. „Jedes Mal muss Bargeld auf den Tisch gelegt werden.“Nicht bei Vytal. Trotzdem würden die Schüs
seln von
den Kunden schon nach ein, zwei Tagen zurückgebracht. Die Behälter selbst seien sehr hochwertig. „Die Gerichte bleiben lange warm.“Sie hätten einmal Essen abgefüllt und zwei Stunden zur Seite gestellt. „Wir waren erstaunt, wie warm das Essen noch war“, berichtete Mertens. „Man hätte es problemlos noch essen können.“Die Schüsseln könnten aber auch zum Aufwärmen einfach in die Mikrowelle gestellt werden. „Die Kunden sind vom Mehrweggeschirr begeistert.“Es sei sogar so gut angenommen worden, dass sie sich von einem Gastronomen in der Region weitere Vytal-behälter ausgeliehen hätten. „Wir sind sehr zufrieden.“
Wie geht es jetzt weiter? Das Interesse von Gastronomen im Kreis Wesel an Mehrweggeschirr zum Mitnehmen ist offenbar groß. Die Online-videokonferenz hatte mehr als 40 Teilnehmer: Darunter waren
Klimaschutzmanager, Politiker und Wirtschaftsförderer aus verschiedenen Kommunen – also Multiplikatoren, die die Informationen an Gewerbetreibende vor Ort weitergeben. Und es hörten zahlreiche Gastronomen zu, sie kamen unter anderem aus Dinslaken, Voerde, Hamminkeln und Rheinberg. Aus Xanten war Ludger Lemken dabei, Metzgermeister und Vorsitzender der Interessengemeinschaft Gewerbetreibender Xanten (IGX). Es handelte sich aber erst einmal um eine unverbindliche Online-videokonferenz. „Als Kreisklimabündnis können wir nur informieren“, sagte Xantens Klimaschutzmanagerin Lisa Heider. Es gebe ein „Riesen-interesse am Thema“. Es hätten sich auch noch Anbieter anderer Mehrwegsysteme gemeldet.
Das Kreisklimabündnis sei für ein kreisweit einheitliches Mehrwegsystem. „Aber die Entscheidung liegt nicht bei uns.“Ob ein Mehrwegsystem im Kreis Wesel eingeführt wird und wessen Behälter genutzt werden, hängt letztlich von den Gewerbetreibenden ab.
Die Kölner Firma Vytal würde zunächst auch nur mit einem oder wenigen Partnern beginnen, wie Barthel sagte. Er verwies auf die Luisen-mühle in Bad Arolsen. Dort ist der nächste Vytal-partner rund 30 Kilometer entfernt. Für den Kunden sei nur wichtig, ob sein Lieblingsrestaurant die Schalen habe, sagte der Kölner Unternehmer. Auch für seine Firma sei keine Mindestanzahl von Partnern in einer Region Voraussetzung für eine Zusammenarbeit. „Bei geeigneten Partnern fangen wir auch mit einem Partner an.“
Für Vytal sei es aber besser, wenn es in einer Region ein Netzwerk von Restaurants, Kantinen, Supermärkten und Lieferdiensten gebe, die ihr Mehrwegsystem einsetzten, sagte Barthel. „Weil der Kunden dadurch einen zusätzlichen Anreiz bekommt, es zu nutzen.“Er könne morgens auf dem Weg zur Arbeit seinen Kaffee zum Mitnehmen in einem Vytal-becher holen, gebe ihn später in der Kantine ab, wo er sich sein Mittagessen in einer Schale hole, die er wiederum abends an den Lieferdienst übergebe, von dem er eine Pizza in einer Mehrwegverpackung bekomme.