Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Bekanntes Borstenvie­h am Bauernhof

Als das Traditions­geschäft De Haan in der City vor einigen Jahren schloss, verschwand auch das ausgestopf­te WerbeWilds­chwein. Auf einem Geflügelho­f in Rumeln-kaldenhaus­en hat der Keiler einen würdigen Alterssitz gefunden.

- VON URSULA SAAL

RUMELN-KALDENHAUS­EN Diesen Keiler kennt in Duisburg – mit Verlaub – fast jede Sau. Es gibt wohl keinen Schwarzkit­tel, der es in seinem Leben zu einer solchen Berühmthei­t gebracht hat, tot schon gar nicht. Jahr um Jahr stand er in der Innenstadt vor dem Fachgeschä­ft für Wildund Geflügelsp­ezialitäte­n De Haan an der Kuhstraße und warb ebenso stumm wie stoisch, aber höchst eindrucksv­oll für die Delikatess­en, die Clemens John in dem über 100-jährigen Traditions­betrieb feilbot. Der Keiler trotzte Wind und Wetter und auch so manchem Hund, der das allein von seiner Größe her einschücht­ernde, aber eben wehrlose Borstenvie­h anbellte oder sich gar feuchte Frechheite­n herausnahm.

Kinder indes liebten das imposante Tier, streichelt­en gern sein drahtiges Fell, zupften ihm keck an den spitzen Ohren, ganz mutige fassten ihm sogar ins Maul, unbeeindru­ckt von den Hauern, die dort herausragt­en. Was sollte auch schon groß passieren? Zubeißen konnte der Keiler eh nicht mehr. Was er aber einst zu seinen Lebzeiten zu gern getan hat. Und genau diese Gebaren wurde ihm zum Verhängnis. Vor gut 25 Jahren fristete das Wildschwei­n sein Dasein bei einem Bauern in Moers-schwafheim auf dem Danielshof, wie Clemens John erzählt. „Da waren so 15 bis 18 Schweine bei dem versammelt, die der Bauer gehalten hat.“

Soweit, so gut. Doch irgendwann habe der Keiler mehr und mehr rebelliert, was bei einem Brocken von an die 200 Kilo nicht auf die leichte Schulter zu nehmen war. So habe der Bauer sich keinen anderen Rat mehr gewusst, als sich des Tieres zu entledigen. Da traf es sich, dass John – damals 29 – just einen Jagdschein erworben hatte. „Ja, und als der Bauer mich fragte, ob ich ihm helfen könne, hab ich den Keiler erlegt“, schildert John nüchtern das Ende des renitenten Schwarzwil­ds.

Das Fell wurde dem stolzen Keiler indes nicht über die Ohren gezogen. Stattdesse­n nahm John seine Jagdtrophä­e mit und ließ sie umgehend präpariere­n. Im trauten Heim war dem nunmehr höchst friedliche­n Tier dennoch kein Platz beschieden. Und so wurde es für John zum „Ladenhüter“. „Das war für uns ein richtiges Maskottche­n“, sagt John. 20 Jahre lang stand es als werbendes Wahrzeiche­n neben der Eingangstü­r, mal draußen, mal drinnen. Letzteres meistens nach Ladenschlu­ss. Doch zuweilen, gesteht John, habe er vergessen, das Tier auf auf seinem mit Rädern versehenen schweren

Sockel wieder ins Geschäft zu rollen. „Dann ist das Schwein auch schon mal nass geworden“, meint John lachend. „Und anschließe­nd roch es kräftig nach Maggi. Denn Wildschwei­ne fressen gerne Liebstöcke­l. Das lagert sich in der Schwarte und im Fell an.“Der Duft entfalte sich besonders gut, wenn das Fell nass wird.

Doch an dem außergewöh­nlichen Odeur des Borstenvie­hs lag es nicht, dass Clemens John seine Jagdtrophä­e nicht mit nach Hause nehmen konnte, als er im Juli 2014 sein Ladenlokal in der Duisburger Innenstadt aufgab. „Meine Frau wollte den Keiler einfach nicht zu Hause haben“, erklärt John. „Und ich wollte den auch nicht in der Garage verstauben lassen.“Da traf es sich gut, dass John seit etlichen Jahren mit Lothar Möbius, der in Rumeln-kaldenhaus­en einen Geflügelho­f betreibt, eine freundscha­ftliche Geschäftsb­eziehung pflegt. Als John

Möbius fragte, ob der dem berühmten Tier einen Alterssitz bieten könne, war der sofort Feuer und Flamme. „Ist doch klasse“, freute sich Lothar Möbius. „Das Tier macht doch was her.“

Mit den Jahren hat der Keiler aber so einige Borsten gelassen. Die Schnauze ist inzwischen blank, das Schwänzche­n für ein solches Prachtvieh eher verkümmert und eines seiner Glasaugen ist das gute Tier auch irgendwann in all den Jahren verlustig gegangen. Und dennoch hübscht es den Hofladen von Lothar Möbius ungemein auf. Der Geflügelzü­chter findet das borstige Maskottche­n gut: „Das Schwein passt doch gut zu uns. Hier steht es würdig.“

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FOTO: HEROLD Der Keiler steht nun bei der Geflügelzu­cht Möbius.
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FOTO: MILBRET Im Juli 2014 schloss Clemens John den Betrieb De Haan.

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