Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Warum Corona Dinslaken so hart trifft
Dinslakens Nachbargemeinde Hünxe hat im Kreis Wesel eine der niedrigsten Infektionsraten. Auch prozentual sind in Hünxe weniger Menschen betroffen. Das liegt nicht nur an der Bevölkerungsdichte.
DINSLAKEN/HÜNXE (aha) Dinslaken und Hünxe sind direkte Nachbarn - und unterscheiden sich beim Thema Corona doch erheblich: Dinslaken hatte mit 200,55 mit Abstand die höchste, Hünxe mit 44,12 (Stand 20. Januar) eine der niedrigsten 7-Tage-inzidenzen im Kreis Wesel. Seit Beginn der Pandemie wurden in Hünxe 1,6 Prozent der Bürger (224) positiv auf das Virus getestet, in Dinslaken 2,6 Prozent (1842). Woher kommt dieser Unterschied?
Der Kreis Wesel ist mit der Erfassung der Fallzahlen und der Kontaktnachverfolgung mehr als ausgelastet und befasst sich nicht mit sozioökonomischen Rahmenbedingungen der Pandemie. Dass diese aber eine Rolle spielen, belegt eine Studie der Heinrich-heine-universität Düsseldorf und der AOK.
Dabei wurde untersucht, ob Arbeitslose häufiger aufgrund einer Covid-19 Erkrankung in einem Krankenhaus behandelt werden mussten, als Erwerbstätige. Tatsächlich zeigten sich - wie für andere Erkrankungen auch - soziale Unterschiede. So haben danach Bezieher von Arbeitslosengeld II ein um 84 Prozent erhöhtes Risiko für einen Covid-19-bedingten Krankenhausaufenthalt – unabhängig von Alter und Geschlecht. „Dass Armut und Gesundheit zusammenhängen, wissen wir seit langem,“so Prof. Nico Dragano vom Universitätsklinikum Düsseldorf.
Dass „insbesondere Langzeitarbeitslose ein höheres Risiko haben, mit Covid-19 im Krankenhaus behandelt zu werden, könnte es daher daran liegen, dass sie oft gesundheitlich vorbelastet sind“. Auch der Beruf spielt eine Rolle. Kassierer, Pfleger oder andere weniger gut bezahlte Berufsgruppen könnten weniger gut im Homeoffice arbeiten, müssten weiterhin - häufig mit öffentlichen Verkehrsmitteln- zur Arbeit fahren, so Dragano.
Die Datensammlung „Corona regional“des Bundesinstituts für Bau, Stadt- und Raumforschung zeigt, dass auch die Bevölkerungsdichte eine Rolle spielt: Zwar seien „einige dünner besiedelte Regionen weniger betroffen als dicht besiedelte Gebiete. Ein systematischer Unterschied in Stadt und Land kann jedoch nicht festgestellt werden.“
Neben Hotspots – wie derzeit in mehreren Seniorenheimen in Dinslaken – spielt danach auch die Altersstruktur der Bevölkerung eine Rolle. Je jünger die Bevölkerung ist, desto wahrscheinlicher sind höhere Fallzahlen. Im Kreis Wesel - wie auch bundesweit - gab es laut Robert-koch-institut etwa mit 3923 die meisten Erkrankten in der Altersgruppe der 35- bis 39-Jährigen, gefolgt von den 15- bis 34-Jährigen (2863), den 60- bis 79-Jährigen (1505), den über 80-Jährigen (961), und den 5 bis 14-Jährigen (285).
Der „Wegweiser Kommune“der Bertelsmann-stiftung hat Ende 2018 zuletzt statistische Daten, die bei den Faktoren Altersstruktur, Einkommen, Armut, Beruf, Bevölkerungsdichte eine Rolle spielen, auch für die Dinslaken und Hünxe erhoben. Auch wenn sich die Unterschiede nicht an einzelnen Ursachen festmachen lasse - hier ist ein Vergleich.
Die Bertelsmannstiftung erfasst die Zahlen nicht in denselben Altersabschnitten wie das RKI. Der Anteil der 24- bis 37-Jährigen - also ein Teil der Altersgruppe mit den meisten Erkrankungen - an der Bevölkerung liegt in Dinslaken mit 16,3 Prozent höher als in Hünxe
(12,9 Prozent). Das Durchschnittsalter liegt in Hünxe (48,3) höher als in Dinslaken (46,2).
Der Anteil der Haushalte mit niedrigem Einkommen ist in Dinslaken deutlich höher als in Hünxe: In Dinslaken haben 43,1 Prozent der Haushalte (sowohl Familienals auch Singlehaushalte) weniger als 25.000 Euro im Jahr, in Hünxe sind es 28,6 Prozent. Ein hohes Einkommen (mehr als 50.000 Euro netto im Jahr) haben in Dinslaken 20,1 Prozent, in Hünxe 30,3 Prozent der Haushalte. Die Kaufkraft (die Summe aller Nettoeinkünfte wie Arbeitslohn, Rente, Sozialleistungen, Kindergeld) wird in Dinslaken bei 50.275 Euro beziffert, in Hünxe mit 66.415 Euro. Die Arbeitslosengeld Ii-quote liegt zum Stichtag in Dinslaken bei 8,9 Prozent, in Hünxe bei 3,2 Prozent, der Anteil der „Hochqualifizierten“in Dinslaken bei 11,7 Prozent, in Hünxe bei 12,9.