Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Grimms Holocaust-mahnstein für Dinslaken
Am 27. Januar wollte der Künstler Alfred Grimm ein Denkmal auf dem ehemaligen jüdischen Friedhof in Dinslaken aufstellen. Angefertigt wurde es mit Hilfe der Bronzegießerei Butzon & Bercker in Kevelaer. Doch wegen Corona wird vorerst nichts daraus.
KEVELAER/DINSLAKEN Am 27. Januar 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee die Überlebenden des KZ Auschwitz-birkenau, des größten Vernichtungslagers des Nazi-regimes. 60 Jahre später erklärten die Vereinten Nationen diesen Tag zum internationalen Holocaust-gedenktag. Passend dazu hat der Künstler und frühere Beuys-schüler Alfred Grimm aus Hünxe einen Mahnstein entworfen. Diesen wollte er am 27. Januar auf dem ehemaligen jüdischen Friedhof in Dinslaken der Öffentlichkeit übergeben. Dort befindet sich bereits ein großes Bronzemahnmal, das seit 1993 im Stadtpark an die ehemalige jüdische Gemeinde erinnert und ebenfalls aus Grimms Werkstatt stammt. Gegossen und zusammengefügt wurden die Einzelteile von der traditionsreichen Bronzegießerei Butzon und Bercker in Kevelaer. Zwar fehlt noch das eine oder andere Detail. Aber das Werk steht abholbereit in der Wallfahrtsstadt. Die Übergabe verzögert sich allerdings. Schuld daran sind Corona und die aktuellen Hygiene- und Abstandsregeln.
Es ist der mittlerweile fünfte Mahnstein, den Grimm von der Ke
„Der Qr-code vermittelt dem Besucher Sinn und Bedeutung des Mahnmals“Alfred Grimm Künstler
velaerer Bronzegießerei anfertigen lässt. In Auftrag gegeben hat ihn der Rat der Stadt Dinslaken. Er soll an den ersten Friedhof der jüdischen Gemeinde in Dinslaken erinnern, der ab 1722, also zwei Jahrhunderte lang auf einem Hügel (dem „Doel“) in der Innenstadt zu finden war. Weil dieser irgendwann zu klein wurde und der Regulierung des Innenstadtverkehrs im Wege war, wurde er ab 1927, endgültig im Jahr 1938 abgetragen. 60 Steine fanden auf dem neuen Parkfriedhof in Dinslaken an der B 8 Aufstellung.
Seit 2012 ist Alfred Grimm mit der Arbeit an den Mahnsteinen beschäftigt, die bisher an vier jüdische Familien erinnern. Vor den Geschäften einer Putzmacherin, eines Kaufmann, zweier Viehhändler und einem Installateur konnte er bereits je eine kleine Gedenkstätte errichten, in deren Mitte sich jeweils eine Stele mit einer Bronzeplastik befindet. Hierzu schuf der Künstler Wachsmodelle, die Motive aus der täglichen Arbeit dieser ausgewählten jüdischen Familien enthalten. Von Butzon und Bercker aus Kevelaer stammen die Bronzehauben, welche die Mittelstelen bedecken. Zusammen mit zwei Sitzsteinen, auf denen sich die Besucher ausruhen, warten oder die Motive der Bronzeplastik betrachten können, bilden sie die Gesamtheit der Gedenkstätten.
Nun also der fünfte Mahnstein: Mit Michael Bercker mussten im Vorfeld sämtliche Wachsentwürfe für die Plastik besprochen werden. Außerdem wurden alle Teile im Hinblick auf ihre Umsetzbarkeit im endgültigen Bronzeguss einer Prüfung unterzogen. Fragen zu den jüdischen Texten, die auf den drei kleineren, auf dem Pflastersteinboden anzubringenden Grabsteinen platziert werden, mussten vorab geklärt und mit den Entwurfszeichnungen und den Wachsmodellen verglichen werden. Für die Gestaltung des Mahnsteins benutzte Grimm historische Fotos aus dem Stadtarchiv Dinslaken als Vorlage und schuf sinnlich-sichtbar den Grabhügel, nahm einzelne Grabsteine als Anregung für seine Miniatur-modelle, auf denen sich in freier Anlehnung an die originalen Grabinschriften verkleinerte Texte befinden. Er formte die großen Baumgruppen und umrandete die kleine Plastik mit einem Zaungitter, genauso, wie man es auf den historischen Fotos erkennen kann.
Zur intensiveren, plastischen Durchformung der Stätte wurden unten an der Mittelstele noch drei verkleinerte Grabsteine angefügt, die konkrete Grabinschriften aufweisen. Der älteste Stein stammt aus dem Jahr 1770, der mittlere von
1858 und der letzte von 1916. „In einem besonderen technischen Verfahren hat Butzon und Bercker die jüdischen Inschriften und die deutschen Infotexte auf die von mir geformten Grabsteine aufgebracht und als kleine Modelle gegossen“, berichtet Grimm.
An diesen Erweiterungen lässt sich im Vergleich zu den vor fast zehn Jahren geschaffenen Stelen eine künstlerische wie zeitliche Entwicklung ablesen. Wurden bei den ersten vier Steinen biografische Daten und Hinweise zu Sponsoren fest in zwei Bronzerahmen eingefügt, sollen jetzt – zusätzlich zu einer Bronzetafel – bei der neuen Gedenkstätte Informationen, Hinweise, Fotos und historische Materialien mithilfe eines Qr-codes abgerufen werden können.
„Dadurch wird dem Besucher dieses Mahnmals der Sinn und die Bedeutung, die Geschichte und das geografische Umfeld viel umfassender vermittelt, als dass es ein kleiner, in Bronze gefasster Text vermag“, ist Grimm überzeugt.