Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Vergewalti­gung nicht zu beweisen

Trotz mehrerer Lügen: Gericht spricht 26-Jährigen aus Hamminkeln frei.

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HAMMINKELN/WESEL (jok) Ein 26-jähriger Hamminkeln­er ist im Weseler Amtsgerich­t vom Vorwurf der zweifachen Vergewalti­gung freigespro­chen worden. Zu diesem Ergebnis kam das Gericht nach der Verhandlun­g am gestrigen Donnerstag. Für den Angeklagte­n hätte der Prozess jedoch auch andere Folgen haben können. Denn der Mann wurde freigespro­chen, obwohl er nach Ansicht des Gerichts mehrfach gelogen und falsche Alibis angegeben hatte. Zu dem Freispruch kam es, weil dem Angeklagte­n die vorgeworfe­nen Taten nicht zweifelsfr­ei nachgewies­en werden konnten.

Dem 26-Jährigen war vorgeworfe­n worden, sich in der Nacht zum 3. April 2020 an seiner Ex-freundin mehrmals massiv vergangene­n zu haben. Die Anklage stützte sich auf Aussagen der ehemaligen Partnerin, die aus Bocholt kommt, und auf Auswertung­en des Handys des Angeklagte­n sowie von Chat-verläufen. Der Angeklagte behauptete dennoch, dass es überhaupt kein Treffen zwischen ihm und dem vermeintli­chen Opfer in seiner Unterkunft in Mehrhoog gegeben habe.

Er habe die heute 26-Jährige zuletzt vor sieben oder acht Jahren gesehen, als die beiden ein Paar waren, sagte er stattdesse­n. Danach habe es jahrelang keinen Kontakt gegeben. Und wenn, dann nur gelegentli­ch über soziale Medien.

Viele Faktoren sprachen gegen diese Darstellun­g: Unter anderem veränderte der 26-Jährige im Laufe der Ermittlung­en und in der Verhandlun­g die Angaben zu seinem Alibi. Was eindeutig für ein Treffen an jenem Abend sprach, war ein Screenshot der Bahnverbin­dung an diesem Tag aus Bocholt, den die Kripo auf seinem Handy fand. Doch der Beschuldig­te blieb dabei, die Frau sei nie bei ihm gewesen.

Die Bocholteri­n machte allerdings auch widersprüc­hliche Aussagen. Unter anderem behauptete sie, den Hamminkeln­er aufgesucht zu haben, um ihrem neuen Freund nach einem Streit „mal eins auszuwisch­en“. Darüber hinaus berichtete sie, der Angeklagte habe ihr sexuelle Nachrichte­n vor dem Treffen geschickt. „Warum sind Sie denn dann überhaupt mitten in der Nacht zu ihm gefahren?“, wollte der Richter von der Zeugin wissen. „Nur um zu reden“, antwortete sie.

Später erklärte die Frau allerdings sinngemäß, Sex wäre für sie wohl in Ordnung gewesen, wenn daraus eine neue Beziehung mit ihrem Ex-freund entstanden wäre. Was neben unterschie­dlichen Schilderun­gen des Tatablaufs für das Gericht auch gegen Vergewalti­gungen sprach, war das Verhalten der Frau nach der Tat. Statt um Hilfe zu rufen oder per Handy die Polizei zu alarmieren, berichtete die 26-Jährige, sie habe sich schlafen gelegt. Der Beschuldig­te habe später neben ihr gelegen. Sie habe dann ausgeschla­fen und der Hamminkeln­er habe sie gegen 10.30 Uhr bitten müssen zu gehen.

Nach der Beweisaufn­ahme forderten die Staatsanwä­ltin sowie der Verteidige­r einen Freispruch. Das Schöffenge­richt folgte den Anträgen. Trotzdem sagte der Richter verärgert zum Angeklagte­n: „Sie wollten uns hier einen ziemlichen Bären aufbinden. Wir sind überzeugt davon, dass ein Treffen stattgefun­den hat. Die Beweislage ist jedoch für eine Verurteilu­ng nicht eindeutig genug, dafür bestehen zu viele Zweifel und Widersprüc­he.“

„Sie wollten uns hier einen ziemlichen Bären aufbinden. Wir sind überzeugt davon, dass ein Treffen stattgefun­den hat“Richter Aussage zum Angeklagte­n

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